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INTERVIEW

„Dieser Job brachte mich dazu, meine Gesundheit mehr zu schätzen!“

Nordin Sabovic
Der 27-Jährige übt das Amt des Schiedsrichters seit beinahe sechs Jahren aus. (FOTO: Sergiu Borcuta Photography)

Nordin Šabović, geborener Wiener mit bosnischen Wurzeln, ist ein Student, der im Finanzbereich tätig ist. Der 27-Jährige hat ein außergewöhnliches Hobby, welchem er in seiner Freizeit nachgeht. Er ist Schiedsrichter für E-Rolli-Fußball, einer (noch) ziemlich unbekannten Sportart.

KOSMO: Was ist E-Rolli-Fußball eigentlich?
Nordin Šabović: E-Rolli-Fußball ist die Abkürzung für Elektro-Rollstuhl-Fußball, international auch als Powerchair Soccer beziehungsweise Powerchair Football bekannt. Dieser Sport ist für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, die im Rollstuhl sitzen, konzipiert. Es funktioniert im Grunde wie Fußball, nur ist der Ball hier größer und die Tore haben kein Netz, um das Verfangen der Rollstühle darin zu verhindern. Einige der Regeln, die es im traditionellen Fußball nicht gibt, wurden angepasst, da hier die Gegebenheiten anders sind. In Österreich wird diese Sportart seit 2013 ausgeübt.

Verglichen mit anderen Ländern, wie zum Beispiel Großbritannien oder Frankreich, wo es diesen Sport bereits seit den 1980er Jahren gibt, wird E-Rolli-Fußball hierzulande erst seit kurzem trainiert. Ziel ist es, die Sportart zu einer Paraolympischen Disziplin zu machen. Alle vier Jahre gibt es hierfür eine Kommission, die die Tauglichkeit des Sportes für die Paraolympischen Spiele prüft. Bisher hat E-Rolli-Fußball noch keinen Einzug in die Olympischen Spiele für körperlich eingeschränkte Menschen geschafft.

Wie bist du mit dieser Sportart in Berührung gekommen?
Ein Freund von mir, den ich bereits seit Kindheitstagen kenne, sitzt von Geburt an im Rollstuhl. Er gehörte zur ersten Generation in Österreich, die diesen Sport ausübt. Durch seine Erzählungen wurde mein Interesse für die Disziplin größer. Er bot mit an, mich zu einem Schiedsrichterkurs für E-Rolli-Fußball mitzunehmen. Nachdem ich einwilligte, habe ich sowohl einen mehrstündigen Theoriekurs als auch eine zweitägige Praxis absolviert.

Was gefällt dir am meisten an der Funktion als E-Rolli-Schiedsrichter?
Zuallererst freue ich mich, dass ich mit meinem Hobby auch etwas Gutes tue. Die Tätigkeit stellt einen Mehrwert in meinem Leben dar, da Menschen mit besonderen Bedürfnissen Spaß an dem Sport haben. Mir gefällt auch besonders, dass, verglichen mit dem traditionellen Fußballsport, hier keine Alters- beziehungsweise Geschlechtertrennung vorgenommen wird. In einem Team kann beispielsweise ein 15-jähriges Mädchen mit einem 50-jährigen Mann zusammen spielen.

Was hast du bisher persönlich von der Tätigkeit mitgenommen?
Durch die Ausübung der Funktion als E-Rolli-Schiedsrichter habe ich gelernt zu schätzen, was ich habe. Bei jedem Spiel sah ich Menschen, die von Geburt an mit teils schweren körperlichen Einschränkungen zu kämpfen haben. Jedes Mal komme ich dann zur Erkenntnis, dass meine sogenannten „Probleme“ nicht erwähnenswert sind, wenn ich mir das Leiden vieler Spieler ansehe. Es gab Spiele, die ich betreute, in denen Spieler auf künstliche Atmung angewiesen waren, da sie es aus eigener Kraft nicht konnten. Was mich besonders fasziniert, ist, dass diese Menschen trotz schwerer körperlicher Behinderung Kämpfer sind und sich dadurch nicht unterkriegen lassen.

Obwohl sie ein Handicap mit sich tragen, machen sie das Beste aus ihrem Leben und schauen stets nach vorne. Dieser Sport hat mir dabei geholfen, meine körperliche Gesundheit zu schätzen und mich erkennen lassen, dass es keine Ausreden gibt ein Ziel zu erreichen und dass man mit seinen eigenen Gegebenheiten das Maximum an Potential ausschöpfen kann.

Was ist die größte Herausforderung bei der Ausübung des Schiedsrichteramtes für E-Rolli-Fußball?
Als Schiedsrichter versucht man stets professionell zu bleiben und Situationen objektiv zu betrachten. Tagtäglich wird Fingerspitzengefühl gefordert, da man trotz körperbehinderter Spieler streng beim Pfeifen sein muss. Vor allem am Anfang erwischte ich mich oft dabei, wie ich Fehlverhalten nicht immer abpfiff. Dies war auf meine Nachsicht mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen zurückzuführen. Mittlerweile habe ich mir ein gewisses Maß an Professionalität angeeignet, welches dazu führt, dass der Sport regelgerecht ausgeübt wird.

Autor: Darko Zečević