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INTERVIEW

DJane Countessa: „Ich will auf die Ottakringer Straße!“

FOTO: Olga Daneliuk

Im Wiener Nachtleben ist die gebürtige Kroatin Petra Grošinić (30), besser bekannt als DJ Countessa, kein unbekanntes Gesicht. Markante Frisur, lässige und zugleich elegante Klamotten sowie eine kredibile Street-Hip-Hop-Attitüde sind aber nicht die einzigen Kennzeichen der jungen, selbstbewussten Wienerin, die sie zu einem Unikat in der hiesigen Musikszene machen.

Seit 2010 beherrscht Countessa es nämlich, die Partys in den angesagten Wiener Clubs zum Brodeln zum bringen. Das zeigt sicherlich auch die vermehrte Anzahl an Gigs in Innenstadtlokalen wie Le Club, der wöchentliche Resident-Status in Wiens beliebtem Pub Charlie P’s, aber auch die häufigen Gigs in Zürich und seit kürzestem auch Budapest. Auf ihrem Repertoire stehen R’n’B, Hip Hop, Reggaeton, Balkan und Dancehall.

Parallel dazu leistet sie in gewisser Art und Weise Pioniersarbeit: Sie hat es sich mit anderen aktiven Hip-Hop-Frauen im Kollektiv FEMME DMC zur Aufgabe gemacht, die Anzahl der Frauen im Hip Hop zu erhöhen, aber auch die Rolle der selbstbewussten Weiblichkeit in dieser Subkultur zu stärken. Beim DJ-Kollektiv „Brunnhilde“ tut sie das in Form von Workshops mit jungen, musikinteressierten Frauen. Ganz nebenbei, zwischen schlaflosen Nächten, macht sie auch noch ihre Matura nach.

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EHRGEIZ, EHRLICHKEIT UND TALENT: Dabei handelt es sich um eine unschlagbare Kombination! Die 27-jährige Sängerin und Songwriterin, DYKRIS verfügt über all diese Attribute und vieles mehr. Im ABC-Interview mit KOSMO sprach das Stimmwunder aus Bosnien über ihre Definition von guter Musik, schmerzhafte Rückschläge und weshalb sie niemals bei einer Talent-Show ihr Glück versuchte.

 

KOSMO: Fangen wir mit dem Klassiker an: Wie bist du zum DJ-ing gekommen?
DJ Countessa:
Es war Neugier. Ich liebte die Musik, ich liebte das Fortgehen. Ich war eine richtige Partylöwin, aber ich wollte mehr als nur Party. Ich wollte die Leute für Party animieren mit der Musik, die ich auflege. Im Jahr 2010 begann ich dann die ersten Steps im Rahmen eines DJ-Workshops in der Brunnenpassage zu erlernen. Dann ging alles sehr schnell weiter und weiter, bis ich dann irgendwann selbst Workshops für angehende DJanes leitete. Es ist meine große Leidenschaft.

Ging es dann nur nach oben oder gab es auch Rückschläge?
Natürlich gab es Rückschläge. Aber sie haben mich gestärkt. Es gab einen prägenden Moment, als der BOW4-Besitzer zu mir kam und meinte: „Hey, Countessa, ich mag dich total, aber, bitte, komm erst wieder wenn es mit den Übergängen passt“. Es war ein Denkzettel, aber es war ein großer Gefallen im Nachhinein. Denn er hat mich angespornt und ich hab geübt und geübt. Heute ist das alles kein Thema mehr, ich kann in 5 Minuten vier bis fünf Tracks zusammen mixen, so verrückt das klingt.

FOTO: Olga Daneliuk

Es zieht dich immer wieder in Ausland: jetzt wieder nach Budapest und Zürich. Läuft momentan, oder?
Ja, es läuft gut momentan. Und ja, es zieht mich schon manchmal weg aus Wien, auch wenn ich das Nachtleben hier so gut wie nirgendwo anders kenne. Ich bin jetzt vielleicht bald in einem Club in Scheibbs an der Ybbs. Aber in Zürich, wo ich mittlerweile regelmäßig bin, werde ich viel netter als in Wien begrüßt, die Leute erinnern sich an mich auf den Partys, das Hotelpersonal kennt dich. Ich war jetzt wieder privat in Berlin und auch da kann man die Leute auf der Straße etwas fragen und eine nette Antwort erwarten, ohne das sie gleich „Schleich dich“ sagen. Aber ich sag auch zu den Leuten im Ausland: „So sind wir nun mal, wir Wiener, raunzen, graunzen, dies, das…“ (lacht).

