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INTERVIEW

Marijana Dokoza: „Am meisten inspirieren mich die Geschichten der einfachen Menschen“

Marijana Dokoza (FOTO: zVg.)

Die erfolgreiche Journalistin und preisgekrönte Schriftstellerin Marijana Dokoza hat ihre Karriere in ihrem Heimatort Zadar begonnen und arbeitet jetzt in Mainz als Chefredakteurin des Magazins „Fenix“.

2016 hat sie den Preis des Netzwerks kroatischer Frauen „Einflussreiche kroatische Frauen“ („Croatian Women of Influence Award“) mit Sitz in Toronto bekommen. Im selben Jahr wurde sie in eine Gruppe von 25 Frauen gewählt, die Migrationshintergrund haben, in der Stadt Mainz leben und für andere Frauen mit Migrationshintergrund in dieser Stadt ein Vorbild sind. Ihr Roman „Tragovi“ („Spuren“) wurde von der Webseite „Pisci i Književnost“ („Schriftsteller und Literatur“), die sich Autoren und Autorinnen aus Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien widmet, im Jänner 2020 zu bestem Buch des Monats („najbolja domaća knjiga mjeseca“) gewählt und ist für das beste Buch des Jahres („najbolja knjiga godine“) nominiert. Der Roman „Naranyjin plač“ war im Jahr 2011 auch für den Literaturpreis „Kiklop“ nominiert. Wir sprachen mit der talentierten Künstlerin über ihre Karriere.

KOSMO: Sie sind eine bekannte Schriftstellerin, Dichterin und Redakteurin der deutschen Zeitschrift „Fenix Magazin“. In welcher dieser drei Tätigkeiten finden Sie sich selbst am stärksten wieder und in welcher kommt Ihr Talent am besten zur Geltung?
Marijana Dokoza: Das ist nach fast zwei Jahrzehnten im Journalismus und in der Literatur nur schwer zu trennen. Wenn ich Romane schreibe, fühle ich mich frei. Ich schaffe eine neue Welt, die ich so gestalte, wie ich es will. Wenn ich einen Roman nach der wahren Geschichte irgendeiner Person schreibe, so wie den Roman „Grijesi“, dann ist diese Freiheit natürlich begrenzt. Aber das ist wieder etwas anderes. Es ist eine besondere, unwahrscheinliche Erfahrung, denn man erlebt die Vergangenheit von jemand anderem. All sein Leid, seine schweren Momente, seine Freuden… Ein ganzes Leben bingt man zu Papier und jedes Mal, wenn der Leser das Buch zur Hand nimmt und zu lesen beginnt, wird dieser Teil des fremden Lebens lebendig. Nach der Veröffentlichung von „Grijesi“ haben mich viele Menschen angeschrieben und gesagt, wie emotional sie diese Geschichte erlebt haben, dass sie beim Lesen und auch hinterher noch weinen mussten und noch tagelang unter ihrem Eindruck standen. Das ist für einen Schriftsteller die beste und schönste Auszeichnung.

Etwas anderes ist es, wenn ich Gedichte schreibe. Das sind meine Gefühle. Den Moment, den ich erlebe, gieße ich in einen Vers. Manchmal bin ich ganz in diesen Versen, manchmal sind es meine Gefühle. Damit die Leute nicht denken, in den Gedichten schreibe ich nur über mich selbst, muss ich betonen, wie ein Dichter die Welt um sich herum sieht. Fremdes Leid macht ihn traurig und fremde Freude freut auch ihn, und darüber kann er genauso schreiben wie über sein eigenes Leiden.

Das Dritte, der Journalismus, bietet nicht so viel Freiheit, aber er bietet eine andere Erfahrung. Im Journalismus, das wissen Sie selber, muss man auf vieles achten, aber man hat das Privileg und die Möglichkeit, vielen Menschen zuzuhören, viele verschiedene Teile der Gesellschaft kennenzulernen, und das kann wiederum sehr nützlich sein, wenn man einen Roman schreibt. Man weiß nie, was das Leben bringt, aber ich möchte weder auf die Literatur, noch auf den Journalismus, noch auf die Poesie verzichten.

Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich als Journalistin am meisten?
Ich schreibe über verschiedene Themen, aber am meisten liebe ich die Themen aus dem Leben bzw. die Geschichten der einfachen Menschen. Ihre Geschichten sind die interessantesten und ehrlichsten. In jedem Menschen kann man, wenn man ihm gut zuhört und seiner Erzählung Aufmerksamkeit schenkt, eine interessante Geschichte finden. Als ich in Zadar als Journalistin gearbeitet habe, einer der Redakteure, bei denen ich gearbeitet habe, war der bekannte kroatische Schriftsteller Tomislav Marijan Bilosnić. Der schickte uns oft ins Zadarer Hinterland, um Geschichten zu suchen. Damals entstanden die interessantesten Berichte. Noch heute schreibe ich gerne über das Leben anderer Menschen, das liegt mir am meisten und das mag ich auch am meisten.

Wie würden Sie den Journalismus in Deutschland und in Kroatien, d.h. auf dem Balkan, im Vergleich bewerten?
Ich glaube, dass das heute überall gleich ist. Leider gibt es keine vertrauenswürdigen Informationen und interessanten Geschichten mehr. Es wird zu viel darauf geachtet, wer was in den sozialen Netzwerken veröffentlicht hat, wer wen gelikt hat und wer wem folgt oder nicht mehr folgt, wie man das heute so sagt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Journalismus aus dem Alltagsleben in die sozialen Netzwerke übersiedelt ist. Politiker, Musiker, Sportler etc., alle sind in den sozialen Netzwerken vertreten, verkünden dort, was sie verkünden wollen, und die Journalisten übernehmen es. Außerdem ist alles kurz und oberflächlich geworden. Da sind auch die deutschen Medien nicht viel anders als unsere. Wenn Sie z. B. eine Nachricht in einem deutschen Portal lesen, dann müssen sie diese Nachricht noch in mindestens zwei anderen Portalen nachlesen, damit sie die gesamten Informationen bekommen. Einmal habe ich in einem Portal eine Nachricht mit einem Titel gesehen, der den Leser dazu anregte, den Text zu öffnen. Der Journalist fragte, ob irgendeine Sängerin mit irgendeinem Mann eine Beziehung hatte. Diese Frage hatte er sich gestellt, weil sie eines seiner Posts auf Instagram gelikt hatte. Und davon handelte der ganze Text. Ist das nicht traurig?

„Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Journalismus aus dem Alltagsleben in die sozialen Netzwerke übersiedelt ist.“

Was hat Sie dazu gebracht, nach Deutschland zu übersiedeln?
Ich bin nach der Hochzeit mit meinem Mann nach Deutschland gekommen. Ich reise gerne, und als ich noch in Zadar gelebt habe, bin ich oft gereist. Aber ich muss zugeben, niemals nach Deutschland. Und letztendlich lebe ich jetzt in Deutschland!

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