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ANGST VOR ANSCHLÄGEN?

„Verlegung ist mein Todesurteil“: Radovan Karadžić bangt um eigenes Leben

Radovan-Karadzic-Urteil-Berufung
(FOTO: Wikimedia Commons/ Flickr / International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia)

Der Korrespondent für südosteuropäische Länder, Michael Martens, schreibt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) darüber, dass der verurteilte Kriegsverbrecher Radovan Karadžić aufgrund seiner Verlegung in ein britisches Gefängnis um sein Leben bange.

Über zwei Jahrzehnte nach dem Völkermord in Srebrenica hat das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag das Urteil gegen den früheren Serbenführer Radovan Karadžić im März 2019 verkündet. (KOSMO berichtete) Er wird als politisch Hauptverantwortlicher für den Völkermord von Srebrenica erachtet. Die UN-Schutzzone Srebrenica wurde 1995 von serbischen Einheiten eingenommen. Rund 8.000 muslimische Männer und Burschen wurden ermordet. Das UN-Kriegsverbrechertribunal verurteilte den Ex-Serbenführer im Berufungsverfahren zu lebenslanger Haft.

„Angst um sein Leben“
„Nun hat der Mann, dessen Politik zwischen 1992 und 1995 Zehntausenden bosnischen Muslimen das Leben kostete, offenbar selbst Angst um sein Leben. Der Grund ist die bevorstehende Verlegung in ein Gefängnis in Großbritannien, wo er seine Strafe verbüßen soll“, schreibt Martens für die FAZ. Karadžić und seine Anwälte behaupten, dass er im britischen Gefängnis um sein Leben fürchten müsse. Er drohe zum Opfer von Lynchjustiz muslimischer Mithäftlinge zu werden, betonte Karadžićs Anwalt Peter Robinson.

Aufgrund der Auflösung des UN-Kriegsverbrechertribunals wurde vor rund einer Woche offiziell bestätigt, dass Karadžić in ein Gefängnis im Vereinigten Königreich verlegt wird. Bis dato befanden sich die Verurteilten in einer Haftanstalt unweit des Tribunals. In einem Abkommen haben sich 16 europäische Staaten dazu bereiterklärt, verurteilte Kriegsverbrecher in ihren Gefängnissen unterzubringen

Einspruch gegen Verlegung
Noch bevor die Entscheidung über Karadžićs Verlegung rechtskräftig wurde, kämpften seine Anwälte dafür, dass er nicht nach Großbritannien kommt. Dort befinden sich viele muslimische Häftlinge, weshalb der verurteilte Serbenführer und seine Rechtsvertreter die Angst äußerten, er könne Vergeltungsaktionen durch seine Mithäftlinge zum Opfer fallen.

Sein Anwalt, Peter Robinson verfasste bereits im Jahr 2016 ein Schreiben an jene Institution, die das UN-Kriegsverbrechertribunal ablöste. Darin betonte Robinson, dass „Karadžić kein Problem damit habe, mit Menschen zusammenzuleben, die dem muslimischen Glauben angehören.“ Allerdings sei sein Mandant ein „Symbol für Menschen in muslimischen Ländern, weshalb er einer Umgebung, in welcher ihm Muslime Schaden zufügen könnten, in Gefahr wäre“. Außerdem könnten muslimische Häftlinge in Großbritannien einen Mord an Karadžić als „Krönung während ihrer Gefängniszeit“ verstehen.

Aus diesem Grund war das Anwaltsteam der Meinung, dass eine Verlegung nach Finnland viel sicherer für ihren Mandanten sei. Dort gebe es weniger muslimische Häftlinge.

Karadžić beruft sich auf Causa Krstić?
Karadžić könne sich auf den Fall Radislav Krstić beziehen. Er war während der schlimmen Verbrechen in Srebrenica General und die rechte Hand des Militärführers der bosnischen Serben, Ratko Mladić.

Krstić wurde 1998 verhaftet und sechs Jahre später wegen Mittäterschaft am Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 35 Jahren Haft verurteilt. Der Verurteilte wurde in die englische Stadt Wakefiled verlegt. Laut britischen Medien haben es im Mai 2010 drei islamistische Häftlinge (ein Albaner, ein Nigerianer und ein Brite, der zum Islam konvertierte) geschafft, in Krstićs Zelle zu kommen und ihn mit einer Rasierklinge schwer verletzt. Er überlebte nur knapp.

In späteren Verhandlungen gegen die Täter gaben sie Krstićs Rolle in Srebrenica als Motiv an. Der ehemalige General der bosnischen Serben erhielt 52.000 Pfund Schmerzensgeld und wurde seither mehrfach verlegt. Nach zwei weiteren Aufenthalten in britischen Gefängnissen kam Krstić schlussendlich nach Polen, da man seine Sicherheit in Großbritannien nicht gewährleisten könne.

Einwände abgeschmettert
Laut FAZ-Korrespondent Martens, könne man erwarten, dass Robinson den Fall rund um Krstić als Argument gegen eine Verlegung nach Großbritannien vorbringen wird. „Unter diesen Umständen ist die Entscheidung, Präsident Karadžić nach Großbritannien zu entsenden, gleichbedeutend mit der Todesstrafe“, sagte der Anwalt in einer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Erklärung.

Die Einwände der Anwälte von Karadžić wurden laut BBC abgelehnt. Der britische Außenminister Dominic Raab kommentierte zudem, dass man als Großbritannien stolz darauf sei, „es an der rechtlichen Verfolgung des dunkelsten Kapitels der europäischen Geschichte seit dem Holocaust teilzunehmen“.

Quellen & Links: