Ein Ei, das weder gegessen noch verschenkt wird, sondern ein Jahr lang als stiller Beschützer dient – der vergessene Brauch des Haushüter-Eis lebt in manchen Familien fort.
Das Haushüter-Ei
Während in den Tagen vor Ostern fleißig Eier gefärbt und Festtafeln vorbereitet werden, gerät ein besonderes Ei oft in Vergessenheit. Es ist jenes, das weder verzehrt noch zerbrochen oder verschenkt werden darf – das sogenannte „Cuvarkuca“ (traditionelles Schutz-Ei im südosteuropäischen Raum) oder Haushüter-Ei. Nach altem Volksglauben besitzt dieses Ei besondere Kräfte, die Heim und Familie das ganze Jahr über vor Unheil bewahren sollen.
Was genau hinter diesem besonderen Ei steckt und warum es in vielen Haushalten noch immer einen Ehrenplatz erhält, erklärt Sasa Sreckovic, Ethnologe und Museumsberater am Ethnografischen Museum: „Das Cuvarkuca oder auch Cuvadar genannt ist das allererste Ei, das am Karfreitag oder bereits am Gründonnerstag gefärbt wird.“ Dieses besondere Ei wird nicht verwendet, sondern an einem speziellen Platz im Haus aufbewahrt – und zwar bis zum nächsten Osterfest. Der Überlieferung nach schützt es die Hausbewohner vor jeglichem Unglück.
Traditionell präsentierte sich das Haushüter-Ei in schlichtem Gewand. „Früher wurde das Cuvarkuca nicht verziert, sondern erschien meist in kräftigem Rot“, erläutert Sreckovic. ⇢ Orthodoxes Ostern: Die wichtigsten Bräuche für Glück und Wohlstand in der Familie! „Diese Farbe symbolisiert einerseits das Blut Christi, steht aber gleichzeitig für neues Leben und Vitalität. Diese tiefe Symbolik hat sich bis heute erhalten, weshalb auch in modernen Haushalten das Haushüter-Ei vorzugsweise in Rot erstrahlen sollte.“ Bemerkenswert ist auch, dass nicht mehrere Eier für diesen Zweck gefärbt wurden – ausschließlich das erste erhielt diese besondere Bedeutung und Kraft.
Rituelle Anwendung
Am Ostermorgen rankt sich ein weiterer Brauch um das magische Ei, der mancherorts noch lebendig ist: „Die Familienmitglieder waschen sich mit dem Wasser, in dem das Cuvarkuca gefärbt wurde – ein Ritual für Gesundheit und Wohlstand im kommenden Jahr“, verrät der Ethnologe. Die Symbolik dieses Brauchs ist vielschichtig: Das Wasser, das mit dem Ei in Berührung kam, soll dessen Lebenskraft übertragen, während der Waschvorgang symbolisch alles Negative abspült und Raum für Gesundheit schafft.
Eine Frage, die viele Haushalte beschäftigt: Was geschieht mit dem Vorjahres-Cuvarkuca, wenn ein neues seinen Platz einnimmt? Es einfach wegzuwerfen erscheint pietätlos, doch mehrere aufzubewahren entspricht nicht der Tradition. „In vielen Regionen wurde das alte Haushüter-Ei im Garten vergraben, typischerweise am äußersten Rand“, erklärt Sreckovic. ⇢ Tod vor Ostern: Orthodoxer Priester klärt auf, ob Eierfärben erlaubt ist „Dieser Akt sollte Fruchtbarkeit und Schutz für das Grundstück bringen.“ Symbolisch gibt man der Erde zurück, was ein Jahr lang als Beschützer gedient hat.
Regionale Unterschiede und heutige Praxis
Die Tradition des Čuvarkuća-Eis hat besonders in Serbien, Kroatien und Teilen Bosniens tiefe Wurzeln. In diesen Regionen wird das Ei üblicherweise am Karfreitag rot gefärbt und erhält dann einen Ehrenplatz bei den Familienikonen, wo es das ganze Jahr über verbleibt. Auch in österreichischen Gemeinden mit serbischem oder kroatischem Hintergrund wird der Brauch vereinzelt fortgeführt und dient oft als identitätsstiftendes Element, das Familien mit ihren kulturellen Wurzeln verbindet.
In ländlichen Gebieten Südosteuropas ist besonders das rituelle Vergraben des alten Eis im Garten nach wie vor lebendig. Dieser Brauch soll dem Grundstück Schutz und Fruchtbarkeit verleihen – ein anschauliches Beispiel dafür, wie vorchristliche Fruchtbarkeitsriten mit christlichen Traditionen verschmolzen sind und bis heute überdauern.
Vergessene Bräuche
Es existieren noch weitere, heute fast vergessene Überlieferungen, die zeigen, wie tief die Symbolik der Ostereier einst im Alltag verankert war. „Eine solche Tradition war das Ausstreuen der Eierschalen über Ameisenhaufen – man glaubte fest daran, dass dies die Legefreudigkeit der Hühner in der kommenden Zeit steigern würde“, berichtet Sreckovic. Diese alten Bräuche, obwohl heute kaum noch praktiziert, verdeutlichen die einstige enge Verflechtung von Religion, Naturverbundenheit und Alltagsleben, die in nahezu jedem Haushalt spürbar war.
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