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INTERVIEW

Amela Pokorski: „Beč gehört uns allen“

Fotos: Anothereperspective.com

Amela Pokorski (57) ist Spitzenkandidatin für KPÖ/Links bei der kommenden Bezirksvertretungswahl in Wieden und kandidiert am 6. Platz der Wien-Wahl-Liste. Ihr Ziel: „Mit LINKS in den Landtag einziehen“.

Wer sich mit der Politik im vierten Wiener Gemeindebezirk Wieden beschäftigt, kommt an ihr nicht vorbei: Amela Pokorski – Dolmetscherin, Anthropologin und Deutschlehrerin – ist seit fast neun Jahren eine der engagiertesten Bezirksrätinnen. Mit rund 300 Anträgen allein in den letzten fünf Jahren gilt sie als die fleißigste Mandatarin der Wieden.

Geboren in Bosanska Krupa (im heutigen Bosnien-Herzegowina), kam Amela bereits als Einjährige mit ihrer Familie nach Wien. „Meine Familie gehörte zu den ersten, die im Zuge des Gastarbeiter-Abkommens nach Österreich kamen. Wir waren unter den ersten 20.000 sogenannten Exoten, die man hier zum Arbeiten holte – und die man Tschusch schimpfte“, erzählt sie. „Von klein auf war ich es gewohnt, anders behandelt zu werden, mich doppelt beweisen zu müssen und nichts geschenkt zu bekommen.“ Ein prägendes Erlebnis – und der Grund, warum sie später in die Politik ging.

KOSMO: Bevor wir zur Politik kommen: Wie war es, als Gastarbeiterkind im Wien der 1970er Jahre aufzuwachsen?
Amela Pokorski: Schon als Kind spürte ich, wie sehr Politik unser Leben bestimmt. Ich fragte mich oft: Warum schuften meine Eltern, machen Überstunden – und wir haben trotzdem weniger als andere? Als ich ins Gymnasium auf der Schmelz wollte, stellte man mir Steine in den Weg. Man sagte, man habe „keine Erfahrung mit Ausländerkindern“. Es brauchte die Unterstützung einer österreichischen Ärztin, die mit mir zur Schulleitung ging – nur so durfte ich dorthin.

Fotos: Anothereperspective.com

Wann hast du begonnen, dich politisch zu engagieren?
Amela Pokorski: Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien war der Auslöser. Ich sah, wie Nationalismus ganze Länder zerstörte und unser Zusammenleben vergiftete. Für mich stand fest: Ich will politisch aktiv werden – aber nicht in den klassischen Folklorevereinen der Diaspora. Zuerst versuchte ich es bei der SPÖ, fand dann aber meine politische Heimat bei den Grünen. Ich war die einzige Bezirksrätin mit Migrationshintergrund im Bezirksparlament der Wieden.

Seit fünf Jahren bist du für LINKS aktiv und heute eine der drei Sprecher:innen der Partei. Warum LINKS?
Amela Pokorski: Weil die Partei meine Herzensthemen vertritt: Feminismus, mehr Demokratie und echte Teilhabe für alle. Wien darf nicht den Eliten überlassen werden – wir müssen uns unsere Stimme immer wieder erkämpfen. Schließlich sind wir alle Wien. Oder, wie wir sagen: Wir sind alle Beč. Bei LINKS sprechen Betroffene für sich selbst, niemand übernimmt das für sie. Das ist gelebte Demokratie – und deshalb ist LINKS meine politische Heimat.

Wir stehen für echte Beteiligung und mehr Demokratie für alle.

Mit 300 Anträgen bist du die umtriebigste Bezirksrätin der Wieden. Gibt es einen Erfolg, auf den du besonders stolz bist?
Amela Pokorski: Definitiv die „Arbeitsgruppe Karlsplatz“. Während der Corona-Zeit gab es viel Aufregung um die Partys dort. Unser Vorschlag war eine überparteiliche Arbeitsgruppe mit externen Expert:innen – das war ein Durchbruch. Heute hat sich die Lage am Karlsplatz spürbar beruhigt. Die Arbeitsgruppe zeigt beispielhaft, wieso wir mehr Bürger:innen und Expert:innen Zugang zu politischen Gremien verschaffen sollten. Ohne sie wird wieder nur über die Köpfe der Leute und nicht mit ihnen gemeinsam bestimmt.

Du unterrichtest beruflich Deutsch als Fremdsprache. Wie beeinflusst das deine politische Arbeit?
Amela Pokorski: Das gibt mir direkten Einblick in die Probleme von Neuankommenden in Wien. Ich sehe täglich, wo es hapert und was es braucht, um wirklich Teil dieser Gesellschaft zu werden. Besonders traurig ist die Situation Geflüchteter, die unter dem Stopp des Familiennachzugs leiden. Für uns als LINKS ist klar: Bei Menschenrechten gibt es keine Kompromisse. Auch hier wollen wir eine starke Gegenstimme sein.

Gemeinsam mit der KPÖ tretet ihr bei den Wiener Landtagswahlen an. Warum sollte man euch wählen?
Amela Pokorski: Weil wir frischen Wind bringen – eine echte Alternative zur Machtkonzentration der etablierten Parteien. Selbst die SPÖ, die historisch viel für diese Stadt geleistet hat, braucht Kontrolle und Druck von LINKS. Die Kleingarten-Affäre hat gezeigt, wie schnell Macht korrumpiert. Wir wollen Wien sozialer und gerechter machen – für alle, die hier leben.