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REPORTAGE

Die Geheimnisse der Wiener Bordelle

FOTO: Erich Reismann

EXKLUSIV. Unsere Reporter sind in die Wiener Rotlicht-Szene abgetaucht. Der bekannte Wiener Zuhälter Peter Laskaris hat uns Gespräche mit Prostituierten, Bordellbesitzern und Kultfiguren des Rotlicht-Milieus ermöglicht.

9.000 Frauen leben in Wien von der Prostitution.

3.000 Frauen sind in den 90-er Jahren in Wien der Prostitution nachgegangen.

Bis zu 5.000 € beträgt der Lohn einer durchschnittlichen Prostituierten in Wien.

Auf die Frage, was sie später einmal werden wollen, antworten viele Burschen heute wie seit eh und je, dass sie Fußballchampion, Superheld, Musikstar oder furchtloser Feuerwehrmann werden wollen. Aber bei Peter Laskaris (46), der aus einer wohlhabenden Wiener Familie stammt und der heute als einer der einflussreichsten Zuhälter der Wiener Rotlicht-Szene gilt, war das anders.

„Als ich ein Teenager war, richtete unsere Nachbarin Madame Nina im Nebenhaus ein Bordell ein und ich half an den schulfreien Tagen beim Zuschneiden der Ziegel, um mir etwas für die Ferien dazuzuverdienen. So bin ich eigentlich das erste Mal in dieses Business hineingeraten“, erinnert sich Laskaris, während er im Bordell Maxim im Herzen Wiens von halbnackten jungen Damen der Nacht und dunkelroten Lichtern umgeben ist und entspannt eine Melange trinkt.

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Prostitution ist wohl eines der größten Tabuthemen unserer Gesellschaft – vor allem, wenn Männer dieser nachgehen. Auf meiner Suche nach einem Interviewpartner aus dieser Szene traf ich zufällig in einem Schwulen-Café auf Dragan S.*, welcher mich an seiner Geschichte teilhaben ließ. (*Name von der Redaktion geändert)

 

 

Charlie Sheen im Wiener Bordell
Was für manche Männer ein aufregender Ausflug ist, ist für Laskaris Arbeitsalltag, und die „Madame Nina“, von der er erzählt, ist Nina Janoušek (69), heute eine Kultfigur der Wiener Rotlicht-Szene. In ihrem berühmten Bordell „Ninas Bar“ mitten in Wien begann nicht nur die Karriere des jungen Laskaris, sondern dort traf sich auch die Wiener und die internationale Elite, wenn sie sich ihre sexuellen Phantasien erfüllen wollte. Einer ihrer bekanntesten Gäste war der amerikanische Schauspieler Charlie Sheen, der während der Dreharbeiten zu den Wiener Szenen der „Drei Musketiere“ 1992 fast täglich Ninas Mädchen besuchte. „Er fragte an der Rezeption des Hotels Sacher, wohin man so gehen könnte, und sie empfahlen meine Bar. Jeden Tag bestellte er den teuersten Champagner für 6.000 Schilling (ca. 440 Euro). Die Liebesdienerinnen wetteiferten um ihn, aber ihm hatte es eine Manuela aus Niederösterreich angetan, mit der er die meiste Zeit verbrachte. Nur wenn sie nicht da war, nahm er auch ein anderes Mädchen“, erklärte Nina kürzlich bei der Präsentation ihres Buches „Madame Nina weiß alles. Die Memoiren einer Wiener Nachtclub-Königin“.

PUFF DADDY:
Peter Laskaris hat fast sein ganzes Leben im Rotlichtmilieu verbracht. Heute gilt er als Sprecher der Szene. (FOTO: Igor Ripak)

