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VORSICHT

Depression – die Krankheit des modernen Menschen

Depression
Depression (FOTO: iStock)

Traurigkeit und Unzufriedenheit müssen nicht automatisch mit dem klinischen Bild der Depression verbunden sein, aber für Laien ist nicht leicht zu unterscheiden, was eine normale emotionale Reaktion ist und was Anzeichen einer Erkrankung sind.

Die Depression ist eine Krankheit mit vielen Gesichtern und sie ist oft nicht leicht zu erkennen. Das Wort selber wird in den Medien und im Alltag häufig verwendet – manchmal zu Recht, manchmal auch zu Unrecht. Daher wird oft auch etwas als Depression bezeichnet, was nicht dem klinischen Bild entspricht, sondern nur eine Form der Missgestimmtheit oder Unzufriedenheit darstellt. Über die Depression spricht KOSMO mit Dr. Vid Velikić, Assistenzarzt an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (AKH).

„Die Grenze zwischen ‚normaler‘ Missstimmung und Depression ist oft dünn und unklar. Wir alle sind manchmal schlecht gelaunt, was nicht bedeutet, dass wir depressiv sind. Die Missstimmung dauert kürzer an, ihre Gründe sind leichter zu identifizieren und sie ist auch leichter zu beheben. Eine Depression auf der anderen Seite ist eine ernsthafte Erkrankung, die man rechtszeitig erkennen und unbedingt behandeln lassen sollte. Die häufigsten Gründe für eine Depression sind der Verlust des Arbeitsplatzes und finanzielle Unsicherheit, während es bei jungen Leuten auch Abbrüche von Liebesbeziehungen oder schulischer Misserfolg sein können. Die genannten Gründe lassen sich beheben oder zumindest lassen sich ihre Folgen mildern.

Leider gibt es aber auch Gründe, auf die man objektiv keinen Einfluss hat, wie der physische Verlust einer geliebten Person, der Tod eines nahen Verwandten, der Mutter, des Vaters oder eines Kindes. Es gibt Momente, in denen der Patient nicht weiß, wie es weitergehen soll, und in denen er keinen Ausweg und keinen Sinn mehr sieht. In diesen Fällen ist es besonders wichtig zu erkennen, um welchen Zustand es sich genau handelt, und dem Patienten zu helfen, ein realistisches Bild zu gewinnen“, sagt Dr. Velikić und fügt hinzu, dass wie auch bei anderen Erkrankungen die Genetik bei der Depression eine Rolle spielt.

Es gibt Momente, in denen der Patient nicht weiß, wie es weitergehen soll, und keinen Ausweg und keinen Sinne sieht. Dann benötigt er Hilfe.

Das Risiko, einmal im Leben an einer Depression, einer der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen, zu leiden, beträgt 13 – 20 %, wobei die Gefahr bei Frauen doppelt so hoch ist wie bei Männern. „Bei Frauen kann sich eine Depression aus dem prämenstruellen Syndrom, nach einer Geburt (postpartale Depression) oder beim Eintritt der Menopause entwickeln, wo die Hormone eine entscheidende Rolle spielen. Auf der anderen Seite sind Frauen mit Doppel- oder Dreifachbelastung (Arbeit, kleine Kinder, Haushalt usw.) größerem Stress ausgesetzt und haben daher ein erhöhtes Risiko der Entwicklung einer Depression. Frauen sind auch häufiger Opfer von Gewalt und traumatische Erfahrungen erleichtern die Entstehung psychischer Erkrankungen wie der Depression. Im Versuch, die Depression zu überwinden, greifen Männer häufiger zu Alkohol und Drogen, während Frauen mehr zu Beruhigungsmedikamenten (Benzodiazepinen) neigen. Im Unterschied zu Frauen können depressive Männer reizbar und aggressiv werden. Obwohl man nicht verallgemeinern sollte, sprechen sie aus Rücksicht auf die Reaktion ihrer Umwelt in der Regel weniger gerne über psychische Probleme“, betont der Arzt mit der Bemerkung, dass dies besonders auf Männer vom Balkan zutrifft, dass aber in der letzten Zeit trotz allem immer mehr Männer die fachkundige Hilfe eines Psychiaters in Anspruch nehmen.

