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REPORTAGE

Božidar Spasić: „Ich war ein jugoslawischer Agent“

Teile und herrsche!
Auf die Frage nach den Gefahren, die lauern, erhalten wir die Antwort, dass kein Informant jemals ganz sicher sein kann. Wenn er sich zum Beispiel irgendwo mit jemandem getroffen hat, der ihm Informationen über jemand anders gab, der einen terroristischen Akt plante, dann konnte er nicht hundertprozentig sicher sein, dass der das nicht schon jemand anderem erzählt hatte oder dass er nicht für irgendeine andere Polizei arbeitete und dass die vielleicht mehr wusste, als gut war.

„Normalerweise waren es unsere Landsleute, aber ich muss sagen, dass uns auch Ausländer geholfen haben. Natürlich hatten wir auch Kooperationen mit ausländischen Diensten. Jedes Jahr hatten wir fünf bis sechs Treffen mit ihnen. Die Franzosen waren von der Durchführung unserer Gegenpropaganda innerhalb der terroristischen Kreise begeistert, vor allem, weil wir damit niemandem Ärger machten. Sie betonten, es sei unwahrscheinlich, was für einen Apparat wir hatten, denn wir hatten die Emigration so sehr gegeneinander aufgehetzt, dass kaum noch zwei Menschen miteinander an einem Tisch sitzen und miteinander sprechen wollten, da sie niemandem mehr trauten.“

FÄLSCHUNG. „Wir haben 9.000 Exemplare der Zeitschrift ‚Nova Hrvatska‘ gedruckt.“

Eine der riskantesten Operationen von Božidar Spasić fand 1983 statt, als er gemeinsam mit seinen Mitarbeitern die äußerst angesehene und auflagenstarke Zeitschrift „Nora Hrvatska“, die alle zwei Wochen in London erschien, fälschte. Das war vor der Ermordung von Stjepan Đureković, einem hohen jugoslawischen Funktionär, der nach Deutschland emigriert war und des Vaterlandsverrats angeklagt war.
„Alles wurde unter strengster Geheimhaltung gemacht und Sie können sich vorstellen, wie schwer das für mich als Serben war, alle Texte in kroatischer Sprache zu schreiben. Jede Nummer der Zeitschrift kam in unterschiedlicher Farbe heraus, und ich entschied rein zufällig, dass die gefälschte Nummer grün sein sollte, so wie das Original des Herausgebers Jakša Kušan. Wir druckten ca. 9.000 Exemplare und verschickten sie per Post, denn wir hatten die Daten ihrer Abonnenten gestohlen. Außerdem legten unsere Burschen aus dem kriminellen Untergrund unsere Version der Zeitschrift an den Verkehrsknotenpunkten der großen Städte auch in die Kiosks. Da sich die Zeitschrift hervorragend verkaufte, erreichten wir unser geplantes Ziel“, erinnert sich der berühmte Agent.

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Mit der Veröffentlichung erfundener Texte wurden die Karten neu gemischt. In der Emigration herrschte Unglauben, vor allem aufgrund eines angeblichen Interviews mit Đureković.

„Ich habe dieses Interview geschrieben und behauptet, dass er die damalige Emigration mit ihrer Führung als einen Haufen von Betrügern bezeichnete und dass er aus Jugoslawien gekommen sei, um in der Emigration die Führung zu übernehmen und die Dinge zu ordnen. Aufgrund des Misstrauens, das zwischen den Migrantengruppen herrschte, die wussten, dass der Führer immer von irgendwoher Geld bekam, glaubten alle, dass Đureković das tatsächlich gesagt hatte. Außerdem hatten wir in der Einleitung die Ergebnisse der Wahlen zum kroatischen Volksrat, der so etwas wie die Exilregierung war, gefälscht und geschrieben, dass Mate Meštrović gewonnen hatte, ein Sohn Ivan Meštrovićs, was nicht stimmte. Diese und andere Texte lösten ein Chaos aus, und im Prozess gegen Josip Perković und Zdravko Mustač, die des Mordes an Stjepan Đureković angeklagt waren, wurde das Erscheinen der gefälschten Zeitschrift ‚Nova Hrvatska‘ als Vorbereitung zu seiner Liquidation gewertet, sodass ich vor Gericht über eine Videoverbindung aussagen musste, denn das war in die Anklageschrift als Konterpropaganda-Aktivität aufgenommen worden, was nicht der Sinn der Sache war. Đureković konnte Jugoslawien nicht schädigen.

KRITIK. „Kroatien ist ein Staat ohne Legitimität geworden. Kein Land der Welt hat seine Geheimagenten ausgeliefert. Das macht man nicht, sondern man stellt sie vor ein einheimisches Gericht.“ (FOTO: Zoran Lončarević)

Wir wussten, dass er enorm viel Geld hatte, und irgendwo in der Nähe Wiens wurde ein Gelände gefunden, wo er eine Radiostation aufbauen wollte, die das ganze Gebiet bis hin zur Türkei abdecken sollte. Für uns war er gefährlich geworden, als wir bemerkten, dass er sich intensiv mit Leuten traf, die bereits wegen Terrorismus verurteilt waren. Es war uns klar, dass er seinen Einfluss in diesen Strukturen nutzen und Menschen zu terroristischen Akten anstacheln würde, und darum war er verantwortlich. Als wir dieses gefälschte Interview mit ihm veröffentlichten, musste jedem denkenden Menschen klar sein, dass das für ihn eine eindeutige Botschaft war, mit diesen Blödsinnigkeiten aufzuhören. Er sagte, wir machten ‚Scherze‘ und würden ihn nicht töten, da wir ihn ja so angegriffen hätten. Er wusste nicht, dass seine Mörder bereits auf ihn warteten“, betont Spasić.

Der Mordfall an Stjepan Đureković hatte noch ein langes gerichtliches Nachspiel. Deutschland machte viel Druck auf Kroatien und forderte die Auslieferung von Josip Perković und Zdravko Mustač, hohen Funktionären aus dem Nachrichtendienst, die dann auch ausgeliefert wurden.

„Bei ihrem Prozess haben es erstmals in der Geschichte Anwälte geschafft, eine Akte des BND (Bundesnachrichtendienst Deutschlands) über Stjepan Đureković öffnen zu lassen. Den Inhalt durften nur drei Anwälte in einem geschlossenen Raum einsehen, und da stand, dass er 600.000 DM Honorar für die Informationen erhielt, die er lieferte. Er hatte Personen verraten, mitgeteilt, wo unsere Militäreinheiten standen, die Öl von der INA kauften, wo unsere Flugzeuge stationiert waren usw. Mit der Auslieferung von Perković und Mustač spielte Kroatien ein faules Spiel und wurde zu einem Staat ohne Legitimität. Kein einziges Land der Welt hatte vor Kroatien seine Spione ausgeliefert. Das macht man nicht, sondern man stellt sie vor ein einheimisches Gericht,“ kritisiert Spasić die Auslieferung seiner ehemaligen Kollegen an Deutschland.

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Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.