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VOLKSBEGEHREN

Chaos: Parlament berät über Rücktritt der Regierung

KARL_NEHAMMER
(FOTO: EPA/Christtian Bruna)

Die Forderung nach einem Rücktritt der Bundesregierung hat in den letzten Wochen für Aufsehen und kontroverse Diskussionen gesorgt. Jetzt ist das Volksbegehren offiziell ein Fall für das Parlament: Die Initiatoren mussten sich im Verfassungsausschuss kritischen Fragen stellen und scharfe Kritik einstecken. Die Debatte um den Rücktritt der Bundesregierung scheint damit noch lange nicht abgeschlossen zu sein.

Am Mittwoch wurde im Verfassungsausschuss des Nationalrats ein Volksbegehren mit dem Ziel vorzeitiger Neuwahlen diskutiert, das von 172.712 Österreichern unterzeichnet wurde. Im Antragstext wird gefordert, dass durch einen Auflösungsbeschluss des Nationalrats eine Expertenregierung ernannt und die derzeitige Bundesregierung abberufen wird.

Die Ausschussmehrheit wollte dem Volksbegehren nicht nahetreten, jedoch unterstützte nur die FPÖ die Initiative uneingeschränkt. SPÖ und NEOS befürworteten ebenfalls Neuwahlen, waren aber von den Ausführungen der Initiatoren des Volksbegehrens teilweise stark irritiert.

Verantwortungslosigkeit

Begründet wird die Forderung nach raschen Neuwahlen mit der nach Ansicht der Unterzeichner offenkundigen „Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung„, wobei insbesondere die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Zentrum der Kritik stehen. Diese seien unverhältnismäßig, nicht evidenzbasiert und teilweise verfassungswidrig gewesen, heißt es darin unter anderem.

Die Unterzeichner des Volksbegehrens werfen der Regierung eine Spaltung der Gesellschaft vor und orten eine Unterdrückung von Kritikern. Zudem behaupten sie, dass die Corona-Maßnahmen zu einem Anstieg von depressiven und angstbedingten Zuständen bei Kindern geführt hätten und die heimische Wirtschaft durch die Corona-Politik geschwächt worden sei.

Die Initiatoren Elias Mühlbauer, Martin Kaser und Michael Dragomir haben heute ihre Kritik an der Regierung bekräftigt. Ursprünglich sei ein Corona-Volksbegehren geplant gewesen, aber die Inkompetenz der Regierung habe sich als größer erwiesen als gedacht, so Mühlbauer. Er betonte, dass die Forderung nach Neuwahlen heute wichtiger denn je sei, da die Koalition laut aktuellen Umfragen „nicht einmal mehr ein Drittel“ der Bevölkerung hinter sich habe.

Im Moment sind leider keine Umfragen verfügbar.

Massive Diskriminierung“

Martin Kaser wirft der Regierung eine massive Diskriminierung ungeimpfter Personen vor und kritisiert, dass selbst Kinder gezwungen seien, „mit giftigen Substanzen zu hantieren“. Die Impfung habe seiner Ansicht nach „keine Wirkung“. Kaser fordert eine lückenlose Aufarbeitung und dass die verantwortlichen Politiker zur Verantwortung gezogen werden. Zudem will er Strafen rückerstattet bekommen und beklagt, dass die Regierung seinen Namen „in den Dreck gezogen“ habe.

Kaser kritisiert die Regierung nicht nur in Bezug auf die Covid-Maßnahmen, sondern auch bei der Asylpolitik. Er warnt davor, dass Österreich Menschen in einer Geschwindigkeit „importiere“, die dazu führen werde, dass seine Kinder einer Minderheit angehören. Er mahnt zudem an, dass niemand das Recht habe, die österreichische Neutralität in Frage zu stellen, und stellt die Objektivität des Verfassungsgerichtshofs in Frage.

