
Zehntausende Freiwillige aus der Umgebung schließen sich den Freiheitskämpfern an
Als Wehrmacht, Truppen des NDH und Četniks gegen die gerade mal 3.000 Partisanen im Kozara-Gebirge vorzurücken begannen, erkannte die Bevölkerung dieses großteils von ethnischen Serben bewohnten Teils der Krajina die Gefahr. Zehntausende strömten mit allem, was sie an Waffen verfügbar hatten, zu den Partisanen.
Die Streitmacht gegen die faschistischen Besatzer wuchs von 3.000 auf etwa 60.000 an.
Fünf Wochen lang, bis zum 17. Juli, leistete diese bunt zusammengewürfelte Truppe Widerstand. Mehrere Gruppen konnten aus dem Kessel ausbrechen, unter anderem eine kleine Gruppe, die Tito in Sicherheit brachte. Dann brach der Widerstand zusammen.
Die Partisaneneinheiten waren beinahe aufgerieben worden. Von den ursprünglich 3.000 überlebten etwa 900. Wie viele der Unterstützungssoldaten aus der lokalen Bevölkerung bei den Kampfhandlungen ums Leben kamen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Die Wehrmacht gab die Gesamtzahl der getöteten jugoslawischen Kämpfer mit etwa 4.000 an. Die Schätzung erfolgte freilich zwei Wochen nach dem Ende des organisierten Widerstands, nachdem die Gegend nach noch lebenden Kämpfern durchsucht worden war.
Das Morden der Ustaša
Parallel begann nach dem Kollaps des organisierten Widerstandes das Morden. Ustaša und Wehrmacht deportierten fast 70.000 Bewohner der umliegenden Dörfer und Kleinstädte in kroatische Konzentrations- und Vernichtungslager, vor allem nach Jasenovac. Um die 25.000 dieser Deportierten wurden in den Lagern ermordet.
Einer, der das nicht mitbekommen haben will, war 1942 ein Stabsoffizier der Wehrmacht, der an der Operation Westbosnien beteiligt war. Ein gewisser Kurt Waldheim sagte 1986, er habe nur gewusst, dass die Wehrmacht den kroatischen Verbündeten tausende Zivilisten übergab. Er sei davon ausgegangen, diese würden nach geltendem Recht behandelt und wohin sie gebracht würden, habe er nicht gewusst.
Seit dem Frühsommer 1941 war der Führung der Wehrmacht und den Spitzen des NS-Staates bekannt, dass kroatische Faschisten systematisch ethnische Serben im Herrschaftsbereich des NDH ermordeten. Verbindungsoffiziere und zahlreiche am Balkan stationierte Offiziere aller Ränge schrieben Eingaben an höhere Stellen: Man möge auf die kroatischen Verbündeten einwirken, das doch bitte sein zu lassen.
Manche handelten aus Abscheu vor dem Massenmord. Manchen lag nur daran, dass das Morden einen Aufstand auslöste und am Leben hielt, den man nicht brauchen konnte. Andere machten sich Sorgen, dass die Morde die eigenen Leute demoralisieren könnte. Das schloss manchen SS-Offizier ein, der sich weniger am Morden selber störte als an der ausgeprägten Brutalität, mit der die Ustaša dem nachging.
Einen Einblick, wie es den zehntausenden Zivilisten ging, die nach der Kozara-Schlacht deportiert worden waren, gibt dieser Zeitzeugenbericht von Boro Puljarević. KOSMO interviewte den damals 82-Jährigen zum 75. Jahrestag der Kozara-Schlacht.
Taktische Niederlage und strategischer Sieg
Für die Partisanen war die Schlacht eine schwere taktische Niederlage. Sie sollte nicht die letzte bleiben. Ein halbes Jahr später standen sie an der Neretva einmal mehr der Auslöschung nahe – und überlebten, knapp aber bestimmt. Wie bei der Kozara-Schlacht wurde aus einer taktischen Niederlage ein strategischer Sieg.
