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KOMMENTAR

Österreichs Angst vor Alma: Ein Armutszeugnis

(FOTO: Facebook-Screenshot/Alma Zadic)

Dass die türkisgrüne Koalition daweil eher ein Experiment als eine politische Ehe aus Überzeugung ist, zeigte sich bereits bei den ersten öffentlichen gemeinsamen Auftritten von Werner Kogler und Sebastian Kurz.

Obwohl die Koalitionsverhandlungen der beiden Obmänner mit ihren Teams insgesamt 47 Tage dauerten, muss Österreich mit diesem Anblick erst noch warm werden – an zwei von Haus aus unterschiedliche Welten, die nun ein gemeinsames politisches Dach bauen. Oder besser gesagt: Bauen wollen. Egal wie optimistisch oder skeptisch, wie gut oder schlecht man die Liebessterne für Türkis-Grün sieht oder nicht sieht, eines steht fest: Gewöhnen müssen wird man sich nicht nur an diesen Versuch, der für Österreich ein absolutes Novum darstellt.

Kampagne gegen „kriminelle Muslima“
Gewöhnen müssen wird man sich auch an Alma Zadić, die neue Justizministerin und zugleich das mit Migrationshintergrund aus dem ehemaligen Jugoslawien erste Regierungsmitglied in der Geschichte Österreichs. Es ist leider sehr ernüchternd, aber auch wenig verwunderlich, dass die in Tuzla geborene Bosnierin – unter allen Regierungsmitgliedern – von Anfang an gegen eine öffentliche, rassistisch motivierte Schmutzkampagne gegen ihre Person kämpfen muss.

„Eine kriminelle Muslima wird Justizministerin. Da kommt dann bald die Scharia“ und „Jetzt bekommen Ausländer Ministerposten – der Untergang“ sind nur zwei der vielen, hetzenden Kommentare die neue Ministerin, die unter einem Post des Tiroler Landesobmanns der FPÖ Markus Abwerzger zu lesen waren. Diesem gelang es mit einem Anti-Zadić-Post einen Shitstorm auszulösen: „Diese Dame soll doch tatsächlich Justizministerin werden. Sie wurde strafrechtlich in erster Instanz verurteilt, das Verfahren läuft offenbar noch“.

Stimmungsmache gegen Zadić
Wie FALTER-Herausgeber Florian Klenk als erster richtig bemerkte: Erstens ist Zadić nicht strafrechtlich, sondern medienrechtlich verurteilt. Und das noch nicht mal rechtskräftig, da sie gegen den Burschenschafter in Berufung gegangen ist. Zadić postete auf Twitter das Foto eines Burschenschafters, der Demonstranten im letzten Jahr den Hitlergruß gezeigt haben soll. Dabei schrieb sie dazu: „Keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten“.

Der Burschenschafter, der wegen der Causa unzählige Medien und Personen klagte, gewann zwar gegen Zadić, die in erster Instanz wegen „übler Nachrede“ verurteilt wurde. Sie deswegen als kriminell zu bezeichnen oder sie der Öffentlichkeit als vorbestrafte Muslima präsentieren zu wollen – ist hingegen ein bewusster, noch dazu rassistisch motivierter Angriff mit Falschinformationen. Dass die Argumentation des Gott und die Welt klagenden Burschenschafters immer dünner wird und dass er mittlerweile auch ähnliche, medienrechtliche Prozesse verloren hat, wird dabei von FPÖ-Politiker Abzwerger verschwiegen. In einem Prozessbericht von Karl Öllinger kann man aktuell nachlesen, wie der Burschenschafter die letzten zwei Prozesse gegen Christoph Baumgarten (Balkanstories) und Samuel Laster („Die Jüdische“) verloren hat. Ob sich diese neuen Erkenntnisse vor Gericht nun auch auf die Berufung von Zadić auswirken wird – gilt abzuwarten.

Herkunft als Hauptargument
Abwarten ist allerdings nicht im Interesse derer, die Zadić nicht nur vorverurteilen, sondern sie – ohne jegliche stichhaltigen Argumente – als „gefährliche“ Muslima darstellen wollen. Man braucht sich die Ausgangslage in diesem Fall nicht schön reden: Es ist ein Armutszeugnis für dieses Land, dass die Wienerin auf so viel Gegegenwind stößt und dabei ihre ursprüngliche Herkunft als Hauptargument dient. Der Angriff auf Alma ist zugleich auch ein Angriff auf alle, die als 10-jährige Mädchen oder Burschen aus Ex-Jugoslawien flüchten mussten und sich hier hart – Stuck für Stück – in Österreich eine eigene Karriere erarbeitet haben. Zadić ist zweifellos noch dazu ein Beispiel für eine mehr als gelungene Integration: Vom bosnisch-stämmigen Mädel aus Wien-Favoriten zur international beachteten und agierenden Anwältin und von der Anwältin zur Justizministerin.

Historische Chance
Es ist leider auch nicht das erste Mal, dass Almas Herkunft eine Rolle spielt, wo sie eigentlich überhaupt kein Thema sein dürfte: ÖVP-Mandatar Johann Rädler richtete ihr letztes Jahr im Nationalrat aus, „sie sei hier ja nicht in Bosnien!“. Die Angriffe und die gezielte Angstmache vor Alma werden in Zukunft auch ein Test für diese neugebildete Koalition sein.
Zugleich ist es auch eine historische Chance, um denen, die der beschämenden und eigentlich irren These von der „gefährlichen, kriminellen Muslima“ Glauben schenken wollen, die völlig unberechtigte Angst zu nehmen. Eine starke Frau wie Zadić hat alle Fähigkeiten dazu, um den „Hatern“ den Wind aus dem Segel zu nehmen.

Einmal, zu ihrer Kindheit und Jugend befragt, zitierte Alma die Aussage vieler migrantischen Eltern: „Wenn du dich nicht doppelt so anstrengst, wirst du es hier nicht schaffen“. Dieses Zitat scheint leider immer noch Gültigkeit zu haben. Hoffentlich ist die kommende Angelobung von Zadić und ihre zukünftige Arbeit im Dienste des Landes in Zukunft ein Argument mehr, um die hetzenden Ewiggestrigen, vorverurteilenden Patrioten und selbsternannten Islam-Experten endlich in die Schranken der multikulturellen, vielfältigen und bereichernden österreichischen Realität zu weisen.

Angesichts des Gegenwindes gegen die „bosnische Ministerin“ wird eines umso klarer: Es war höchste Zeit, dass Österreich seine erste Ministerin mit ex-jugoslawischer Herkunft bekommt. Und es ist gut, dass diese ausgerechnet aus Bosnien-Herzegowina kommt.