Dragomir sieht in der Corona-Politik der Regierung Symptome des Kommunismus, da sie versucht habe, in die Häuser der Bevölkerung einzudringen. Er kritisiert nicht nur das Corona-Management, sondern auch die Asyl-, Wirtschafts- und Energiepolitik der Regierung. In einer Demokratie sei das Volk der Chef, so Dragomir, und die Politik müsse das umsetzen, was die Bevölkerung wolle.

Die Ausführungen der Initiatoren des Volksbegehrens haben bei den Regierungsparteien, sowie der SPÖ und NEOS für Irritationen gesorgt. Selma Yildirim von der SPÖ betonte, dass ihre Partei selbst schon mehrere Anläufe für Neuwahlen unternommen habe und dass jeder Tag, der hinausgezögert werde, ein verlorener Tag sei.

Trotz der Kritik betonte Selma Yildirim, dass Österreich ein funktionierender Rechtsstaat sei und der Verfassungsgerichtshof alles genau geprüft habe. Sie lehnte eine Vermischung von Corona– und Asylpolitik ab und plädierte stattdessen für eine aktive Friedenspolitik und faire Handelsverträge.

„Bevölkerungsaustausch“

Der NEOS-Abgeordnete Nikolaus Scherak stimmte einigen Kritikpunkten des Volksbegehrens zu und betonte, dass einige Corona-Maßnahmen unverhältnismäßig gewesen seien und der Umgang mit Kindern und Jugendlichen unverantwortlich sei. Scherak hält auch eine Entschuldigung für manche Aussagen während der Pandemie für notwendig.

Nikolaus Scherak von den NEOS kritisiert die Corona-Maßnahmen und den Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Er hält eine Entschuldigung seitens der Regierung für manche Dinge in der Pandemie für notwendig, glaubt aber nicht an einen „Bevölkerungsaustausch“ oder dass die Regierung wissenschaftsfeindlich sei. Er verteidigt auch die repräsentative Demokratie und akzeptiert, dass die Regierung trotz der Kritik der Opposition noch eine Mehrheit im Parlament hat.

Rudolf Taschner von der ÖVP erinnerte daran, dass zu Beginn der Pandemie niemand die Gefahren genau gekannt habe. Im Nachhinein könnten Dinge anders aussehen, ergänzte Wolfgang Gerstl von derselben Partei.

Wolfgang Gerstl betonte, dass eine Demokratie Meinungsfreiheit gewährleisten müsse und jeder in Österreich eine Partei gründen könne. Die Pressefreiheit sei nicht eingeschränkt. Jedoch dürfe die Freiheit des einzelnen nicht die Freiheit des anderen gefährden. Gerstl forderte ein respektvolles Miteinander und betonte, dass man anderen Respekt entgegenbringen müsse, wenn man selbst Respekt einfordert.

Covid-19-Maßnahmenevidenzbasiert

Zusammenfassung: Georg Bürstmayr von den Grünen verteidigte die evidenzbasierte Corona-Politik und betonte, dass die Maßnahmen vom Verfassungsgerichtshof überprüft und größtenteils bestätigt wurden.

Georg Bürstmayr von den Grünen betonte, dass die Covid-19-Maßnahmen evidenzbasiert und vom Verfassungsgerichtshof bestätigt seien. Die Regierung genieße weiterhin das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten und sei für fünf Jahre gewählt worden. Das Volk bestehe aus mehr als den Unterzeichnern des Volksbegehrens und könne nicht allein durch sie repräsentiert werden.

FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan unterstützt das Volksbegehren und bedankt sich ausdrücklich für die Initiative. Er ruft dazu auf, das Anliegen ernst zu nehmen, unabhängig von der Kritik am Ton.

Es wird eine Aufarbeitung der Corona-Zeit gefordert, da „totalitäres Denken“ zu Schaden geführt hat. Lockdowns seien unnötig gewesen, die Menschen wurden aufgefordert, einander zu bespitzeln, und es gab Vorgaben, wie man Weihnachten oder Ostern feiern sollte. Die FPÖ sei die einzige Partei, die gegen die Impfpflicht gestimmt habe.