In Bosnien ist die Hochwasserkatastrophe mit 24 Toten aus den Schlagzeilen verschwunden. Erste internationale Hilfsteams sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Den Überlebenden bleiben zerstörte Dörfer. Und mitunter Wut über Behörden und Politik.
Der Krieg im Libanon und das zehnjährige Jubiläum des Berliner Prozesses für den Westbalkan sind den meisten bosnischen Medien mittlerweile wichtiger als die Hochwasserkatastrophe vor zehn Tagen, bei der landesweit mindestens 24 Menschen ums Leben gekommen sind.
Ob Radio Sarajevo, klix.ba, Dnevni Avaz oder Oslobođenje: Man muss suchen, um aktuelle Informationen über die laufenden Rettungsarbeiten zu finden oder zu erfahren, wie es um die Aufräumarbeiten oder die Überlebenden steht.
Das überrascht. Nicht nur ist in den frühen Morgenstunden des 4. Oktober eine große Zahl an Menschen ums Leben gekommen. Mit der M17 und der Eisenbahnlinie Sarajevo-Mostar sind auch zwei wichtige Verkehrsadern Bosniens gesperrt. Mehrere Gemeinden sind nach wie vor ohne Trinkwasser und Strom.
Man setze alles ein, was man habe, um die Schäden zu beheben, heißt es vom Katastrophenschutz des Kantons Hercegovina Neretva, den die Katastrophe am schlimmsten getroffen hatte.
Für Helfer einer der schwierigsten Einsätze bisher
Sicher, die spektakulären Rettungsaktionen sind vorbei. Aus Donja Jablanica, wo ein Felssturz aus einem Steinbruch nach aktuellem 17 Menschen getötet hat, sind mittlerweile die ersten internationalen Rettungsteams abgereist. Sie sind nach mehr als einer Woche erschöpft, und so weit bekannt, dürften alle Vermissten geborgen worden sein – tot.
Nika Markoč, Hundeführerin des kroatischen Rettungsteams, schildert, dass die Suche nach Überlebenden hier besonders schwer gewesen sei. Mit der Felslawine aus dem Steinbruch kam auch viel Schlamm, der Häuser und Menschen unter sich begrub.
Der Schlamm hielt auch den Geruch der Menschen zurück, die er begraben hatte, schildert die Retterin: „Es ist für uns und unsere Hunde eine Aufgabe, es zu schaffen, Menschen auf einem solchen Gelände zu orten“, sagt sie gegenüber Medien.
Dennoch gelang es, Verschüttete unter dem Schlamm aufzuspüren und zu bergen.
Aus ihrer Sicht und der ihres Teams war es einer der schwierigsten Einsätze bisher.
Wut über Behörden
Im nahegelegenen Dorf Zlate machen zumindest einzelne Bewohner ihrem Unmut Luft. Die Gemeinde Jablanica habe sie völlig alleine gelassen, sagt etwa Erna Šašić in einer Reportage von N1. Wie Donja Jablanica ist Zlate eine Katastralgemeinde von Jablanica in der nördlichen Hercegovina.
„Niemand aus der Gemeinde Jablanica hat uns kontaktiert, nur Leute von Pomozi.ba, sie sind immer hier“, sagt sie, und fügt hinzu, dass ohne Aktivisten und humanitäre Helfer „nichts gereinigt worden wäre“.
Für Bosniens größte Hilfsorganisation Pomozi BA ist der Hilfseinsatz noch lange nicht vorbei. Sie koordiniert zahlreiche Freiwillige aus ganz Bosnien, die in den betroffenen Regionen bei den Aufräumarbeiten helfen – und sie in einigen Fällen auch praktisch alleine überhaben.
Landesweite und internationale Solidarität
Getragen wird der Einsatz von Pomozi von einer landesweiten Welle der Solidarität mit den Opfern der Hochwasserkatastrophe – die wohl auch motiviert ist aus Erfahrungen mit versagenden Behörden im Land.
Auch aus den anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien ist die Solidarität groß – wie man etwa an der hohen Zahl an Rettungskräften aus der Region sieht.
Das gibt Manchen in der Trauer um die Opfer und die Verzweiflung über die Langzeitfolgen auch Hoffnung.
Die Hoffnung, dass die Tragödie die Menschen aus der Region wieder zusammenbringt.
Dem verleiht der Fotoreporter Dženad Džino aus Jablanica mit dem Youtube-Video „Da se ne zaboravi“ (Auf dass es nicht vergessen wird) Ausdruck. Es dokumentiert die regionalen Rettungseinsätze.
Balkan Stories, Christoph Baumgarten
Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.
Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.
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