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Schimpfsystem der Jugos: Sonne, Brot und Tito – alles kann man fi**en

(FOTOS: iStockphoto, zVg.)

Ich kann mich noch gut an meine ersten Worte auf Serbisch erinnern, neben dem obligatorischen „Kako si?“ und „Šta radiš?“, musste ich natürlich auch gleich diverse Schimpffloskeln lernen. Das erste Mal live und in Farbe erlebte ich das Schimpfen am Esstisch bei meinem ersten Besuch in Serbien.

“Majku ti je**m, šta ti to pričas?!“ – sagte der Vater zu seinem Sohn. Ich war schockiert, nachdem ich die Wörter in meinem Kopf auf Deutsch übersetzte. Das Familienessen ging weiter, als wäre nichts gewesen, ich aber starrte beschämt auf den Boden. Erst einige Jahre später habe ich den eigentlichen Sinn dahinter verstanden. Heute weiß ich, dass man auch ruhig „Je**š mi mater ako je ovo normalno“ (Fi** meine Mutter, wenn das normal ist) sagen kann ohne dabei wortwörtlich die Mutter zu meinen. Dass ordinäre Worte in vielen Fällen keine Beschimpfung per se sind, sieht man auch bei Begrüßungen sehr enger Freunde – „Gde si, kurvo/pi**o?“ (frei übersetzt: Was geht, Schlampe/Fo**e?), „Majke ti ga spopandrknem, nisam te video sto godina!“ („Schwer zu übersetzten“, idich hab ich ja 100 Jahre nicht gesehen!) und ähnliches ist in vielen Fällen mehr ein Ausdruck von menschlicher Nähe und enger Freundschaft.

Die Vagina der Mutter
Eine weitere sehr beliebte Floskel ist „U p***u materinu!“, während man Leute äußerst gerne aus Wut (und in diesem Fall auch erst gemeint) in die Genitalien der Mutter schickt, kann diese perverse Phrase aber auch Tausend andere Bedeutungen haben. In der Umgangssprache ist es eine sehr effektive Möglichkeit gewissen Dingen mehr Wichtigkeit oder Größe zu verleihen.

Ein für mich anfangs sehr abstruses Beispiel war das einer Oma, die zu ihrem Enkel, „Jao što si lep, u p.m.“ (Oh bist du schön, in die Fo**e deiner Mutter) sagte. Eine andere Bedeutung hat das berühmte „u p. m.“ wiederum, wenn man ein „Ju“ oder „Joj“ davorhängt, denn dann hat sich in den meisten Fällen jemand ziemlich erschrocken und oftmals wird das Ganze noch mit einem Bekreuzigen mit der Hand unterstrichen. Ebenso ist es für manche Balkanesen „süß“ wenn das kleine Kind sein geübtes „u p.m“ mit kindlichen Sprachfehlern vor versammelter Familie zum Ausdruck bringt. Für Österreich abstrus, für manche Jugos Alltag…

Sonne, Brot und Tito – alles kann man fi**en
Balkanesen sind meiner Meinung nach nicht nur Weltmeister im Schimpfen, sondern auch führend was die Kreativität dabei angeht. Während manche Beleidigungen für mich vielleicht abstrakt erscheinen (z.B. „Je**m ti sunce!“ und „Je**te Tito“), sind diese für Jugos wohl eher Standardwortschatz. Viel bessere und kreativere Kaliber sind da: „Dabogda ti sin dovede zeta u kuću!“, „Pos***m ti se u usta!“ oder aber „Je**m li ti krv pasuljarsku!“Alles zusammen sehr ordinär, aber gleichzeitig auch auf Deutsch unmöglich zu übersetzen ohne den Sinn dahinter dabei komplett zu verlieren.

Ich könnte diese Liste wohl noch ewig weiterführen, zum Beispiel dass laut der goldenen Regel des Jugoslangs ein Satz mit „Jebote“ enden und anfangen muss, oder dass ein einfaches Nein nicht reicht und durch ein aussagekräftigeres „Hoću ku**c!“ ersetzt wird. Für mich als Nichtmuttersprachler war es am Anfang ziemlich schwierig das komplexe „Schimpfsystem“ der Jugos zu verstehen und Achtung ist auf jeden Fall geboten, dass man gewisse Dinge nicht zu Fremden sagt, ohne eine Schimpftirade des Gegenübers gefasst zu sein.

Ich muss aber trotzdem gestehen, dass ich mir mein Serbisch ohne den Reichtum und die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten der „psovke“ gar nicht mehr vorstellen kann und möchte :).