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LGBT

„Ima izać‘“: Die erste Pride Parade in Bosnien-Herzegowina!

PRIDE
FOTO: Mediha Adrović

PARADE. Seit dem Tag, an dem sie angekündigt wurde, hat die erste Pride Parade in Bosnien-Herzegowina geteilte, aber auch sehr heftige homophobe Reaktionen hervorgerufen. Obwohl die Sarajevo Pride die letzte erste Pride Parade in dieser Region und in Europa war, ist sie ohne einen einzigen Zwischenfall verlaufen.

Wenn wir an unsere Nachbarn in Belgrad, Zagreb und Split denken, wo die Pride Paraden von Gewalt, Vandalismus und Lynchversuchen gegen die Organisatoren und Teilnehmer der Pride begleitet waren, muss man diese bosnisch-herzegowinische Parade als Erfolg sehen. Denn die Pride Paraden gehören zu den wenigen Ereignissen im Jahr, bei denen LGBTQ-Personen nicht unsichtbar, isoliert und unerkannt bleiben.

Erinnern wir uns: Zu den ersten Ländern des ehemaligen Jugoslawien, die eine Pride organisiert haben, gehörten Slowenien und Serbien (2001), gefolgt von Kroatien (2002), Montenegro, Albanien (2013) und Kosovo (2017), während Nordmazedonien die erste Pride im Juni dieses Jahres feierte.

Verurteilungen und geteilte Reaktionen

Aber beginnen wir der Reihe nach. Am Tag davor, vor der ersten bosnisch-herzegowinischen Parade des Stolzes wurde von der Bürgervereinigung „Svjetlo“ der sogenannte Tag der traditionellen Familie organisiert. In einem ruhigen Marsch zogen mehrere hundert Menschen zum Zeichen des Protests gegen die Pride Parade in Sarajevo an der ewigen Flamme vorbei und bogen dann zum Trg BiH ab. Transparente wie „Man weiß, was Schloss und was Schlüssel ist“, „Ohne Kinder – ohne Hände“, „Warum wird der Mehrheitswillen nicht respektiert“ waren nur einige der Parolen, die von den Teilnehmern getragen wurden.

Ahmed Kulanić, Sprecher der Veranstaltung, betonte, dass man mit dieser Veranstaltung eine würdige Botschaft senden wollte, dass man der Familie in unserer Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit widmen müsse.

„Die einzig richtige Ehe ist die zwischen Mann und Frau“, meint man bei „Svjetlo“. (FOTO: Mediha Adrović )

„Diese Gesellschaft muss die Familie und ihre Werte absolut respektieren. Die einzige richtige Ehe ist die zwischen Mann und Frau“, betont Kulanić. Auch die Vereinigung „Junge Muslime“ reagierte und nannte die erste Pride Parade in B-H eine „Parade der Schande“. „Wir fordern die Veranstalter der Parade und ihre Unterstützer auf, aufzuhören, Behauptungen über die Bedrohung sogenannter LGBT-Personen in unserer Gesellschaft zu verbreiten. Wir erkennen die Notwendigkeit an, die Menschenrechte zu schützen, aber wir weisen darauf hin, dass uns nicht bekannt ist, dass es in unserer Gesellschaft Fälle gegeben hätte, in denen einer dieser Personen (Angehörige der LGBT-Gemeinschaft) Rechte  mit Bezug auf medizinische und gesundheitliche Hilfe, Bildung, Beschäftigung und Ähnliches verweigert worden wären, und dass sie vor dem Gesetz dieselben Rechte genießen wie auch alle anderen Bürger“, betonte man in der Gemeinschaft „Junge Muslime“.

Unmittelbar vor der ersten bosnisch-herzegowinischen Pride Parade wurde eine Gegenverantaltung der Initiative „Fortschritt“ abgehalten, die von sich behauptet, eine Bastion traditioneller islamischer Werte zu sein.

Eine GEGENVERANSTALTUNG fand am Tag vor der Pride Parade in Bosnien-Herzegowina statt.

Muhamed Kabahija von dieser Initiative sagte, dass die LGBTQ-Versammlung eine Gewaltausübung einer Minderheit gegenüber einer Mehrheit sei.

„Es handelt sich um eine große Sünde, die in unserer Stadt begangen wird; es handelt sich um Terror einer Minderheit gegenüber der Mehrheit. Heute früh, als ich hierher kam, war die halbe Stadt blockiert. Warum? Warum dulden die Bürger das? Als ob Trump und Putin gemeinsam anreisen würden. Das ist eine Schande“, sagte Kabahija.

Obwohl die Ereignisse rund um die Pride Parade in Sarajevo sowie auch die Gegenveranstaltungen gegen die Parade im Großen und Ganzen ohne Zwischenfälle verlaufen sind und gezeigt haben, dass man in B-H auch sensible Themen mit viel Toleranz und der Bereitschaft zur Anerkennung Anderer diskutieren kann, konnten leider auch diese Ereignisse nicht ohne einen neuen Fall eines Angriffs auf Medienvertreter bleiben.

Während der Gegendemonstration wurde ein Reporter der Fernsehstation N1, der über das Ereignis berichtete, angegriffen. Eine bisher unbekannte Person näherte sich dem Reporter und gab an, mit seiner Berichterstattung unzufrieden zu sein, bevor sie ihn körperlich angriff. Dank des schnellen Einschreitens der Polizei konnte die Situation bald wieder beruhigt werden.

Regenbogenflaggen wehten in Sarajevo und der Umzug durch die Stadt verlief ohne Zwischenfälle. (FOTO: Mediha Adrović )

Die erste bosnisch-herzegowinische Pride Parade wurde auch von einem großen Aufgebot an Sicherheitskräften begleitet. Mehr als eintausend Polizisten und zusätzliche Sicherheitsdienste sicherten die Route von der Ewigen Flamme zu den Gebäuden der Regierungsorganisationen von B-H, wo die Parade endete.

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