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REPORTAGE

Božidar Spasić: „Ich war ein jugoslawischer Agent“

Schwere Jungs in der Staatssicherheit
In der Öffentlichkeit wird oft über die schweren Jungs wie Arkan, Giška und andere gesprochen, die von der Staatssicherheit offizielle Legitimationen erhielten, um im Ausland zu töten. Božidar Spasić hat eine Erklärung für ihr Engagement.

„Serbien ist das einzige Land, in dem diskutiert wird, ob Kriminelle für den Dienst arbeiteten oder nicht. Als Mensch, der mit diesen Leuten zusammengearbeitet hat, muss ich sagen, dass sie Patrioten waren, die irgendwann einmal im Land Verbrechen begangen und ihre Strafen abgesessen hatten. Danach fuhren sie mit ihren Geschäften im Ausland fort, was unser Land nicht interessierte. Wenn sie Verbrechen begangen hatten, sollte sie die Polizei der Länder verfolgen, in denen sie das getan hatten. Ich weiß nicht, warum ihr Engagement im Kampf gegen den Terrorismus schlecht gewesen sein soll. Israel, Amerika und andere Länder haben für diese Zwecke auch keine Universitätsprofessoren und Doktoren engagiert, sondern Personen, die in diesen Kreisen verkehren konnten. Andere Instrumente gibt es nicht. Die Personen, gegen die wir kämpften, waren nicht auf die Uni gegangen, sondern in Kaffeehäuser, und diese Leute konnten sich ihnen unverdächtig nähern. Es stört mich, dass über diese Burschen noch heute, nach so langer Zeit, so schlecht gesprochen wird, und es gab über sechshundert von ihnen. Heute sagt man oft über irgendwen, er hätte für die Udba gearbeitet, wie diese Institution verächtlich genannt wird. Aber wenn ich dessen Namen nicht kenne, dann ist das eine Lüge, denn es konnte niemand engagiert werden, ohne dass ich das wusste!“, ist Božidar kategorisch.

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Werbung aus alten Zeiten, Erinnerungen an die “gute alte Zeit”: Wer in dieser Zeit im ehemaligen Jugoslawien gelebt hat, dem sind mit Sicherheit einige TV-Spots im Gedächtnis eingebrannt. Zum Beweis hier einige ausgewählte alte Exemplare, die einigen sicher noch bekannt vorkommen dürften:

 

 

Auf die Frage, ob die Mitglieder des kriminellen Untergrunds, die für die Staatssicherheit arbeiteten, sich dadurch Vorteile erkauften, sagt unser Gesprächspartner kategorisch NEIN.

KRIMINELLE. „Sie waren Patrioten, die ihre Strafen abgesessen hatten.“

„Dafür gibt es kein einziges Beispiel. Sonst würde uns das mit Sicherheit irgendjemand als Fehler anrechnen. Mit Arkan, der oft für unsere Geheimpolizei arbeitete, wurde der Kontakt über einen montenegrinischen Dienst aufgenommen, und dann übernahm der Bundesdienst die Operationen, an denen er beteiligt war. 1983 wurde die Zusammenarbeit mit ihm ganz eingestellt. 1984 schoss er mit Gummigeschossen auf Polizisten, die ihn misshandelt hatten. Dann verprügelte er irgendeinen Mann im Lift und aufgrund all dessen durfte er überhaupt keinen Kontakt zum Dienst haben. Sehr häufig traten wir über diese Kriminellen auch mit Deutschen in Kontakt, die für uns gewisse Dinge taten. Nicht nur serbische Kriminelle haben für uns gearbeitet. Glauben Sie mir, es gibt kaum einen ernsthaften Sarajevoer Kriminellen, der im Ausland gearbeitet hat und mit dem wir nicht in Kontakt getreten wären. Mich haben nicht ihre kriminellen Aktivitäten interessiert, sondern die Sicherheit unseres Landes, und zu diesem Zweck hätte ich jeden engagiert, wenn es geholfen hätte, unschuldige Menschen zu schützen. Interessant ist, dass die, die diese Burschen heute in den Zeitungen angreifen und uns wegen der Zusammenarbeit mit ihnen Vorwürfe machen, das Jahr 1990 kaum erwarten konnten, als Arkan eine Spezialeinheit bildete, genau wie auch Giška über Vuk Drašković. Es ist ja bekannt, dass fast das gesamte kriminelle Milieu an der Kriegsfront aktiv war.

„Mit Arkan haben wir die Zusammenarbeit 1983 abgebrochen. 1984 schoss er in Belgrad mit Gummigeschossen auf Polizisten und verprügelte er irgendwen in einem Lift.“ (FOTO: Zoran Lončarević)

Brände als Warnung
Innerhalb der terroristischen Gruppierungen waren nicht alle Terroristen, aber sie waren Auftraggeber oder Finanziers. Der Dienst hatte seine Leute darunter, die ihn informierten, wenn jemand an einem bestimmten Ort auftauchte.

„Es gab unter den Terroristen Leute, die heute Auszeichnungen erhalten und hohe Positionen innehaben, die aber früher vom Ausland aus Aktionen zur Ermordung unserer Leute geplant haben. Über ihre Pläne wurden wir normalerweise informiert. Dann haben wir sie geortet und einen Menschen ausgewählt, der die entsprechende Aktion ausführen konnte. Wir haben sie nicht alle getötet, denn wenn wir das getan hätten, hätte es Tausende Tote gegeben. Alles wurde sehr selektiv gemacht und ich habe nächtelang darüber nachgedacht, welche Operation wir ausführen sollten. Am schönsten war es für mich, wenn wir einen Ort anzündeten, an dem terroristische Aktionen vereinbart wurden, aber natürlich dann, wenn niemand dort war. Einmal hatte in Stuttgart gerade einer von ihnen einen Kredit über 300.000 DM aufgenommen, um sein Grillrestaurant zu renovieren, in dem sich Terroristen trafen und ihre Anschlagspläne schmiedeten, die die Deutschen einst wegen ähnlicher Aktionen festgenommen hatten. Als sie abends auseinandergingen, ist unser Mann eingedrungen und hat das Lokal angezündet. Das hat sie vertrieben.

„Am liebsten war es mir, wenn wir irgendeinen Ort in Brand setzten,
an dem terroristische Aktionen geplant wurden“, sagt Spasić.

In Stuttgart gab es auch jemanden, der zweimal Leute in die Umgebung von Osijek schicke, um Warenhäuser anzuzünden. Um seine Aktivitäten zu verschleiern, eröffnete er ein Bekleidungsgeschäft. Wir fertigten Zigarettenschachteln an, in denen entzündliche Substanzen und Säuren waren, und zwei Burschen nahmen je eine solche Schachtel und gingen irgendwann gegen 18 Uhr, kurz vor Ende der Öffnungszeit, in das Geschäft, um Jacken anzuprobieren. Die Schachteln ließen sie in deren Taschen und gingen wieder hinaus. Um 18.35 brach ein Feuer aus. Die Pointe war, dass Zeitzünder aktiviert wurden, wenn niemand in diesen Lokalen war, damit niemand verletzt wurde, sondern nur großer Sachschaden als Warnung entstand. Nie wieder engagierten sich diese Menschen im Terrorismus“, erinnert sich Spasić und fügt hinzu, dass einige besonders gefährliche Terroristen liquidiert werden mussten.

Auf der letzten Seite erfahrt ihr, wie seine Karriere endete…

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.