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Massenproteste gegen Lithiumbergwerk in Serbien (GALERIE)

Lithiumabbau Serbien Protest
FOTO: EPA-EFE/ANDREJ CUKIC

In der Nacht auf Sonntag versammelten sich in Belgrad Zehntausende Bürgerinnen und Bürger, um gegen das geplante Lithiumbergwerk im westserbischen Jadartal zu protestieren. Nach einer Demonstration im Stadtzentrum blockierten die Protestierenden den Zugverkehr an zwei Stadtbahnhöfen, bevor die Gleise am Sonntagmorgen wieder freigegeben wurden.

Ungewöhnlich ist die Breite der Protestbewegung, die bereits seit Wochen landesweit andauert. Nicht nur in Belgrad, sondern auch in vielen Kleinstädten machen Menschen gegen das Großprojekt mobil. Die regierungskritische Zeitung „Danas“ betont, dass seit den Protesten gegen das Milosevic-Regime in den 1990er Jahren keine Bewegung solch breiten Rückhalt genoss.

Zwei Organisatoren der Proteste wurden am Samstag von der serbischen Staatssicherheit BIA vorgeladen und vor der Blockierung des Verkehrs gewarnt. In den regierungsnahen Medien werden die Anführer der Proteste als ausländische Agenten oder naive Gegner des wirtschaftlichen Fortschritts verunglimpft.

Bergbauprojekt von Rio Tinto

Der Zorn der Bürger richtet sich gegen ein Großprojekt des britisch-australischen Bergbauunternehmens Rio Tinto. Bereits 2004 wurden im Jadartal bedeutende Lithiumvorkommen entdeckt. 2021 stellte Rio Tinto 2,4 Milliarden Dollar bereit, um jährlich 58.000 Tonnen des wichtigen Rohstoffs zu fördern. Seit der Lizenzvergabe ist die lokale Bevölkerung jedoch in Aufruhr, und der Protest hat sich landesweit ausgeweitet.

Internationale Verflechtungen

Im Vorfeld der Wahlen im April 2022 entzog die serbische Regierung Rio Tinto die Lizenz, nur um das Verbot im Juni durch das Verfassungsgericht wieder aufheben zu lassen. Kurz darauf unterzeichnete Präsident Aleksandar Vucic ein Abkommen mit der EU über den Lithiumabbau und die Batterieproduktion. An der feierlichen Zeremonie in Belgrad nahmen auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Vertreter der deutschen Autoindustrie teil.

Bedrohung für Umwelt

Das landwirtschaftlich geprägte Jadartal, in dem etwa 18.000 Menschen leben, ist bekannt für seine fruchtbaren Böden und den 80 Kilometer langen Fluss Jadar, der zur Drina hin entwässert. Die Gegner des Projekts fürchten vor allem die Grundwasserverschmutzung durch den Einsatz von Schwefelsäure und den hohen Wasserverbrauch beim Lithiumabbau.

Die Vielfalt der Protestbewegung ist beeindruckend, da sie lokale Umweltgruppen, urbane Linke und konservative Nationalisten vereint. Besonders die Sorge um die Umwelt mobilisiert zahlreiche Bürger, angetrieben durch die schlechte Luftqualität in den Städten und den umstrittenen Kupferabbau durch chinesische Unternehmen.

Machtpolitik und am Ausverkauf des Landes

Viele städtische Milieus stören sich an der Politik der regierenden Fortschrittspartei und an der Rückkehr des Projekts trotz früherer Absagen. Auch Konservative und Nationalisten protestieren gegen den „Ausverkauf der Heimat“ an ausländische Konzerne.

Zusätzliche Legitimität erhält der Protest durch die Unterstützung der serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste sowie einiger kirchlicher Vertreter. Demonstranten betonen, dass es ihnen um die Zukunft ihrer Kinder und des Landes geht, nicht um politische Interessen.

Nachhaltigkeitsversprechen versus wirtschaftliche Vorteile

Präsident Vucic und internationale Akteure wie die EU und Deutschland betonen die umweltschonende Umsetzung des Projekts. Doch viele Serben bleiben skeptisch. Der serbisch-amerikanische Ökonom Branko Milanovic schätzt, dass das Projekt das Bruttosozialprodukt Serbiens um 2 bis 3 Prozentpunkte steigern könnte.