Start Politik
INTERVIEW

Wien-Wahl: „Es geht um viel, es geht um Wien“

(FOTO: KOSMO)

Angesichts der Corona-Krise und der bevorstehenden Wien-Wahl im Oktober trafen wir Barbara Novak, Landesparteisekretärin der SPÖ Wien, zum Gespräch.

KOSMO: Wegen der Corona-Krise müssen heuer am 1. Mai der traditionelle Maiaufmarsch und das Maifest im Prater abgesagt werden. Wichtige Veranstaltungen, welche ausgerechnet im Wahljahr fehlen werden?
Barbara Novak:
Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber die Vorschriften sind eindeutig. Und natürlich geht die Gesundheit aller vor. Aber: Nur weil der Maiaufmarsch am Rathausplatz heuer nicht stattfinden kann, heißt das nicht, dass wir uns diesen Feiertag nehmen lassen. Im Gegenteil, es findet ein alternatives Programm statt – samt innovativer Mitmachmöglichkeiten. Zentrales Element ist eine TV-Sendung ab 10.30 Uhr auf unserer Website spoe.wien und auf den drei Fernsehsender Puls24, OE24 und W24, in deren Rahmen der Maiaufmarsch samt Reden von Bürgermeister Dr. Michael Ludwig und anderer SPÖ-PolitikerInnen in die Wohnzimmer der Wienerinnen und Wiener übertragen wird. Statt dem Maifest wird am Nachmittag des 1. Mai ein Online-Konzert auf W24 und auf unseren SocialMedia-Kanälen veranstaltet. Man sieht also, unsere politische Arbeit steht wegen der Pandemie nicht still. Wir passen uns an und entwickeln uns weiter!

 Sie haben sich klar gegen die „Stopp Corona App“ ausgesprochen. Warum?
Wogegen ich mich nachdrücklich ausgesprochen habe, waren die Pläne von ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, diese Stopp Corona App verpflichtend vorzuschreiben. Das geht einfach nicht, weil es ein zu tiefer Eingriff in die Grundrechte wäre. Abgesehen davon ist diese App alles andere als ein Allheilmittel:  Sie ist technisch unausgereift, die Praxistauglichkeit ist umstritten und datenschutzrechtlich sind viele Fragen offen. Solange letztere nicht völlig ausgeräumt sind, bleibt es bei einem Nein!

„Entschlossen für Wien“ – was dürfen wir uns unter diesem Motto vorstellen?
Das ist das Motto unseres Bürgermeister, Dr. Michael Ludwig, der Mitte Februar im Rahmen einer eigenen Veranstaltung dargestellt hat, welche Themen ihm für die Wienerinnen und Wiener besonders am Herzen liegen. Entschlossen zu sein, ist wichtig, wenn es darum geht, eine Millionenmetropole wie Wien in die Zukunft zuführen. Entschlossen, das ist unsere aktive Herangehensweise an zentrale Bereiche: Arbeit, Bildung, Gesundheit und Pflege, Sicherheit, Wohnen – alles, was das leistbare und soziale Wien ausmacht. Hier gilt es das Leistungsniveau weiter auszubauen und für die Zukunft abzusichern.  Während es andere bei bloßen Ankündigungen belassen, setzen wir schon jetzt um – von der Gratisganztagsschule, über die Pflege- und Lehrplatzgarantie bis hin zu Wien-Bonus für hier ansässige Betriebe.

