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INTERVIEW

Niemandshunde am Balkan: „Sie erschießen sie einfach“ (FOTOS)

Niemandshunde am Balkan: „Sie erschießen sie einfach“ (FOTO: Facebook/Slavka Grilj)

Dass Tiere am Balkan oft sehr schlecht und auch sehr unmenschlich behandelt werden, ist keine Neuigkeit. Doch in der letzten Zeit scheint dieser Trend überhand zu nehmen.

Lokale Medien vom Balkan sind voll von Berichten über vergiftete und erschossene Hunde. So soll ein 56-jähriger Mann in Jajce (Bosnien-Herzegowina) verhaftet worden sein, weil er im Zeitraum von 15. Februar bis 5. April ca. 35 Streuner und Hunde vergiftet habe. Das bosnisch-herzegowinische News-Portal faktor.ba berichtet von schrecklichen Szenen in dieser Stadt, in denen an zahlreichen Orten tote Hunde zu sehen waren. Viele BürgerInnen der Stadt Jajce sowie der lokale Tierschutzverein „Ljubitelji pasa“ (Hundeliebhaber) haben trotz der erschwerten Umstände wegen der Corona-Krise sofort reagiert, um die Hunde zu schützen.

In dieser schwierigen Zeit für die ganze Welt ist es umso schwieriger Hunden zu helfen. Mit dieser Herausforderung sind auch die Aktivisten aus Slavonski Brod und Mitgleider der Gruppe „Donacijska grupa za brodske šape“ konfrontiert. Sie setzten sich seit Jahren für bessere Lebensbedingungen der Hunde und Katzen ein, die auf einer dortigen Mülldeponie leben. Laut dem kroatischen News-Portal index.hr hat die Frau, die nur wenige Kilometer von der kroatischen Grenze entfernt lebt und gefolterte und getötete Hunde von der Mülldeponie in Bosanski Brod rettet, einen Schlaganfall erlitten. Seitdem sind die von ihr bisher geschützten Tieren noch stärkeren Angriffen der Menschen ausgesetzt: Sie treten auf sie ein, schießen auf sie und foltern sie.

Die Situation in Serbien sieht für Streuner nicht besser aus. In letzter Zeit kursieren Bilder und Videos von vergifteten Hunden auf den sozialen Netzwerken. Von so einer Vergiftung berichtete auch das serbische News-Portal Telegraf.

Von einer Leserin wurden wir besonders auf das Schicksal von Hunden auf einer Mülldeponie in der bosnisch-herzegowischen Stadt Bihać aufmerksam gemacht. Sie informierte uns über den Massenmord an Hunden, der vor einigen Tagen stattfand. Um die genaue Situation zu untersuchen, sind wir den Informationen nachgegangen…

Aleksandra Ivušić, Präsidentin des Vereines „Niemandshunde von Bihać“, kämpft seit Jahren für die Rechte der Tiere bzw. Hunde und vor allem jener, die auf der Mülldeponie leben. KOSMO sprach mit dieser jungen Aktivistin aus Klagenfurt über die Situation mit den Hunden in dieser Stadt und die Arbeit ihrer Organisation.

KOSMO: Der Verein „Die Niemandshunde von Bihać“ wurde im Jahr 2017 in Österreich gegründet. Was waren die Hauptmotive für die Entstehung dieses Vereins und welche Ziele verfolgt er?
Aleksandra Ivušić: Wir wollten durch unseren Verein sowohl in der Lage sein, nachhaltig in Bihać zu helfen, als auch ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was nur wenige hundert Kilometer von unseren geregelten Leben mit Tieren passiert. Die „Niemandshunde“ haben es sich vom ersten Tag an zum Ziel gemacht, die Lebensumstände der Hunde auf der Deponie, sowie auf den Strassen Bihaćs zu verbessern. Unterschlüpfe, Nahrung und tierärztliche Versorgung spielen hierbei ebenso eine große Rolle wie Kastrationen, um der unkontrollierten Vermehrung dieser Tiere entgegenzuwirken.

Wie sehen die Lebensbedingungen für die Hunde in Bihać aus? Wovon ist ihr Leben am meisten bedroht?
Diese Tiere haben im Prinzip nichts außer die wenigen Volontäre, die sich um ihr Wohlbefinden kümmern. Bedroht sind die Hunde auf der Deponie vorwiegend durch Jäger, die auf ihrem Weg ins nahegelegene Jagdgebiet immer wieder auf die Hunde schiessen. Wir selbst haben schon mehrmals erschossene oder schwer verletzte Tiere auf der Deponie vorgefunden. Aber auch auf den Strassen ist es keine Seltenheit, dass auf Hunde geschossen wird.

„Bedroht sind die Hunde auf der Deponie vorwiegend durch Jäger, die auf ihrem Weg ins nahegelegene Jagdgebiet immer wieder auf die Hunde schiessen.“

Inwiefern hilft der Verein den Hunden in Bihać?
Wir kümmern uns seit knapp drei Jahren darum, dass diese Tiere Nahrung, Wasser und einen Unterschlupf haben. Ebenso lassen wir kranke oder verletzte Tiere behandeln und bringen diese auf Pflegestellen unter. So oft es uns unsere finanziellen Möglichkeiten erlauben, werden auch Kastrationsprojekte durchgeführt.

Welche Projekte bzw. Schritte habt ihr bisher umgesetzt, wenn es um den Schutz der Hunde geht und welche sind zukünftig geplant?
Im Normalfall fährt unser Team alle zwei bis maximal drei Wochen nach Bihać, um die Hunde selbst zu versorgen und sich auf der Deponie nützlich zu machen. Auch Kastrationsprojekte haben wir bereits erfolgreich durchgeführt. Ebenso haben wir in den letzen knapp drei Jahren, seit Bestehen unseres Vereins, gemeinsam mit freiwilligen HelferInnen aus Slowenien Hundehütten für die Hunde bauen lassen. In diesem Jahr sind durch einen befreundet Tierschützer aus Deutschland auch Futterrohre eingerichtet worden. Wir hatten für dieses Frühjahr diesbezüglich bereits Pläne, aber durch die Corona-Pandemie fallen diese aktuell leider ins Wasser. Wir möchten dies aber, sobald wir in der Möglichkeit sind, nachholen.

„Wir wollten durch unseren Verein das Bewusstsein dafür schaffen, was nur wenige hundert Kilometer von unseren geregelten Leben mit Tieren passiert.“

Wie viele Mitglieder habt ihr zurzeit und wo sind sie aktiv?
Aktuell setzt sich das Team aus sieben Personen in Österreich bzw. Deutschland zusammen und in Bosnien noch einmal sieben Personen, die die Versorgung der Hunde übernehmen und sich um alles kümmern, wenn wir nicht vor Ort sein können. Mitgliedschaften in dem Sinne gibt es bei uns nicht. Wir haben aber wundervolle Menschen, die uns regelmässig finanziell unterstützen und auch immer wieder freiwillige HelferInnen, die uns bei unseren Spendenfahrten nach Bihać begleiten.

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