Nach seinem ESC-Triumph gerät Johannes Pietsch in diplomatisches Kreuzfeuer. Seine Kritik an Israels Teilnahme und die Bewunderung für eine umstrittene Opernsängerin sorgen für Verstimmungen.
Der österreichische ESC-Gewinner Johannes Pietsch hat mit seinen Äußerungen zur Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest eine diplomatische Verstimmung ausgelöst. Nachdem der als JJ bekannte Künstler in einem Interview mit der spanischen Zeitung „El Pais“ sein Bedauern über Israels ESC-Teilnahme zum Ausdruck gebracht hatte, sah er sich gezwungen, seine Worte zurückzunehmen und entschuldigte sich für mögliche Missverständnisse. Trotz dieser Relativierung möchte der israelische Botschafter in Wien nun ein persönliches Gespräch mit dem Sänger führen. Zusätzlich hat Pietsch mit seinen Äußerungen auch die Ukraine verärgert.
In dem vielbeachteten Gespräch mit „El Pais“ hatte der 24-Jährige erklärt: „Es ist sehr enttäuschend, dass Israel noch am Wettbewerb teilnimmt. Ich würde mir wünschen, dass der Eurovision Song Contest nächstes Jahr in Wien stattfindet – ohne Israel.“ Besonders brisant: Der Countertenor stellte indirekt eine Parallele zwischen Israel und dem vom ESC ausgeschlossenen Russland her, indem er beide Staaten als „Angreifer“ bezeichnete, ohne einen expliziten Vergleich zu ziehen.
Diese Aussagen lösten nicht nur in Israel, sondern auch in der österreichischen Politik heftige Reaktionen aus. Der ehemalige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bezeichnete JJs Äußerungen als „inakzeptabel“ und kritisierte den Wunsch nach einem Ausschluss Israels sowie die Gleichsetzung mit Russland als „völlig verfehlt und geschichtsvergessen“. Sobotka betonte, dass eine solche Haltung, die den Terrorangriff der Hamas mit über 1200 Todesopfern und zahlreichen Geiseln ausblende und gleichzeitig Israel dämonisiere, antisemitische Stereotype bediene.
⇢ Über 20 Länder dabei: Russland startet eigenen Eurovision Song Contest
Politische Reaktionen
Alexander Pröll (ÖVP), Staatssekretär für Kampf gegen Antisemitismus, verurteilte ebenfalls die versuchte Gleichstellung von Russland und Israel als „Geschichtsfälschung“. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) attestierte dem Sänger zwar musikalisches Talent, bescheinigte ihm jedoch, „politisch gefährlich schlecht beraten“ zu sein. Sie stellte klar, dass es in Niederösterreich „jedenfalls keinen ESC ohne Israel geben“ würde.
⇢ Nach Nervenschlacht: JJ holt ESC-Sieg für Österreich (VIDEO)
Die FPÖ nutzte den Vorfall für Kritik an der Bundesregierung. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp veröffentlichte auf der Plattform X ein Foto, das JJ gemeinsam mit Regierungsmitgliedern zeigt, und kommentierte: „So feiert unsere Bundesregierung einen Antisemiten – und macht ihn damit salonfähig.“ Nepp verwies zudem auf ein Instagram-Like des Sängers unter einem Artikel über das Attentat auf israelische Botschaftsmitarbeiter in Washington D.C. und folgerte, wer israelische Terroropfer verhöhne, habe „keinen Platz auf dem Parkett der Republik“.
So feiert unsere Bundesregierung einen Antisemiten – und macht ihn damit salonfähig. Wer Israels Selbstverteidigung mit Putins Angriffskrieg gleichsetzt und jüdische Terroropfer in Washington mit einem Like verhöhnt, hat keinen Platz auf dem Parkett der Republik. Wehret den… pic.twitter.com/tXZLBBPVSk
— Dominik Nepp (@DominikNepp) May 22, 2025
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, äußerte sich auf X enttäuscht über JJ, der nach seinem ESC-Sieg noch dazu aufgerufen hatte, „Liebe zu verbreiten“, sich nun aber „in den Chor der Israel-Hasser“ einreihe und israelische Opfer zu Aggressoren mache. Deutsch bezeichnete diese Haltung als „gefährlich“.
Israels Botschafter in Österreich, David Roet, reagierte mit einer Einladung an den Sänger. Er wolle JJ persönlich treffen und mit ihm über die Thematik sprechen. Zudem lud er ihn nach Israel ein und merkte an, dass auch die israelische ESC-Teilnehmerin Yuval Raphael, die die Hamas-Anschläge vom 7. Oktober 2023 überlebt hat, sich sicher freuen würde, ihn kennenzulernen. Roet betonte, dass eine andere Perspektive manchmal einen großen Unterschied machen könne.
Ukrainische Kritik
Auch in der Ukraine hat sich Pietsch Unmut zugezogen. Grund dafür ist seine öffentliche Würdigung der Opernsängerin Anna Netrebko als Vorbild für sein Siegerlied „Wasted Love“. In ukrainischen sozialen Medien und Internetforen wurde der Österreicher nach seinem Sieg teilweise scharf angegriffen. Ein Nutzer auf der Website des ukrainischen Fernsehsenders Kanal 24 kommentierte: „Österreich hat den Eurovision Song Contest 2025 gewonnen. Der Sieger ließ sich von einer russischen Opernsängerin inspirieren, die den Völkermord am ukrainischen Volk unterstützt. Scheiß auf Eurovision! Entschuldigung.“
Die Kritik bezieht sich auf Netrebkos umstrittene Position im Kontext des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Die Sängerin, die sowohl die russische als auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, geriet wegen ihrer vermeintlichen Nähe zu Wladimir Putin nach Kriegsbeginn in die Kritik.
Seither begleiten Proteste ihre Auftritte in verschiedenen Ländern, darunter auch Österreich. Zahlreiche Veranstaltungen mit ihr wurden abgesagt.
Folge uns auf Social Media!