“ Migrantinnen und Migranten Sind ein ganz wichtiger Teil der Wiener Gesellschaft. Unter ‚Wienerin und Wiener‘ verstehen wir alle, die hier zu Hause sind und sich hier eine Existenz aufgebaut haben.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie – politisch gesehen – zurzeit den taffesten Job in Österreich haben? Es geht schlussendlich um die Existenz der Sozialdemokraten in Wien.
Nein. Also ich bin in der glücklichen Lage, dass die Zukunft der Sozialdemokratie nicht von mir abhängt. In Wien sind es Tausende Aktivistinnen und Aktivisten, die gemeinsam mit mir, für unseren Spitzenkandidaten, Bürgermeister Dr. Michael Ludwig kämpfen. Abgesehen davon haben den taffsten Jobs in unserer Gesellschaft andere. Es sind die Heldinnen und Helden des Alltags, die in diesen schwierigen Zeiten täglich ihren Beitrag leisten: Im Gesundheits- und Pflegewesen, an den Supermarktkassen und überall dort, wo es darum geht, dass unser aller Leben so normal wie möglich weiterläuft.

Wie ist die Atmosphäre innerhalb der Wiener SPÖ?
Sie ist ausgezeichnet und das hat sich zuletzt bei der Klubtagung gezeigt. Allen ist bewusst, dass es bei der Wien-Wahl sprichwörtlich um alles geht. Wir haben ja in Wien 24 Wahlkämpfe gleichzeitig zu schlagen. Denn bei dieser Wahl geht es auch darum, die 23 Wiener Bezirke zu erobern oder zu halten. Das alles bedeutet natürlich eine immense Herausforderung. Aber in solchen Situationen läuft die Wiener Sozialdemokratie immer zu Höchstleistungen auf – in der Vergangenheit und gerade jetzt!

Innerhalb der Bezirken hat mein ein anderes Gefühl?
Alle 23 Bezirksorganisationen haben unterschiedliche Kulturen. Ich bin regelmäßig vor Ort und es ist für mich immer wieder auch spannend zu beobachten, wie sich Sitzungen „hier“ und „da“ gestalten. Diese gelebte Vielfalt schätze ich sehr. Denn eben weil die Wiener SPÖ eine so bunte Bewegung ist, spiegelt sie eben die ganze Vielfalt der Millionenstadt Wien wider – all die vielen unterschiedlichen Milieus, Grätzl und Lebensbereiche. Debatten lassen sich dabei nicht ganz ausschließen, das gehört zum Leben dazu.

Bei der Nationalratswahl 2019 war die SPÖ in Wien bei 27,1 %. Das sind doch keine guten Vorzeichen für die Wien Wahl?
Die Nationalratswahl und die Wien-Wahl sind zwei komplett unterschiedliche Dinge. So sehen es auch die Wienerinnen und Wienern. Die Wähler wissen hier genau zu unterscheiden. Wenn sie zur Wien-Wahl gehen, dann wählen sie vor allem auch jene Partei, die den Wiener Bürgermeister stellen soll. Würde letzterer direkt gewählt, dann würde Dr. Michael Ludwig je nach Umfrage an die 50 Prozent bekommen. Das ist ein großer Vertrauensbeweis und zeigt, dass die geleistete Arbeit wertgeschätzt wird. Für uns ist das aber kein Grund, uns auf den Lorbeeren auszuruhen. Im Gegenteil, wir werden bis zum Wahltag um jede einzelne Stimme kämpfen!

Die SPÖ versucht mit den Themen Wohnen, Pflege oder Bildung bei den Wählern zu punkten. Kommen diese bei den Wählerinnen und Wählern an?
Ja, auf jeden Fall. Zu den wichtigsten Themen der Wienerinnen und Wiener zählen leistbares Wohnen, ein gutes Bildungssystem und die Sicherung des Gesundheits- und Pflegesystems. Vor allem aber werden uns die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie noch lange beschäftigen. Viele Menschen haben Jobs oder gar Existenzen verloren. Für sie alle werden wir uns ganz besonders einsetzen. Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz, niemand wird alleine gelassen. Das haben wir schon vor der Krise so gehalten und das gilt jetzt umso mehr!

