Am zweiten Tag nach dem erheblichen Verlust von elf Prozentpunkten in der Nationalratswahl traf sich die ÖVP am Dienstag, um das Wahlergebnis zu diskutieren. Parteichef Karl Nehammer stellte im Vorstand die Vertrauensfrage.
Nehammer legte den Ball für die weitere Vorgehensweise in die Hände von Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Aus meiner Sicht ist es gute Tradition, dass der Wahlsieger den Sondierungsauftrag erhält.“ Konkret bedeutet das, dass Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragen soll. Insiderinformationen zufolge plant das Staatsoberhaupt jedoch eine offene Sondierungsphase und lässt sich nicht drängen.
Sondierungsgespräche
Für die Sondierungsgespräche seitens der ÖVP wird Nehammer das Verhandlungsteam anführen. Mit dabei sind Claudia Plakolm, Karoline Edtstadler, Christian Stocker, August Wöginger und Harald Mahrer. Die Strategie scheint darauf abzuzielen, Zeit zu gewinnen und Kickl unter Zugzwang zu setzen, damit vor der Landtagswahl in der Steiermark am 24. November keine „Verlierer-Koalition“ gebildet wird.
FPÖ verhandelt nach Wahlerfolg
Am heutigen Mittwoch treffen sich auch die Gremien der FPÖ. Themen des Treffens sind die Besetzung des Verhandlungsteams und der Posten des Nationalratspräsidenten. Nach dem Wahlsieg am Sonntag gönnte sich die FPÖ zwei Tage Auszeit, um heute um 15 Uhr wieder aktiv zu werden. Der Bundesparteivorstand trifft sich im FPÖ-Parlamentsklub in der Wiener City. Diskutiert wird, wer die Verhandlungen führen darf. Herbert Kickl ist bereits als Spitzenverhandler festgelegt. Favoriten für das Verhandlungsteam sind Susanne Fürst und Dagmar Belakowitsch, beide enge Vertraute von Kickl, sowie der ehemalige ÖBB-Manager Arnold Schiefer und FPÖ-Klubdirektor Norbert Nemeth, die beide in den Nationalrat einziehen werden.
Besonderes Augenmerk liegt auf der prestigeträchtigen Rolle des Nationalratspräsidenten, die gemäß Tradition an die FPÖ gehen soll. Der wahrscheinlichste Kandidat dafür ist Norbert Hofer, bisher Dritter Nationalratspräsident. Hofer gilt als mehrheitsfähig und damit wählbar.
Unterstützung von ÖVP und SPÖ
ÖVP-Chef Karl Nehammer unterstützt ebenfalls die Ernennung eines FPÖ-Kandidaten: „Klar ist, dass die stimmenstärkste Partei den Nationalratspräsidenten stellen soll.“ Unterstützung erhält diese Position auch von SPÖ-Nationalratspräsidentin Doris Bures, die sich für die Einhaltung der Verfassung, der Geschäftsordnung und der ungeschriebenen Gesetze des österreichischen Parlamentarismus ausspricht.
Zudem wird Hofer als Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Burgenland im Januar 2025 gehandelt. Schon bei der Nationalratswahl konnte er dort beachtliche Erfolge erzielen und könnte die absolute Mehrheit von Hans Peter Doskozil gefährden. Die Landes-FPÖ hält diese Woche in Eisenstadt einen Vorstand ab, um diese Fragen zu klären.
Auf dem Spiel steht außerdem der Posten des blauen Volksanwalts: Der bisherige Amtsinhaber Walter Rosenkranz kehrt ins Parlament zurück und könnte bei einer FPÖ-Regierungsbeteiligung eventuell die Rolle des Klubchefs übernehmen. Als mögliche Nachfolgerin ist Dagmar Belakowitsch im Gespräch.
Folge uns auf Social Media!