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REPORTAGE

Wiens Betrugsszene: Was spielt sich in den dunkelsten Gassen der lebenswertesten Stadt der Welt ab?

Der Verkauf von Autos – E. M.
Betrug ist im Autohandel sehr häufig, und als wir das Material für diese Reportage zusammentrugen, hörten wir von mehr als einem Fall. Die meisten gehen nach derselben Methode vor.

„Als meine Frau ein eigenes Auto haben wollte, vereinbarten wir, dass es nicht zu teuer sein dürfe, solange sie noch keine Fahrpraxis hatte. Sie machte sich auf die Suche und erzählte mir nach ein paar Tagen, dass sie für nur 3.000 Euro auf Willhaben genauso einen Wagen gefunden hatte, wie sie ihn sich wünschte. Der Verkäufer war unser Landsmann, der behauptete, das Auto hätte zuvor seiner Frau gehört und sei völlig in Ordnung. Wir kauften es, meine Frau fuhr los, obwohl das Auto ‚stotterte‘ und eindeutig einen Mechaniker benötigte. Wir brachten es in eine Werkstatt und waren geschockt, als uns der Meister sagte, dass er es nicht in den Straßenverkehr lassen könnte, denn es stellte eine Gefahr für andere Fahrer dar. Über die Dokumente fanden wir den Vorbesitzer und erfuhren, dass er das Auto für 300 Euro als Schrott verkauft hatte, von dem nur noch ein paar Teile verwendbar waren. Den Vertrag, den er mit dem Käufer geschlossen hatte, hatte dieser gefälscht, das Auto ein bisschen aufpoliert und überlackiert und dann an uns verkauft. Wir versuchten, mit dem Betrüger zu reden, aber das alles wurde zu einem Alptraum, denn er beleidigte und bedrohte uns, und dann war er telefonisch nicht mehr erreichbar. Wir zeigten den Fall bei der Polizei an. In der Zwischenzeit haben wir erfahren, dass das organisierte Betrügereien sind, die oft mit Gewalt verbunden sind. Es sieht ganz so aus, als ob wir unser Geld nicht zurückbekommen, aber zum Glück ist meiner Frau nichts passiert.“

ARBEIT:
„Die Betrügerin war für kriminelle Autoverkäufe, Fälschung von Papieren und Scheinehen bekannt. Wir haben eine Gruppe ihrer Opfer gegründet. Einigen hat sie bis zu 5.000 Euro abgenommen.“ (FOTO: Amel Topcagic)

Wohnungen aus dem Internet – N. D.
Da Maklerprovisionen hoch sind, ist es günstiger, eine Wohnung direkt vom Besitzer zu mieten. Allerdings sind die Anzeigen im Internet manchmal ein Köder für Leichtgläubige.

„Weil mein Partner und ich aus Oberösterreich nach Wien übersiedeln wollten, haben wir begonnen, über Anzeigen eine Wohnung zu suchen. Unser Ziel war es, ein privates Angebot zu finden, um die Maklerprovision zu umgehen. Unser Glück kannte keine Grenzen, als wir im Internet auf eine Anzeige stießen, in der eine Luxuswohnung von 45 m² im ersten Bezirk angeboten wurde. Auf den Bildern sah alles märchenhaft aus, vor allem aber der Preis von 450 Euro brutto plus eine Kaution von 2000 Euro. Wir haben sofort eine E-Mail geschrieben, denn es war keine Telefonnummer angegeben. Schnell erhielten wir Antwort von der Besitzerin, dass das Interesse hoch sei, dass wir aber in die engere Wahl gekommen seien. Sie schrieb noch, sie würde für zwei Jahre beruflich nach Italien gehen und wollte in ihrem kleinen Reich Menschen haben, die gut darauf aufpassten. Zwei Tage später erhielten wir eine Nachricht mit einer Kontonummer und der Anweisung, die Kaution und die erste Miete zu überweisen. Wenn wir die Bestätigung über diese Transaktionen schicken würden, würden wir einen Termin für die Schlüsselübergabe vereinbaren. Ich gebe zu, dass wir bereits begonnen hatten, die Überweisung zu machen, als wir uns im letzten Moment entschieden, uns in den Zug zu setzen und das Geld direkt zur Vermieterin zu bringen, was wir ihr auch schrieben. Ich glaube, Sie ahnen schon, dass wir auf diese Nachricht keine Antwort erhielten und die Anzeige aus dem Internet verschwand.“

Erpressung – J. R.
Auch Empfehlungen oberflächlicher Bekannter können riskant sein, denn Opfer werden oft auf unterschiedliche Weise gesucht. Manchmal gerät man in gefährliche Situationen, weil die Verbrecher nicht von ihrer Beute lassen.