Am 29. November 1943 war die antifaschistische Widerstandsbewegung der Partisanen und ihrer politischen Arme, der AVNOJ und der NOP, so groß und gefestigt, dass sie in Jajce in Zentralbosnien Jugoslawien offiziell neu gründeten. (Mehr siehe hier.) Eineinhalb Jahre später hatten sie das ganze Land befreit – mit Ausnahme einer Offensive der Roten Armee im Herbst 1944 taten sie das weitgehend aus eigener Kraft.
Dass das möglich war, entschied sich unter anderem im Kozara-Gebirge.
Zum Gründungsmythos überhöht
In Jugoslawien wurde die Schlacht auch zum Gründungsmythos überhöht. Die offizielle Geschichtsschreibung betonte die Aufopferung der Partisanen und ihrer lokalen Verbündeten. Deutlich wird das unter anderem im Film Bitka na Kozari von Regisseur Veljko Bulajić aus dem Jahr 1962. Er wurde zur Blaupause für den eigentlichen jugoslawischen Partisanenfilm.
Der Kolo Oj Kozara war eines der beliebtesten Partisanenlieder im ehemaligen Jugoslawien.
Zentrales Motiv ist der Massenkampf gegen die faschistischen Besatzer.
Oj Kozaro, joj oj Kozaro
moja gusta šumo
(2x)
U tebi je, joj u tebi je
partizana puno
(2x)
Koliko je, joj koliko je
na Kozari grana
(2x)
Još je više, joj još je više
mladih partizana
Das unterstreicht auch der Spomenik Revolucije.
Welche Geschichten die Gedenktafeln erzählen
Hinter der Hauptskulptur ist eine Installation mit Tafeln, die an die Teilnehmer der Schlacht und an ihre Gefallenen erinnern.
Diese Tafeln zeigen zwei Dinge deutlich: Schon im Frühsommer 1942 beteiligten sich Menschen aus dem ganzen Land mit der Waffe in der Hand an der Befreiung vom Faschismus.
Und, dass die Opfer unter der Bevölkerung in der weiteren Umgebung enorm waren.
Aus dem damals kleinen Dorf Rakovica bei Ilidža tragen 18 Gefallene den Nachnamen Babić. Hier opferte sich beinahe eine gesamte Großfamilie im Kampf für ein freies Jugoslawien und im Widerstand gegen den Völkermord der Ustaša.
Das gerät langsam in Vergessenheit.
Gleich neben dem Gedenkpark steht das Hotel Monument. Es wirkt geschlossen.
Dass die Erinnerung an die Schlacht im Kozara-Gebirge verblasst, liegt möglicherweise auch an den politischen Verantwortlichen in der Republika Srpska. Das ist der serbisch dominierte bosnische Teilstaat.
Sie haben am Eingang des Gedenkparks ein großes orthodoxes Kreuz aufstellen lassen. Das soll die Opfer der Schlacht und der Morde danach für den serbischen Nationalismus vereinnahmen.
Ohne den Völkermord an den Serben im Zweiten Weltkrieg zu verharmlosen oder als zentrale Kategorie des Geschehens gerade im Kozara-Gebirge herunterzuspielen: Die Opfer so zu vereinnahmen, heißt auch, die Opfer der tausenden Bosnjaken und Kroaten und zahlreicher Slowenen und einzelner internationaler antifaschistischer Kämpfer herunterzuspielen – etwa von Georg Schlander aus Wien.
Er dürfte der einzige Österreicher gewesen sein, der im Frühsommer 1942 auf Seiten der Partisanen gegen die deutschen Besatzer kämpfte – und somit gegen seinen Landsmann Kurt Waldheim. Soweit sich das anhand der Gedenktafel rekonstruieren lässt, kam er bei der Kozara-Schlacht ums Leben. Und ermöglichte mit seinem Opfer der Partisanenbewegung das Leben.
Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.
Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.
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