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KOLUMNE

„Der vollintegrierte Jugo und der nicht integrationswillige Asylant“

Muamer-Becirovic-Kolumne
(FOTO: zVg.)

Wie schnell sich die Geschichte doch ändern kann. Nachdem 2015 die Flüchtlingskrise ausbrach, wo Syrer, Afghanen und Iraker in Österreich Schutz fanden, hat unsere österreichische Seele den Balkaner buchstäblich zu lieben gelernt.

Und das obwohl er seit mehr als 100 Jahren, seit der Zeit der K.u.K-Monarchie schon längst dazugehört. So ganz warm miteinander wurde man selbst nach den wirtschaftsförderlichen Gastarbeitern trotzdem nicht. Heute ist alles anders. Vorbei ist die Suderei über die mangelnden Deutschkenntnisse, über die komisch klingenden Nachnamen.

Heute gönnt man sich gern die fleischlastige Balkan-Küche, besucht die Jugo durchtränkte Ottakringer Straße, die neuerdings als Wiener Attraktion gilt. Das Ausschreiben und Aussprechen der Nachnamen fällt uns Österreicher auch viel leichter. Da übersieht man auch gerne die Probleme, die auch die Balkan Community hat. Wieso? Ein Grund dafür könnten die neuen Flüchtlinge sein. Deren Aussehen ist noch exotischer, die Nachnamen noch andersklingender, die Sitten und Gebräuche doch unterschiedlicher, als wir es von den Balkanern gewohnt waren. Seit man den Flüchtling aus dem Nahen Osten kennt, hat man den Balkaner zu lieben gelernt.

Wobei ich nichts schönreden will. Auch mit den balkanischen Einwanderern hat es Schwierigkeiten gegeben. Noch immer sind serbisch- und bosnisch- und kroatischstämmige Menschen in der Kriminalstatistik überproportional repräsentiert. Die Integration in den Arbeitsmarkt hat gut stattgefunden, allerdings ist noch viel zu tun, wenn nur 55 Prozent der arbeitsfähigen Serben einen Job haben. Die Bildungsstatistik könnte ebenfalls eine Spur besser sein. Bei den anerkannten Flüchtlingen sind wir allerdings erst am Anfang. Aus dem Erfahrungsschatz der Ex-Yu-Community könnte man lernen.

Man muss für ein förderliches Miteinander zwei Herangehensweisen miteinander kombinieren, wenn man gutes Zusammenleben erhalten will: Die Kritik und wahrhaftige Behebung von Fehlentwicklungen an gewissen Zuständen auf der einen Seite. Und gleichzeitig muss auf der anderen Seite ein gemeinsames Narrativ einer Gesellschaft geschaffen und ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Wertvollseins vermittelt werden. Die Geschichte zeigt es uns ein sich fast immer wiederholendes Exempel: Zuerst exkludiert man Communities, daraufhin inkludiert man sie. Man muss nur geduldig sein und Willen zeigen.

Die Meinung von Kolumnisten muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.