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Ja, ich bin eine Balkan-Frau, Ende Zwanzig und noch Single – na und?!

FOTO: iStock

Alena Lagavska spricht in ihrem Blog KLARTEXT über all die Dinge, die man sich nie in der Balkan-Community – und darüber hinaus – zu sagen traut.

Mit 28 sollte ich als Frau nach Balkan-Vorschrift eigentlich schon verheiratet sein, und der sinkenden Geburtenrate mit mindestens ein bis zwei Kindern entgegen wirken. Trotz westlichem Umfeld und vermeintlich modernen Sichtweisen hält sich diese altertümliche Vorstellung in unserer Community hartnäckig. An diesem Punkt im Jugo-Handbuch wird nicht gerüttelt: Eine Frau hat bis zu ihrem 30. Lebensjahr verheiratet zu sein!

Ist eine Balkanesin bis Mitte Zwanzig nicht mindestens in einer vielversprechenden Beziehung und der fette Klunker in Sicht, gilt sie in alteingesessenen Balkan-Kreisen als minderwertig, und stellt automatisch ein mysteriöses Rätsel dar. Wie der Urmensch, der zum ersten Mal Feuer erblickt, so betrachtet der 0815-Jugo eine unverheiratete Frau, die auf die 30 zugeht, oder diese gefürchtete Altersmarke gar knackt. Jugos verlassen ihre Komfortzone bekanntlich nur sehr ungern, umso mehr verabscheuen sie Menschen, die ihr Schachteldenken aufbrechen wollen. Daher betrachten sie besagte Frauen als besonderen Gefahrenherd und schlechtes Vorbild für ihre Töchter.

Über ihren Köpfen schwebt sie dann, in Blockbuchstaben und kursiv, die unausweichliche Frage: „Was stimmt denn mit ihr nicht? So hässlich ist sie doch gar nicht!?“ Als wäre die einzige Voraussetzung, um zu heiraten, dass man halbwegs vorzeigbar ist! Wenn ich mir aber so manche Ehen ansehe, scheint das Aussehen tatsächlich das einzige Auswahlkriterium gewesen zu sein.

Wenn wir schon bei der Auswahl sind…


Mir scheint, dass das Anforderungsprofil der Jugos in puncto Heiratsmaterial recht bescheiden ausfällt. Ein, meiner Meinung nach, fataler Fehler in Anbetracht der Tatsache, dass man mit dieser Person den Rest seines Lebens verbringen sollte. Manchen gelingt es aus freien Stücken, anderen nur auf Biegen und Brechen. Die Generation unserer Eltern war diesbezüglich noch richtig hart im Nehmen. Scheidung war selbst in den schlimmsten Ehen keine Option. Mittlerweile sieht dies schon anders aus, und immer mehr jüngere Paare lassen sich scheiden, weil sie sich viel zu früh in eine zum Scheitern verurteilte Ehe treiben ließen.

Und so suchen frisch geschiedene Frauen und Männer in ihren Dreißigern und mit zwei, drei Kindern im Schlepptau auf Facebook, Tinder & Co. nach einem neuen Partner. In ihren jungen Zwanzigern oder gar im Teenager-Alter gingen sie eine Ehe ein, für die sie nicht bereit waren – In einem Lebensabschnitt, der in erster Linie dafür gedacht ist, sich selbst kennenzulernen, und herauszufinden, was man sich von sich selbst und seinem Partner überhaupt erwartet. Viele von ihnen betrogen von ihren Partnern, die genauso wenig wussten, worauf sie sich da einließen, und im Nachhinein aus ihrem selbstgebastelten Käfig auszubrechen versuchen.

(FOTO: iStock/Ivan Kyryk)
(FOTO: iStock/Ivan Kyryk)

Komm auf die „dunkle Seite der Macht“

Selbstverständlich ist nicht jede Ehe, die im jungen Alter besiegelt wurde, ein Schuss in den Ofen, dennoch traue ich mich zu behaupten, dass dies in ausreichenden Fällen zutrifft. Und wer ist nicht unbeteiligt daran? Unsere Verwandten und Freunde, die diesen Schritt bereits wagten! Häufig wirkt es fast so, als würden verheiratete Paare in unserem Umfeld alles daran setzen, Singles in ihren Kreis zu ziehen. Besonders paradox daran ist aber, dass sie nur allzu oft selbst kein gutes Haar an ihren Partnern und an dem Konzept der Ehe lassen.

„Heirate niemals Alena! Genieße dein Leben solange du kannst“, höre ich meine gefrusteten Tanten und Onkel, Cousinen und Cousins nur allzu oft sagen. Dennoch war die Frage nach einem Typen mit Heiratspotenzial das Erste, das ich mir zu Weihnachten von ihnen anhören durfte, als ich solo zum Essen erschien. Und das ist genau das Problem an unserer Community. Es ist nicht wichtig, wen du heiratest – sondern dass du heiratest!

Ich hatte bereits lange, ernste Beziehungen, die aus guten Gründen ein Ende fanden. Viele hätten sich aber mit den unüberbrückbaren Differenzen, mit denen ich im Zuge dieser Partnerschaften zu kämpfen hatte, an meiner Stelle abgefunden – einfach, weil die biologische Uhr tickt, und es doch so schwer ist, jemanden zu finden, der einen halbwegs gut behandelt, und der Familie auch noch in den Kram passt.

Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, derart zu resignieren. Stattdessen habe ich beschlossen, mein Glück selbst in die Hand zu nehmen, und mich nicht abzufinden – mit nichts und niemandem! Selbst, wenn das bedeutet, dass ich für immer alleine bleibe – zumindest muss ich mich dann niemals sagen hören „Genieß dein Leben solange du noch kannst!“ Denn meiner Meinung nach geht das Leben mit dem richtigen Partner erst los, und wenn sich dieser nicht finden lässt, auch gut!