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REPORTAGE

Frauen für Frauen gegen Gewalt

Nada Golubović,
Stiftung Frauenvereinigung Banja Luka

Nada ist eine der Gründerinnen der Stiftung Frauenvereinigung Banja Luka, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert. Heute ist sie Vorsitzende des Verwaltungsrats der Stiftung, in deren Rahmen auch ein Frauenhaus betrieben wird.

KOSMO: Seit wann besteht das Frauenhaus in Banja Luka, wie viele Frauen und Kinder kann es aufnehmen und wer finanziert es?
Nada Golubović: Das Frauenhaus in Banja Luka, das 25 Plätze bietet, wurde 2006 gegründet, das SOS-Telefon gibt es bereits seit 1997. Zu Beginn hat uns die Stadt Banja Luka finanziert, dann haben das die Entität der Republika Srpska zu 70 % und die lokalen Gemeinschaften zu 30 % übernommen. Leider geben seit 2013 wegen mangelnden Budgets nur noch wenige lokale Gemeinschaften Geld dazu und schicken darum oft auch ihre Gewaltopfer nicht in die Frauenhäuser.

Wie ist die Versorgung von Gewaltopfern in B-H geregelt?
Da B-H ein komplexer Staat ist, ist auch die Finanzierung nicht überall gleich geregelt. In der Föderation von B-H ist durch das Gesetz über den Schutz vor familiärer Gewalt festgeschrieben, dass die Finanzierung zu 60 % durch die Entität und zu 40 % durch die Kantone erfolgt. Im Budget sind keine Mittel vorgesehen, sodass die Frauenhäuser Probleme mit der Finanzierung haben. In den Kantonen, in denen Frauenhäuser bestehen, übernehmen das die NGOs, die sie betreiben, indem sie mit den lokalen Gemeinschaften Vereinbarungen und Protokolle abschließen und so das Finanzierungsproblem lösen. Es gibt auch noch eine gesetzgebende Kommission im Brčko-Distrikt, wo Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, in Frauenhäuser in der Föderation von B-H oder in der Republika Srpska geschickt werden.

Wie weit wird die Istanbul-Konvention umgesetzt und welches sind die neuralgischen Punkte mit Bezug auf das Gesetz?
B-H ist das sechste Land, das die Konvention des Europarats über die Prävention und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und der Gewalt in der Familie ratifiziert hat. Wir haben gemeinsam mit Serbien, Montenegro, Slowenien, Kroatien und Mazedonien in regionaler Kooperation eine Kampagne für die Ratifikation der Istanbul-Konvention auf die Beine gestellt. In B-H hatten wir starke Unterstützung von den Frauen in der Parlamentarischen Versammlung von Bosnien und Herzegowina, die mit uns für die Ratifizierung lobbyiert haben. Damals war Ismeta Dervoz Abgeordnete in der Parlamentarischen Versammlung und sie war unsere wichtigste Kooperationspartnerin. Sofort nach der Ratifizierung haben wir begonnen dafür zu kämpfen, dass die Gesetze an die Istanbuler Konvention angepasst werden.

Vier von zehn Frauen in B-H gaben an, dass sie nach ihrem 15. Lebensjahr psychische, physische oder sexuelle Gewalt erlebt haben.

Wie sieht die Statistik zur Gewalt in der Familie aus?
Eine offizielle Statistik für den ganzen Staat gibt es nicht. Die Ergebnisse für Bosnien und Herzegowina, die die OSZE aufgrund einer Stichprobe von 2321 Frauen im Alter zwischen 17 und 24 Jahren ermittelt hat, zeigt, dass drei von fünf Frauen der Meinung sind, dass Gewalt gegen Frauen in ihren Gemeinschaften normal ist. Vier von zehn Frauen in B-H haben auch angegeben, nach ihrem 15. Lebensjahr selbst schon psychische, physische oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner oder andere Personen erlebt zu haben. Fast die Hälfte der befragten Frauen ist der Meinung, dass Gewalt in der Familie Privatsache ist und über 40 % wissen nicht, wie sie reagieren können, wenn sie Gewalt erleiden. Leider zeigen die meisten Frauen Gewalt, wenn sie sie betrifft, nicht an. Als Gründe dafür nennen sie Scham, materielle Abhängigkeit/Probleme, mangelnde Informationen, Misstrauen in die Institutionen und letztendlich auch Angst.

Kommt es auch zu Morden an Frauen durch ihre Partner?
Frauen, die von aktuellen oder ehemaligen Partnern getötet werden, sind Opfer von Femiziden, durch das Geschlecht begründeter Morde, die durch ein Gefühl der Macht über die Frauen motiviert sind und bei denen der Täter meint, über das Leben der Frau verfügen zu können und sie daher mit Recht zu töten. Diese Tat ist in der Rechtsprechung von B-H nicht anerkannt, daher können wir statistische Daten nur aus der Presse beziehen. 2019 wurden 12 derartige Morde verzeichnet, die Stiftung Frauenvereinigung hat 2020 sieben derartige Morde beobachtet und in diesem Jahr wissen wir bisher von 7 Morden, wobei aber diese Daten nicht gesichert sind.

„Frauenrechte sind in B-H ein Randgebiet, denn für die Politiker sind sie kein wichtiges Thema.”

Nada Golubović

Sind Sie und Ihre Mitarbeiterinnen aufgrund Ihrer Tätigkeit Anfeindungen ausgesetzt?
Verteidigerinnen von Menschenrechten für Frauen haben aufgrund der sehr widersprüchlichen politischen Optionen Probleme. Die Probleme, die wir haben, sind unterschiedlich. Wenn wir an Versöhnungsinitiativen arbeiten, wird das von den politischen Eliten nicht anerkannt. Seit dem Ende des Krieges in B-H ist das Thema der Versöhnung im Fokus der Friedenssicherer und Friedenssicherinnen. Wenn wir uns für die Wahrung der Rechte der Frauen einsetzen, die im Krieg Opfer von Vergewaltigungen geworden sind, erfahren wir bei Opfern unterschiedlicher Nationalität unterschiedliche Reaktionen. Frauen, die Opfer von Kriegsvergewaltigungen geworden sind, werden in den verschiedenen Teilen des Staates unterschiedlich behandelt, denn die Gesetze stimmen nicht überein. Frauenrechte sind in den Gesellschaften von B-H ein Randgebiet, für die Politiker sind sie kein wichtiges Thema.

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.