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Serbiens berühmtester Demonstrant im Interview: „So will uns Vučić satanisieren!“

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Petar Đurić beschuldigt den serbischen Staat, seinen Vater auf dem Gewissen zu haben. Hier auf dem Foto in Gesellschaft seiner Mutter. FOTO: zVg

„Das ist für dich, Dad“: Der Schrei eines jungen Manns mit Tränen in den Augen wurde zum Symbol für die aktuellen Anti-Regierungs-Proteste in Belgrad.

Petar Đurić (30) wurde über Nacht zum Aushängeschild der Protestbewegung in Serbien, die seit Tagen in Belgrad und anderen Städten gegen die Politik des Staatspräsidenten Aleksandar Vučić auf die Straße geht. In wenigen Sätzen drückte dieser junge Mann den Schmerz für seinen Vater aus, der an Corona gestorben ist. Dabei behauptete er, dass der Staat und die schlechte medizinische Versorgung am Tod seines Vaters schuld sind. Petar Đurić lebt mit seiner Familie in Belgrad und arbeitet als Basketballtrainer, der auch in Amerika gearbeitet hat. Der junge Mann, der die Welt gesehen hat, kehrte nach Serbien mit dem Wunsch zurück, normal zu leben. Er wünschte sich nichts mehr als ein Leben als Basketballtrainer in Serbien. Nun ist er von der Politik, vom Staat und von der Gesellschaft enttäuscht. Wir sprachen mit dem jungen Belgrader.

KOSMO: Warum haben Sie an den Protesten teilgenommen?
Petar Đurić: Wie alle anderen habe ich mich spontan dazu entschlossen, protestieren zu gehen. Ich fühlte mich von Emotionen und Ungerechtigkeiten angezogen, die mit dem Tod meines Vaters kulminierte. Ich musste einfach meine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen, weil alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in Serbien voller Probleme sind. Ich hatte das Glück, meine Trauer über den Tod meines Vaters und die Ungerechtigkeit im Fernsehen zum Ausdruck bringen zu können, die ihm, unserer gesamten Familie und vielen anderen Familien angetan wurde.

Dein Schrei „Das ist für dich, Dad“ wurde viral, weil er so ehrlich war. Was ist mit Ihrem Vater genau passiert?
Die Menschen erkannten meine Aufrichtigkeit, meine tiefen Gefühle, meine Traurigkeit und meinen Schmerz, die aus mir kamen, die Ungerechtigkeit, die ich in den letzten Monaten in meinem Herzen getragen habe, und unterstützten mich massenhaft. Die Unterstützung kam sogar aus Südkorea, und der gesamte Balkan vereinte sich und gab mir ermutigende und tröstende Worte. Mein Vater wartete drei Tage auf ein Beatmungsgerät und während er wartete, wurde er freigelassen, um zu sterben, und das steht in dem offiziellen Bericht, den ich beifüge. Es ist eines der schrecklichen und tragischen Schicksale, die in letzter Zeit in Serbien passiert sind.

Der offizielle medizinische Bericht (FOTO: zVg.)

Gibt es Möglichkeit für eine Anklage gegen den Staat wegen des Todes Ihres Vaters?
Ich habe mich bisher nicht damit befasst. Ich versuche, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die Öffentlichkeit wissen zu lassen, was das wesentliche Problem dieser Gesellschaft und des faulen Systems ist. Viele Anwälte und Rechtsberater haben mich kontaktiert und mir Hilfe angeboten. Es gibt Möglichkeit für eine Anklage, aber unabhängige Mediziner und Anwälte werden daran arbeiten.

Ihr Vater war ein bekannter und anerkannter Künstler. Können Sie uns etwas über ihn sagen?
Mein Vater war ein Mann, dessen Augen in die Zukunft gerichtet waren. So zog er mich auch groß. Und ich werde meinen Sohn auf die gleiche Weise erziehen. Er hatte eine große und reiche Biographie, er war Mitglied der Gesellschaft der Pariser Künstlergruppe La Maison des Artistes. Jedes Jahr verbrachte er drei bis sechs Monate in Paris, wo er sein eigenes Studio hatte und Kunstwerke schuf. Er ist der Initiator des Symposiums für Goldschmiedekunst in Serbien „Majdan Art“ und war mehr als 30 Jahre lang der Hauptschmuckdesigner in Schmuckgeschäft „Majdanpek“ mit über 200 entworfenen Kollektionen.

Präsident Vučić hat Sie in seiner Ansprache an die Nation ins Visier genommen. Er betonte, dass sie ein „ungezogener Junge“ sind und spielte darauf an, dass man Ihnen nicht glauben sollte…
Präsident Vučić und Gesundheitsminister Zlatibor Lončar waren nicht gut informiert. Es ist bedauerlich, dass ein Mann, der sich in einer solchen Position befindet, so etwas über einen normalen Bürger sagt, der nach Wahrheit und Gerechtigkeit sucht, dessen Vater gestorben ist und der nur nach einer menschlichen Erklärung und Entschuldigung sucht. Seine Worte, dass ich notorisch lüge, sind demütigend. Und es gibt ja auch ein Papier, das meine Worte bestätigt. Der Präsident sagte auch, dass ich in Vergangenheit strafrechtlich verfolgt wurde, was der Wahrheit nicht entspricht. Ich bin in meinem Leben noch nie strafrechtlich angeklagt und vorbestraft worden. Ich hatte nur Verkehrsverstöße. Seine Worte berühren mich nicht und bei den Menschen, die meine Aufrichtigkeit erkannten, erhöhte das nur meine Glaubwürdigkeit. Regime-Medien haben eine stereotype Art, jemanden zu satanisieren. Ich habe gerade die Wahrheit gesagt. Stellen Sie sich vor, auf welcher Ebene sie sich befinden, wenn sie die Wahrheit als Bedrohung wahrnehmen und die Regierung um jeden Preis verteidigen.

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Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.