Dr. Vid Velikić
Dr. Vid Velikić: „Männer nehmen sich häufiger das Leben als Frauen.“ (FOTO: Igor Ripak)

Symptome und Ursachen der Depression

Um über eine depressive Episode zu sprechen, müssen die Beschwerden mindestens zwei Wochen lang anhalten.
„Die wichtigsten Symptome der Krankheit sind depressive Stimmung und der Verlust des Interesses an Aktivitäten, die bisher wichtig waren, sowie die Unfähigkeit, Dinge zu genießen (Anhedonie). Neben diesen Hauptsymptomen gibt es weitere wie einen Verlust an Energie und Appetit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Hilflosigkeit, Schuldgefühle und Selbstmordgedanken. Die Zahl dieser zusätzlichen Symptome bestimmt den Grad der depressiven Episode und so unterscheiden wir:
• eine leichte Depression (ein oder zwei Hauptsymptome mit ein oder zwei Begleitsymptomen)
• eine mittelschwere Depression (zwei Hauptsymptome und drei – vier Begleitsymptome)
• eine schwere Depression (zwei Hauptsymptome und alle Begleitsymptome oder starke Suizidgedanken)“, erklärt Dr. Vid Velikić.

Über die Ursachen der Entstehung einer Depression sagt unser Gesprächspartner:
„Eine Depression ist eine Folge verschiedener Störungen in unserem Gehirn, aber auch im gesamten Organismus. Häufig beobachtet man bei depressiven Zuständen auch verschiedene andere nicht-psychiatrische Primärerkrankungen wie endokrinologische Krankheiten (Hypothyreose), die fast immer mit einer Depression einhergeht.

1224 Suizide gab es 2017 in Österreich.

Die Behandlung der Depression

In den meisten Fällen können Depressionen erfolgreich behandelt werden. Natürlich ist die fachkundige Hilfe eines Psychiaters nötig, aber Patienten sollten das nicht als Schande betrachten, so wie diese Art der Erkrankung oft gesehen wird.
„Die häufigste Behandlungsmethode bei der Depression sind Medikamente und/oder eine Psychotherapie (obwohl es auch zahlreiche alternative Methoden gibt). Heute werden mehrere Arten von Medikamenten zur Heilung eingesetzt, auf die viele Patienten sehr gut reagieren, während anderen eine Gruppen- und Einzelpsychotherapie eher entspricht. Diese beiden Arten der Behandlung werden oft auch kombiniert. Bei einer leichten Depression sind eine Psychotherapie oder Psychopharmaka gleichermaßen hilfreich. Bei mittleren und schwereren Depressionen ist eine medikamentöse Therapie jedoch sehr wichtig, um möglichst schnell einen positiven Effekt zu erzielen. Während bei mittelschweren Depressionen auch eine Psychotherapie empfohlen wird, wird bei schweren Depressionen zuerst mittels Medikamenten eine Besserung herbeigeführt, damit der Patient überhaupt im Stande ist, zu einer Psychotherapie zu gehen. Ich betone, dass eine Psychotherapie vor allem bei Personen wirksam ist, die unter chronischen Depressionen leiden, was bei etwa einem Viertel der Erkrankten der Fall ist, während drei Viertel der Patienten einen episodischen Krankheitsverlauf zeigen“, unterstreicht der Arzt.

Selbstmorde

Die Depression ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Selbstmorde und Männer nehmen sich häufiger das Leben als Frauen. In Österreich gab es 2017 1224 Suizide (260 Frauen und 964 Männer). Dennoch ist die Selbstmordrate in Österreich heute nur halb so hoch wie in den achtziger Jahren. So betrug die Selbstmordrate in Österreich 1985 28 auf 100.000 Einwohner, während es 2017 nur 13,9 Selbsttötungen auf 100.000 Einwohner gab.