Wie ist das Wiener Publikum? 
Es gibt schon sehr coole Partys in Wien und es tut sich auch einiges. Aber was ich generell nicht gut finde in Clubs, ist das ähnliche Schema. Männer sitzen an der Bar, Frauen tanzen. Die Leute sollten sich mehr trauen, man sollte sich nicht immer nur anreizen lassen. Warum kann ein Pärchen nicht mal tanzen? Das ist noch immer in den Köpfen irgendwie.

Du wirkst in den Kollektiven FEMME DMC und im DJane Kollektiv Brunnhilde in der Brunnenpassage. Beide haben es sich zum Ziel gemacht, die Position der Frau im Hip-Hop und DJ-ing zu stärken. Was tust du konkret dort?
FEMME DMC ist ein Label mit einer Veranstaltung jeden zweiten Monat im Fluc. Wir wollen die Stagnation in der männerdominierten HipHop-Szene aufbrechen, um ein Gleichgewicht herzustellen und ein Zeichen für die Stärke von Vielfältigkeit zu setzen. Wir haben mit unseren Mädels alle Elemente des Hip Hops (DJ-ing, MC-ing, Breakdance, Graffiti) abgedeckt, aber auch die visuelle Gestaltung spielt eine große Rolle. Dort arbeiten wir regelmäßig an den Veranstaltungskonzepten, laden internationale Künstler ein, um Austausch zu schaffen. Bei Brunnhilde machen wir als DJ-Kollektiv regelmäßig Auftritte. Ich leite mit Kamila Pawlowska die DJane-Klasse. Wir stärken uns alle gegenseitig und versuchen etwas aufzubauen, damit die junge Generation noch stärker nachkommt.

Wie stehen deine Eltern zu deiner Karriere?
Da habe ich Glück. Meine Eltern supporten mich von Tag Eins. In gewisser Weise bin ich schon ein bisschen das schwarze Schaf der Familie, weil ich etwas anderes mache, Tattoos habe, aber meine Familie nimmt mich so, wie ich bin. Sie kamen sogar zu meinem ersten Gig. „Schau, Countessa, deine Eltern sind da. Voll cool“, meinten die Leute dann zu mir. Dafür bin ich Ihnen für immer dankbar.

FOTO: Igor Ripak.

Kann man von der Musik leben?
Vom DJ-ing in Wien ist es schwer, vor allem, wenn die Fixkosten hoch sind. Deswegen mache ich auch die Matura nach, um später eines Tages das Frisör-Geschäft meiner Mutter komplett zu übernehmen, wenn sie in Ruhestand geht. Ich arbeite schon dort, denn mit der Musik geht es sich leider nicht immer aus.

Also glaubst du nicht, dass du mit 50 als DJane noch die Party rockst?
Ach, ich glaube dann wird das schon eher seltener werden. Man muss realistisch bleiben.

Träumen darf man. Oder?
Sicher, auch ich träume vom eigenen Club. Das wäre schon ein großer Traum.

Gibt es auch ungute Erlebnisse beim DJ-ing?
Einmal gab es eine Party in der Innenstadt, die von der Polizei komplett abgedreht wurde. Es war erst 1 Uhr in der Früh und die Leute waren sauer, weil sie Eintritt bezahlt haben. Dann hat mir jemand mal sein ganzes Getränk über den Controller geschüttet. Später wollte keiner dafür haften. Da war die Nacht für mich gelaufen.

Wieso sieht man dich nicht auf der Ottakringer Straße?
Vielleicht liegt es daran, dass ich sehr wenig in der Ex-Yu-Szene in Wien verkehre. Generell schaue ich nicht auf die Herkunft. Der Mensch ist das, was zählt. Aber Ottakringer Straße, das würde mich schon reizen, weil eine ganze Nacht Balkanmusik kann ich schon bieten. Momentan lebe ich meine Balkanseite vor allem bei den Queer-Events Ballcancan aus.