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Ilija Tufegdžić ist einer der bekanntesten Sicherheitsexperten aus unserer Community. Jahrelang bewachte er Botschaften, Konsulate, riesige Konzerte, bekannte Clubs, Politiker und Sänger wie Ceca Svetlana Ražnatović. Der Besitzer der Cerberus Akademie, die profesionelle Personenschützer in Wien ausbildet, spricht im Interview über die aktuelle Sicherheitslage in Wien – angefangen von der Jugendkriminalität, den U-Bahn-Securitys bis zu den Drogendealerbanden auf der Thaliastraße.

 

„Nach der Beendigung einer Beziehung musste ich eine Wohnung finden. Ich fragte überall herum und da empfahl mir ein Mädchen, das ich kaum kannte, mich an ihren – natürlich ganz ehrlichen – Freund zu wenden. Bei dem vereinbarten Treffen erwartete mich ein Afghane, der auf den ersten Blick nicht vertrauenerweckend wirkte. Er zeigte mir eine kleine, sehr unkomfortable Wohnung, aber weil ich es eilig hatte, sagte ich, ich würde sie nehmen. Er forderte dafür 550 Euro monatlich und dazu drei Monatsmieten Kaution. In den nächsten beiden Tagen borgte ich mir etwas Geld aus, den größten Teil schickten mir meine Eltern. Aber dann überlegte ich es mir anders, denn ich hatte eine Vereinbarung mit meinem Ex-Partner getroffen. Also rief ich den Afghanen an, entschuldigte mich und sagte ihm, dass ich auf seine Wohnung verzichten würde. Er reagiert wütend, beschimpfte mich und forderte, dass ich ihm innerhalb von sieben Tagen meine angeblichen Schulden von 2.200 Euro zahlen sollte. Er begann, mich zu belästigen und zu bedrohen und ich bekam Angst. Ich zeigte ihn nicht bei der Polizei an, denn ich kannte seinen vollen Namen nicht und ich erwartete, dass er sich beruhigen würde. Nach ein paar Tagen entdeckte ich ihn im Eingang des Hauses, in dem ich wohnte. Leise, wie in einem schlechten Krimi, befahl er, dass ich in meine Wohnung gehen sollte, und er folgte mir. Er setzte sich und begann aufzuzählen, was er mit mir tun würde, wenn ich ihm nicht sofort das Geld gäbe. Ich sagte ihm, dass das Geld auf einem Bankkonto sei und er ordnete an: Gehen wir zur Bank! Ich ging los und er stand hinter mir, als ich das Geld abhob. Ich habe 2.200 Euro Lehrgeld bezahlt und er ist verschwunden, genau wie die Bekannte, über die ich ihn kennengelernt hatte.“

AUTOS Meistens gehen die Betrüger nach denselben Methoden vor.

Geld für einen Arbeitsplatz – N. G.
Oft findet man Arbeit über Empfehlungen, aber Arbeitsplätze werden nicht verkauft. Betrüger versuchen jedoch auf alle möglichen Arten, zu Geld zu kommen.

„Ich bin in bester Absicht in diesen Betrug hineingeraten. Eine Frau unserer Herkunft, die ich oberflächlich kannte, bot mir an, mich in einer Krankenhausapotheke unterzubringen, wo angeblich drei Frauen zur Verpackung von Medikamenten gesucht wurden. Ich sagte ihr, dass ich arbeite, dass ich aber eine arbeitslose Freundin hätte. Deren Telefonnummer gab ich ihr in der Überzeugung, damit etwas Gutes zu tun. Allerdings forderte diese ‚Wohltäterin‘ von meiner Freundin 300 Euro und bekam sie auch, weil sie behauptete, dass sie das Geld der Chefin der Apotheke geben müsse. In der Zwischenzeit forderte sie weiteres Geld und verschob den ersten Arbeitstag, was der betrogenen Frau die Augen öffnete. Sie beschloss, einen Schlussstrich unter diese Geschichte zu ziehen. Ich fühlte mich verantwortlich. Darum rief ich sie an und wurde Mitglied in der FB-Gruppe „Prevaranti u Beču“, wo ich meinen Fall darlegte. Ich erfuhr, dass die betreffende Dame wegen verschiedener Betrügereien Thema in dieser Gruppe war (Autoverkäufe, das Arrangieren von Papieren, Scheinehen). Wir haben eine Gruppe ihrer Opfer gebildet, von denen sie einigen bis zu 5.000 Euro abgenommen hat. Wir haben ihr Bild veröffentlicht, worauf hin sie angefangen hat, die Leute anzurufen und ihnen zu drohen. Sie hat auch mich von gefälschten FB-Profilen aus bedroht, aber ich habe nicht nachgegeben und habe es nicht aufgegeben, Gerechtigkeit zu fordern. Als sie sah, dass wir nicht aufgeben, hat sie meiner Freundin das Geld zurückgegeben.“

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.