Der entlassene Schin-Bet-Chef (israelischer Inlandsgeheimdienst) Ronen Bar hat in einer eidesstattlichen Erklärung für den Obersten Gerichtshof schwerwiegende Anschuldigungen gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erhoben. Aus dem von der Generalstaatsanwaltschaft veröffentlichten Dokument geht hervor, dass Netanjahu von Bar persönliche Loyalität eingefordert habe. Laut Bar sei unmissverständlich kommuniziert worden, dass er im Falle einer Verfassungskrise dem Regierungschef und nicht dem Obersten Gerichtshof Folge leisten müsse.
In der Erklärung führt Bar weiter aus, Netanjahu habe wiederholt verlangt, der Inlandsgeheimdienst solle gegen Teilnehmer von Antiregierungsprotesten vorgehen. Dabei sollten insbesondere die finanziellen Unterstützer der Protestbewegung ins Visier genommen werden.
Bar bestätigte zudem Medienberichte, wonach der Ministerpräsident ihn gebeten habe, bei der Verzögerung von Netanjahus Aussage in dessen laufendem Korruptionsverfahren behilflich zu sein. Gleichzeitig wies der ehemalige Geheimdienstchef Vorwürfe zurück, der Schin Bet habe es versäumt, die Regierung rechtzeitig vor dem Hamas-Angriff zu warnen. In einem brisanten Brief räumte Bar zwar operative Fehler vor dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober ein, machte jedoch zugleich die politische Führung für systemische Versäumnisse verantwortlich und verwies auf die staatlich unterstützte Finanzierung der Hamas durch Drittstaaten.
Netanjahus Reaktion
Netanjahus Büro konterte mit einer knappen Stellungnahme, in der Bars Erklärung als falsch bezeichnet wurde. Man werde die Vorwürfe „zu gegebener Zeit ausführlich widerlegen“.
Juristisches Tauziehen
Zwischen dem Regierungschef und dem entlassenen Geheimdienstchef ist ein juristisches Tauziehen entbrannt. Zwar hatte Netanjahus Kabinett am 21. März einstimmig Bars Entlassung beschlossen, doch Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen legten umgehend Einspruch ein.
Der Oberste Gerichtshof setzte die Entlassung zunächst bis zum 8. April aus und erließ anschließend eine einstweilige Verfügung, die Bars Absetzung bis zu einer endgültigen Entscheidung blockiert.
Der Regierung bleibt lediglich gestattet, Gespräche mit potenziellen Nachfolgern zu führen, ohne jedoch bereits eine Ernennung vorzunehmen.
Zunehmende Spannungen
Die Situation um Ronen Bar verschärft sich zunehmend. Oppositionsführer Yair Lapid warnte vor einer gefährlichen Eskalation der öffentlichen Hetze gegen den ehemaligen Geheimdienstchef. Nach Aufrufen in sozialen Medien, die sogar Bars Hinrichtung forderten, sprach Lapid von einer realen Gefahr eines politischen Mordes. Diese Entwicklung zeigt, wie tief die Gräben in der israelischen Gesellschaft inzwischen sind.
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