Sheen beschreibt sie darin als Kavalier der alten Schule, der sich den Mädchen gegenüber nicht nur gut benahm, sondern auch Hunderttausende Schilling in ihrer Bar ließ. „Manuela sagte mir, dass er Slips der Marke Calvin Klein trug, dass sich darunter aber ein Calvin Groß verbarg“, verriet Nina in einem der letzten Interviews mit österreichischen Medien. Ein Stammgast war auch der Sänger Falco, mit dem Nina eine freundschaftliche Beziehung voller Höhen und Tiefen verband. „Meine Bar war sein zweites Wohnzimmer, aber den Mädchen gegenüber war er bisweilen sehr arrogant, und einmal überschritt er alle Grenzen, als er von unserer Bühne ins Lokal pinkelte. Damals habe ich ihm für sechs Monate Lokalverbot erteilt, aber anschließend haben wir uns wieder versöhnt“, erinnert sich Nina. Obwohl auch wir einen Termin mit der „Königin der Nacht“ oder der „letzten echten europäischen Puffmutter“, wie sie in der Szene genannt wird, vereinbart hatten, musste sie leider unmittelbar vor dem Interview ins Krankenhaus. „Ich kann nicht kommen, ich kann nicht sprechen, ich kann kaum atmen… Heute Nacht bin ich wieder fast gestorben“, so hörte man es in dem typischen, sympathischen Wiener Dialekt, gemischt mit einem kroatischen Akzent, kaum verständlich durch den Telefonhörer

„Die goldenen Neunziger“
In ihrem Buch schreibt Nina, die sich immer mit vielen Dukaten um den Hals und großen Chanel-Ohrringen schmückt, oft nostalgisch über die „goldenen Neunziger“. Und das ist ein Begriff, den wir in allen Gesprächen mit den Wiener Zuhältern, mit denen wir gesprochen haben, häufiger gehört haben. „Damals gab es nicht diese Dumping-Preise und damals haben alle ausgezeichnet verdient, von den Mädchen über die Putzfrauen, Kellnerinnen bis zu den Inhabern der Bordelle“, erinnert sich Laskaris, der in diesen „goldenen Tagen“ die rechte Hand von Harald Hauke war, der unter seinem Spitznamen „Gürtelkönig“ bekannter war.

Nachdem er die Schule von Madame Nina und dem „Gürtelkönig“ durchlaufen hatte, kaufte Laskaris 1998 die „L‘Amour Bar“ im sechsten Bezirk und führte gleichzeitig eine hochklassige Escort-Agentur, von der später bekannt wurde, dass dort selbst das Büro des österreichischen Parlamentspräsidenten Mädchen buchte. Aber seine Agentur erregte auch die Aufmerksamkeit der Polizei. „Als ich für zwei Wochen im Urlaub war, setzte mein Partner ohne böse Absicht, sondern aus Dummheit, zwei minderjährige Mädchen auf unsere Seite“, sagt Laskaris, der damals zum ersten Mal verhaftet wurde. Auf die Frage, ob er Dreck am Stecken habe, antwortet mir Laskaris: „Naja, wer hat das nicht? Auch ich habe bisweilen am Sonntag eine Tageszeitung aus dem Beutel genommen, ohne zu bezahlen.“ Die „goldenen Tage“ des Gürtelkönigs, Laskaris‘ und ihrer Gesellschaft endeten definitiv, als es zu zahlreichen Verhaftungen kam, darunter auch zu ihrer eigenen.

Laskaris hatte eine Escort-Agentur,
deren Dienste auch österreichische Parlamentarier in Anspruch nahmen.

„Auch Robbie Williams hat die Dienste meiner Mädchen in Anspruch genommen“, betont der Wiener Zuhälter stolz. (FOTO: Igor Ripak)

In der Rückschau, sagt er, war der Hauptgrund für den Zerfall des Gürtelsystems die Security-Firma Nokia-Club, die sich in „Notfällen“ um die Sicherheit der Clubs und der Prostituierten kümmerte, die allerdings auch begann, diese „Notfälle“ selber hervorzurufen. „Sie wollten den Gürtel von uns übernehmen, das war ein schmutziges Spiel“, fügt er hinzu. Ein anderer Grund war die Polizeireform, deren Ziel es seiner Meinung nach unter anderem war, das Prostitutionsmilieu in den Bordellen an einer der wichtigsten Wiener Verkehrsadern aufzulösen. Harald Hauke wurde damals unter der Anschuldigung verhaftet, er habe zwei Prostituierte „zum Analsex gezwungen“, was er bis heute bestreitet. Nachdem er drei Jahre im Gefängnis abgesessen hatte, kehrte Hauke zurück und begann, mit den korrupten Polizisten abzurechnen. Damals erschienen kompromittierende Bilder und Videoaufzeichnungen, aufgrund derer eine große Zahl von Polizisten suspendiert wurde, die in die Geschäfte der Rotlicht-Szene verstrickt gewesen waren.

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