Trinkgeld als Streitfall: Während WKO-Präsident Mahrer eine komplette Steuerbefreiung fordert, wirft die FPÖ der ÖVP Wahlkampftaktik vor.
Trinkgelder unterliegen ab einem bestimmten Betrag der Steuer- und Sozialabgabenpflicht. In Zeiten, als Barzahlung dominierte, stellte dies kaum ein praktisches Problem dar. Mit dem Vormarsch der Kartenzahlung werden Trinkgelder jedoch zunehmend in Registrierkassen erfasst und sind damit nachvollziehbar. Jüngste Prüfungen der Österreichischen Gesundheitskasse mit anschließenden Nachforderungen sorgten für Unruhe in der Branche. Das aktuelle Regierungsprogramm sieht lediglich eine Evaluierung und bundesweite Vereinheitlichung der regional unterschiedlichen Regelungen vor, nicht jedoch eine Befreiung von Abgaben.
Vor diesem Hintergrund trat Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer am Samstag mit der Forderung nach einer vollständigen Steuerbefreiung von Trinkgeldern an die Öffentlichkeit. „Was Gäste freiwillig für guten Service den Kellnern geben, darf nicht länger vom Finanzamt mitkassiert werden“, erklärte Mahrer in einer Aussendung. Er betrachtet Trinkgeld als Ausdruck der Wertschätzung und nicht als reguläres Einkommen.
Besonders in der Gastronomie und Hotellerie, wo Mitarbeiter unter erheblichem Druck Spitzenleistungen erbringen müssten, sei dies relevant. Die Wirtschaftskammer beruft sich auf eine selbst in Auftrag gegebene Market-Umfrage (1.000 Befragte, 11. bis 14. April, Schwankungsbreite plus/minus 3,15 Prozent). Demnach befürworten 88 Prozent der Österreicher abgabenfreie Trinkgelder.
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87 Prozent lehnen eine Besteuerung für Betriebe ab. Die Hälfte der Umfrageteilnehmer würde bei einer Besteuerung das Trinkgeld reduzieren. Nach aktueller Rechtslage sind Trinkgelder grundsätzlich sozialversicherungspflichtig. Häufig existieren Pauschalen, die je nach Branche und Bundesland variieren. Für Servicekräfte in Wien beträgt diese beispielsweise etwa 60 Euro monatlich.
Rechtliche Situation in Österreich
In Österreich sind Trinkgelder tatsächlich bereits lohn- und einkommensteuerfrei, sofern sie freiwillig, in ortsüblicher Höhe und direkt von Dritten an Arbeitnehmer ausbezahlt werden. Sozialversicherungsrechtlich gelten sie jedoch als Entgelt und sind somit beitragspflichtig. Dies ist der eigentliche Kern der aktuellen Debatte.
Die Höhe der beitragspflichtigen Pauschalen variiert je nach Bundesland und Branche erheblich. Während für Servicekräfte in Wien rund 60 Euro monatlich veranschlagt werden, sind es für Friseure meist 70 Euro. Durch die zunehmende Kartenzahlung können Betriebe die tatsächlich erhaltenen Trinkgelder nun genauer nachverfolgen, was bei Betriebsprüfungen zu teils erheblichen Nachforderungen seitens der Sozialversicherung führen kann. Von diesen Nachforderungen sind primär die Unternehmen betroffen, nicht die Mitarbeiter selbst.
Politische Reaktionen
Die FPÖ bezeichnet Mahrers Initiative als „üblen ÖVP-Schmäh“. Der freiheitliche Tourismussprecher Christoph Steiner kritisierte in einer Aussendung, dass im von Mahrer mitverhandelten Regierungsprogramm eine solche Abgabenbefreiung nicht erwähnt werde. Steiner betonte die Bedeutung von Trinkgeldern als wichtigen Zusatzverdienst für Beschäftigte in Gastronomie und Tourismus – Branchen, die von „niedrigen Gehältern und Personalmangel“ geprägt seien.
Die vollständige Befreiung von Trinkgeldern sei eine zentrale FPÖ-Forderung. Wenn Mahrer es ernst meinen würde, hätte er laut Steiner diese Forderung ins Regierungsprogramm aufnehmen müssen. Angesichts der Sparzwänge befürchtet der FPÖ-Politiker sogar zusätzliche Belastungen für die Branche.
Wirtschaftsbund-Support
Erwartungsgemäß erhielt Mahrer Zuspruch vom ÖVP-nahen Wirtschaftsbund, dessen Vorsitzender er ist. In einer Mitteilung verwies der Verband darauf, dass in Zeiten des Arbeitskräftemangels alle Möglichkeiten genutzt werden müssten, „um die Rahmenbedingungen für unsere Mitarbeiter zu verbessern“.
Die steuerfreie Auszahlung von Trinkgeldern bezeichnete der Wirtschaftsbund als „unbürokratischen und wichtigen Schritt“.
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