Planen Sie auch einen Wahlkampf mit dem Fokus auf die Communitys, z.B. BKS?
Ja, das ist immer ein Thema, weil Migrantinnen und Migranten ein ganz wichtiger Teil der Wiener Gesellschaft sind. Gerade unser Bürgermeister ist einer, der sich als Bürgermeister aller Wienerinnen und Wiener begreift. Unter „Wienerin und Wiener“ verstehen wir alle, die hier zu Hause sind und sich hier eine Existenz aufgebaut haben. Deswegen machen wir Politik ganz bewusst für alle Menschen, die in Wien leben – unabhängig von ihrer ursprünglichen Herkunft.

(FOTO: KOSMO)

Sie wollen die FPÖ-Wähler in Wien für die SPÖ gewinnen. Wie wollen Sie das umsetzen? Härtere Ausländerpolitik?
Die oft geäußerte Ansicht, dass die FPÖ gewählt wird, weil sie eine gewisse Ausländer- oder Integrationspolitik verfolgt, stimmt so nicht. Natürlich schürt diese Partei Konflikte und stigmatisiert Menschen zu Sündenböcken. Aber im persönlichen Gespräch wird deutlich, dass oft soziale Fragen, den Ausschlag dafür geben, warum jemand blau wählt. Es ist der Neoliberalismus, der die Menschen gegeneinander ausspielt und in Konkurrenz zueinander bringt. Das befeuert soziale Konflikte. Deshalb müssen wir jene die für die FPÖ empfänglich sind, ganz konkret ansprechen und ihnen zeigen, dass wir für sie da sind. Von der FPÖ haben sie nichts zu erwarten, vor allem keine Lösungen. Die bekommen sie in erster Linie von der Sozialdemokratie.

Wie kommentieren Sie HC Straches Rückkehr auf die politische Bühne?
Das ist einfach nur mehr absurd und zeigt, wie weit weg Strache von der Realität ist. Abgesehen davon ist die Ibiza-Video-Affäre für ihn noch alles andere als ausgestanden. Demnächst geht der Untersuchungsausschuss im Parlament los. Es wird spannend, das weiter zu verfolgen. Für Wahlkampf wird Strache da kaum Zeit bleiben.

„Es sind die Heldinnen und Helden des Alltags, die in diesen schwierigen Zeiten täglich ihren Beitrag leisten: Im Gesundheits- und Pflegewesen, an den Supermarktkassen und überall dort, wo es darum geht, dass unser aller Leben so normal wie möglich weiterläuft.“

Die sogenannte „Dirndl-Koalition“ ist eine reale Gefahr für die SPÖ in Wien. Wie möchten Sie diese verhindern?
Mit solchen Gedankenspielen halten wir uns nicht auf. Das einzige, was jetzt für uns zählt, ist, ein gutes Wahlergebnis zu erzielen. Wir wollen klar stärkste Kraft werden. Niemand soll an der SPÖ vorbei den Bürgermeister stellen können. Man darf sich nämlich nichts vormachen. Sollten ÖVP und Neos einen Weg sehen, einen roten Bürgermeister zu verhindern, würden sie das tun. Mit der ÖVP am Ruder in Wien kämen Privatisierungen, Sozialabbau und Leistungskürzungen wie das Amen im Gebet. Soweit darf es niemals kommen! Und genau dafür braucht es eine starke Sozialdemokratie!

Welche Koalition wünschen Sie sich für Wien?
Wir arbeiten mit den Grünen konstruktiv zusammen. Koalitionen sind freilich keine „Liebeshochzeiten“, sondern politische Zweckbündnisse auf Zeit. Natürlich gibt es auch Diskussionen, vor allem in der Verkehrspolitik und in der Stadtplanung. Aber eines ist klar: Wie es in Zukunft weitergeht, das ist offen. Vor Wahlen über mögliche Koalitionen zu spekulieren, ist müßig. Was jetzt zählt, ist, erster zu werden! Und genau daran arbeiten wir, dem widmen wir uns mit ganzer Kraft. Schließlich geht es um viel, es geht um Wien!