Judith Pühringer, Spitzenkandidatin der Grünen bei der kommenden Wien-Wahl, setzt sich seit Jahren für die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung ein. Im Gespräch mit KOSMO spricht sie über leistbares Wohnen, Klimapolitik, Integration und die Rolle der Ex-YU-Community in Wien.
Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten sozialen Herausforderungen in der Stadt, und wie will Ihre Partei darauf reagieren?
Judith Pühringer: Wien galt jahrzehntelang als Hochburg des leistbaren Wohnens. Diese Gewissheit geht gerade verloren. Das Zuhause wird für immer mehr Menschen in Wien zu teuer. Unser Ziel ist, dass niemand mehr als ein 1/4 des Einkommens für das Wohnen ausgeben muss. Im Bildungsbereich gibt es viel aufzuholen nach 5 Jahren Rot-Pink. Mehr und besser bezahlte Lehrer:innen und Pädgagog:innen im Kindergarten, mehr Deutschförderung, mehr Schulsozialarbeit. Auch im Klimaschutz braucht die Stadt mutige Schritte: Ein begrünter Gürtel, ein renaturierter Wienfluss, mehr Öffis in den Außenbezirken, 100.000 neue Bäume, mehr Photovoltaik auf Wiens Dächern.
Wie wollen die Grünen verhindern, dass Klimapolitik zur sozialen Frage wird?
Judith Pühringer: Wir Grüne bringen Klimaschutz und Soziales immer zusammen. Denn Klimaschutz ist Menschenschutz. Unter den Hitzeperioden leiden vor allem jene Menschen, die sich keine Klimaanlage leisten können oder keinen Balkon haben. Wir wollen in den nächsten 5 Jahren 100.000 neue Bäume für Wien, denn diese sind Schutzschilder gegen die Hitze. Wir haben ein großes Öffi- Paket mit 17 neuen Straßenbahnen vorgelegt, um mehr Menschen vom Umstieg auf die Öffis zu überzeugen. Ein Tunnel unter dem Nationalpark ist für den Klimaschutz völlig kontraproduktiv.

Die Teuerung betrifft alle, aber besonders armutsgefährdete Gruppen. Wie bewerten Sie die bisherigen Maßnahmen der Stadt Wien – und wo sehen Sie Nachbesserungsbedarf?
Judith Pühringer: Besonders beim leistbaren Wohnen braucht es Nachbesserungsbedarf. Das Zuhause ist zu teuer, viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten. Wir wollen, dass niemand in Wien mehr als ein Viertel fürs Wohnen ausgeben muss. Dafür braucht es 35.000 leistbare Wohnungen mehr in Wien, eine Leerstandsabgabe und einen Stopp von gewerblicher Airbnb-Vermietung.
Im Gemeinderat gibt es viele Diskussionen rund um Integration, Diversität und Chancengleichheit. Was läuft in Wien gut – und was müsste sich Ihrer Meinung nach strukturell verändern?
Judith Pühringer: Die Perspektive auf eine Staatsbürgerschaft kann ein wichtiger Motor für eine gelungene Integration sein. Die derzeitigen Einbürgerungs-Verfahren sind dafür aber viel zu langwierig, teuer und kompliziert. Viele Menschen, die seit vielen Jahren oder sogar schon seit ihrer Geburt in Wien leben, dürfen nicht an Wahlen teilnehmen. Wir wollen mit schnelleren, transparenteren und einfacheren Verfahren die gesellschaftliche Teilhabe, unsere Demokratie und den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt fördern. Wenn wir mehr bieten, aber auch mehr fordern, schaffen wir die Grundlage dafür, dass sich Mensche als Teil dieser Gesellschaft fühlen können – mit Rechten, Pflichten und Perspektiven.
„Das Zuhause ist zu teuer, viele können sich ihre Mieten nicht mehr leisten. Wir wollen, dass niemand in Wien mehr als ein Viertel fürs Wohnen ausgeben muss.”
Wien ist die größte „Balkan-Metropole“ außerhalb Ex-Jugoslawiens. Welche Rolle spielt die Ex-Yu-Community für das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben der Stadt – und wird sie aus Ihrer Sicht politisch ausreichend repräsentiert?
Judith Pühringer: Alle Zuwander:innen aus dem Westbalkan zusammen machen in Wien nach den Deutschen die größte zugewanderte Gruppe aus. Die „Ex-YU-Community“ spielt gerade im kulturellen Bereich eine sehr große Rolle – man denke nur an die im wienerischen genannte „Balkanmeile“ Ottakringerstraße. Viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien sind erfolgreiche Unternehmer:innen und in der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Sie tragen maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg von Wien bei. Bei den Grünen sind sowohl auf kommunalpolitischer Ebene in den Bezirken, aber auch im Wiener Landtag Personen mit Migrationshintergrund aktiv, prominent ist die Bosnierin Alma Zadic. Die JugÖs bilden eine eigene Gruppe innerhalb der Grünen Partei.
Viele Menschen mit Ex-Yu-Wurzeln arbeiten in sozialen Berufen, der Pflege oder im Handwerk. Wie kann die Stadt Wien diese Gruppen gezielter unterstützen – etwa bei beruflicher Anerkennung, Weiterbildung oder politischer Partizipation?
Judith Pühringer: Ohne Menschen, die u.a. aus dem Balkan nach Wien gekommen sind, wäre gerade im Pflegebereich vieles nicht mehr möglich. Viele dieser Fachkräfte wurden in Wien ausgebildet, aber natürlich braucht es darüber hinaus eine Erleichterung bei der Anerkennung von Ausbildungen, bei der Nostrifizierung.
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