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Sicherheit

Serbien will Schengen-Beitritt: Europaminister Starović auf Besuch in Wien

Plakolm Starovic Serbien
FOTO: BKA/Christopher Dunker

Serbiens Europaminister Starović wirbt für Schengen-Integration seines Landes. Die Aufnahme in den Schengen-Raum (europäisches Gebiet ohne Grenzkontrollen) wäre aus seiner Sicht ein bedeutender Schritt für die europäische Sicherheitsarchitektur, da Serbien derzeit eine geografische Anomalie darstelle.

„Wir sind der einzige Teil Europas, in dem Migranten und Flüchtlinge aus dem Schengen-Raum kommen, etwa aus Griechenland und Bulgarien, und dann wieder in den Schengen-Raum zurückkehren, nach Ungarn und Österreich und so weiter“, erklärte Starović im APA-Gespräch. Die Einbindung Serbiens würde diese Sicherheitslücke schließen.

Bei seinem Arbeitsbesuch bei Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) am Dienstag in Wien hob Starović die Unterstützung Österreichs für die Westbalkan-Erweiterung hervor. Zum österreichischen Konzept einer „schrittweisen Integration“ äußerte er sich grundsätzlich offen: „Wir können darüber reden, solange sie nicht als Ersatz für eine Vollmitgliedschaft gesehen oder angewandt wird, sondern bestimmte Vorteile für unsere Wirtschaft hat.“ Den von der EU-Kommission vorgelegten Wachstumsplan für die Region bewertete er positiv als „sehr guten Schritt nach vorn“.

„Serbien und Österreich verbindet nicht nur eine lange gemeinsame Geschichte, sondern auch im ganz besonderen die Menschen. In Österreich gibt es eine große serbische Community, die wir sehr schätzen, die hier zuhause ist, die ganz selbstverständlicher Teil Österreichs und seiner Kultur, seiner Wirtschaft und seines Zusammenlebens ist“, hielt Europaministerin Claudia Plakolm fest.

Plakolm hob auch die ausgezeichneten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern hervor und bedankte sich für die Zusammenarbeit im Bereich Migration und Asyl, „wo über unsere Polizei auch ein guter Austausch stattfindet“.

Im Zentrum des Gesprächs stand die Integration des Westbalkans und insbesondere Serbiens in die Europäische Union. „Wir haben vor über 20 Jahren das Versprechen gegeben, dass die Länder des Westbalkans Teil der Europäischen Union werden. Das wird auch für die neue Bundesregierung in Österreich eine große Priorität haben. Mit allen Rechten und Pflichten müssen wir dieses Versprechen auch einlösen. Hier dürfen nicht weitere Jahrzehnte ohne spürbare Schritte Richtung Europäische Union vergehen, wo gerade eben auch alle Generationen davon profitieren sollen“, so Plakolm. Sie halte es daher für extrem wichtig, dass hier eine schrittweise, wenn auch graduelle Integration sowie konkrete Erweiterungsschritte vorangetrieben werden.

Nach Ansicht des Ministers sollten die Vorbereitungen auf den EU-Beitritt und die Schengen-Integration zeitgleich vorangetrieben werden. „Wir sind der Meinung, dass diese Prozesse parallel zueinander verlaufen sollten, da sie nicht formell aneinander gebunden sind, da es europäische Länder gibt, die nicht der EU angehören, aber Teil des Schengen-Raums sind.“

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EU-Beitritt prioritär

Die EU-Mitgliedschaft bleibe für Belgrad ein zentrales außenpolitisches Ziel, betonte Starović. „Das ist eine unserer, wenn nicht die oberste außenpolitische Priorität, denn wir sind sehr zuversichtlich, dass dies im besten nationalen Interesse der Republik Serbien ist.“

Auf die engen Beziehungen zwischen Serbien und Russland angesprochen, insbesondere im Kontext des jüngsten Moskau-Besuchs von Präsident Aleksandar Vučić zur Siegesparade am 9. Mai, stellte der Minister klar: „Für uns ist das in erster Linie ein Ausdruck unserer Erinnerungskultur. Und wann immer es die Tendenz gibt, die Sache aus einem politischen Blickwinkel zu betrachten, müssen wir betonen, dass unsere Haltung zur russischen Invasion in der Ukraine vom ersten Tag an sehr entschieden und sehr klar war, da wir jede Gelegenheit nutzen, um die russische Invasion zu verurteilen.“ Serbien habe mit rund vier Millionen Euro mehr Hilfe für die Ukraine geleistet als alle anderen Westbalkanländer zusammen.

Die Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo, der sich 2008 von Serbien unabhängig erklärt hat und von Belgrad sowie fünf EU-Staaten nicht anerkannt wird, sei ein notwendiger Schritt, räumte Starović ein. „Wir sind entschlossen, dies zu erreichen, nicht nur, weil es eine Vorbedingung für den Beitritt ist, sondern weil es für uns in Serbien wichtig ist, ein stabiles und berechenbares politisches Umfeld zu haben.“ Er setze Hoffnungen in den neuen EU-Sonderbeauftragten für den Dialog zwischen Belgrad und Prishtina.

Reformbemühungen fortsetzen

Zu einem konkreten EU-Beitrittsdatum wollte sich Starović nicht festlegen. Serbiens Ziel sei es, alle erforderlichen Reformen bis Ende 2026 abzuschließen, um den europäischen Rechtsbestand vollständig zu übernehmen. „Wir können nicht sagen, ob dies automatisch bedeutet, dass wir bis 2028 oder 2030 bereit sind, ein EU-Mitgliedstaat zu werden, denn das liegt nicht in unserer Hand. Uns ist klar, dass wir noch bestimmte Entscheidungen, ja sogar bestimmte Reformen innerhalb der EU selbst abwarten müssen. Aber wir wollen bereit sein, wann immer die Tür zur Erweiterung offen ist.“

Bis Ende Juli strebe Serbien die Eröffnung des Clusters 3 (Wettbewerbsfähigkeit und integriertes Wachstum) in den EU-Beitrittsverhandlungen an. Sein Land warte darauf bereits dreieinhalb Jahre nach einer Empfehlung der EU-Kommission, erklärte der Europaminister. Auf den jüngsten kritischen Bericht des EU-Parlaments angesprochen, der Serbien erhebliche Defizite bei Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit und Wahlrechtsreform bescheinigt, versicherte Starović, dass drei Mediengesetze sowie ein Gesetz zum Wählerregister im Juni verabschiedet werden sollen.

Zu den monatelangen Studentenprotesten nach dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad mit 16 Todesopfern sagte Starović, die Regierung habe die Forderungen der Demonstrierenden erfüllt und respektiere vollständig das Recht auf politische Versammlungen.

Er kritisierte jedoch die von Protestierenden durchgeführten Verkehrsblockaden als illegal und nicht den rechtlichen Vorgaben entsprechend.

Wichtige Unterstützer

Plakolm zähle auf Starović und generell die serbische Regierung, dass sie hier diesen Prozess auch vonseiten Serbiens gut unterstützen, um skeptische Mitgliedsländer in dieser wichtigen Frage gewinnen und überzeugen zu können. „Umgekehrt kann sich Serbien auf Österreich verlassen, dass wir innerhalb der Europäischen Union wichtige Unterstützer dieser Bemühungen sind“, so die Europaministerin, die sich auf eine weitere gute Zusammenarbeit freut.