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GESUNDHEIT

Dr. Petrović: „Asthma-Spray hilft nicht allen Corona-Patienten“

Asthma-Spray (FOTO: iStock, zVg.)

Ein ganzes Jahr liegt im Kampf gegen das  Virus bereits hinter uns, aber eine wirksame Waffe in Form eines Medikaments ist noch immer nicht gefunden. Sicher, im Verhältnis zum Beginn der Pandemie ist schon vieles besser geworden, aber der endgültige Sieg über Corona konnte noch nicht verkündet werden.

Seitdem das Covid-19-Virus aus der ganzen Welt einen Kerker und aus den Menschen Häftlinge gemacht hat, suchen Wissenschaftler nach dem Schlüssel, der die Freiheit bedeutet. Natürlich kann nur ein wirksames Medikament die versperrten Türen öffnen und es wurde auch bereits mehrfach lauthals verkündet, dass es gefunden wurde. Erinnern wir uns: Man nahm an, dass ein Medikament, das normalerweise HIV-Patienten verschrieben wird, das Coronavirus töten könne, dann wurde behauptet, dass ein Malariamittel Wunder bewirken würde und so weiter, aber all diese Schüsse gingen leider ins Leere. Auch die „Experten“ für alles und jedes sind zu erwähnen, nach deren Ratschlägen naive Mitbürger Bleichmittel und Jod tranken, Corona damit aber auch nicht besiegten.

Dass wir jedoch fest an die Wissenschaft glauben und auf sie hoffen, zeigte sich vor einigen Wochen, als in den Medien groß verkündet wurde, dass das Spray Budesonid, das eigentlich für Asthma-Patienten gedacht ist, Corona erfolgreich unter Kontrolle bringen kann. Das wurde angeblich von Dr. Lisa-Maria Kellermayr, einer jungen Ärzten aus Oberösterreich entdeckt, die behauptet, dass sie ihren an Corona erkrankten Patienten dieses Cortison-Spray verabreicht und damit außerordentliche Erfolge erzielt habe. Der Hersteller, die Pharmafirma AstraZeneca, interessierte sich für ihre Arbeit und begann, eigene Untersuchungen in Form einer neuen Studie durchzuführen. Die Menschen in den sozialen Netzwerken zeigten sich indes unbarmherzig gegenüber der jungen Ärztin und ihrer Theorie und so antwortete sie nicht einmal auf die Anfrage des Magazins KOSMO, uns ihre Erkenntnisse zu erläutern.

Dies sind die Tatsachen…
Um zu vertrauenswürdigen Informationen über das Budesonid-Spray zu kommen, haben wir mit Dr. Miloš Petrović gesprochen, einem Lungenfacharzt, der, bevor er unlängst seine eigene Praxis eröffnete, ein Jahr in der Covid-Abteilung der Klinik Wien-Hietzing verbrachte.

KOSMO: Was können Sie uns über das Budesonid-Spray erzählen, das unlängst von den Medien so gefeiert wurde?
Dr. Miloš Petrović: Es handelt sich dabei um ein Medikament des Herstellers AstraZeneca, das bei Asthma-Patienten eingesetzt wird. Es enthält unter anderem Cortison, das entzündungshemmend wirkt. AstraZeneca hat eine relativ kleine Studie an nur 146 Patienten, die an Corona erkrankt waren, durchgeführt, von denen 73 das inhalative Corticosteroid bekamen, während es bei der anderen Hälfte nicht Bestandteil der Therapie war. Die Patienten der ersten Gruppe verbrachten weniger Zeit im Krankenhaus und landeten seltener auf der Intensivstation. Ich weise darauf hin, dass inzwischen bereits eine zweite Studie durchgeführt wurde, dass aber die dritte, die eine viel größere Zahl an Patienten umfassten müsste, noch aussteht.

„Die Aggressivität des Corona-Virus unter Anwesenheit von Corticosteroiden ist viel geringer.“

Dr. Miloš Petrović

Welche Wirkung hat Budesonid auf Corona-Patienten?
Ich habe bis Ende Februar dieses Jahres auf der Covid-Station der Klinik Hietzing gearbeitet, wo wir Erfahrungen mit Asthmatikern gemacht haben, die unter der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung litten. Es war unwahrscheinlich, aber bei ihnen verlief Corona viel milder, als wir erwartet hatten. Um sie hatten wir uns besonders gesorgt, denn da sie ohnehin oft Sauerstoff benötigen, wären auch tödliche Verläufe keine Überraschung gewesen. Zum Glück kam es dazu aber nicht. Wir hatten von Beginn an die Vermutung, dass die Inhalationstherapie, die Cortison enthält, bei diesen Patienten eine schützende Wirkung hatte. Bei Testungen zeigte sich, dass die Aggressivität des Corona-Virus unter Anwesenheit von Corticosteroiden viel geringer ist. Es zeigte sich auch, dass das inhalative Corticosteroid bei den Patienten die ACE2-Rezeptoren blockiert, die dafür verantwortlich sind, dass das Corona-Virus in die Lunge gelangt und dort zu Entzündungen führt.

Hilft dieses Spray allen Corona-Patienten?
Leider hilft es in der akuten Phase nur Patienten, die chronisch krank sind und dieses Spray ständig verwenden. Bei Corona-Patienten, die das Spray vorher nicht verwendet haben, führt es nicht zu einer Besserung, was auch die unlängst veröffentlichte Studie bestätigt.

Wann beginnt man bei Corona mit der Nutzung dieses Sprays?
Bei Corona sieht man zwischen dem fünften und achten Tag nach Beginn der Infektion, ob es sich um eine leichtere oder schwerere Form handelt. Das inhalative Corticosteroid wird meistens ab dem dritten Tag angewendet und zwei Tage später wird seine lindernde Wirkung auf die Atemorgane spürbar. Wenn jedoch Atemprobleme auftreten bzw. wenn die Sauerstoffsättigung sinkt, was bedeutet, dass der Patient nicht genügend Luft bekommt, dann sollte man sofort zum Arzt gehen. Das Inhalationsspray wird auch nach Abklingen der Infektion verabreicht, um die Bronchien zu beruhigen und die Patienten von dem trockenen Husten zu befreien, der beim Post-Covid-Syndrom sehr häufig auftritt und langwierig und anstrengend ist. Nach maximal vier Wochen kommt es bei den Rekonvaleszenten zu einer Besserung.

Wie schädlich ist das Cortisonspray für die Patienten?
Das Spray enthält eine schwache Dosis Corticosteroide und löst keine Nebenwirkungen aus. Nach dem Inhalieren sollte man nur die Mundhöhle mit Wasser ausspülen, um Pilzinfektionen zu vorzubeugen. Bei Corona wird den Patienten Cortison in Form von Tabletten und Infusionen verabreicht, und die wirken nicht nur auf die Lunge, sondern systemisch auf den ganzen Organismus. Da das inhalative Corticosteroid nur auf die von der Infektion betroffene Lunge wirkt, wird als Therapie zuerst das Spray empfohlen. Wenn der Arzt jedoch feststellt, dass das nicht ausreicht, um die Infektion unter Kontrolle zu bringen, muss er zu Tabletten übergehen. Unter diesen Umständen ist ihr Nutzen größer als ihr Schaden.

Kann man alle Asthmasprays auch gegen Corona einsetzen?
Es gibt mehrere Arten von Cortison in den Sprays, und meine Erfahrung ist, dass alle bei Corona dieselbe Wirkung zeigen. Aber die erste Studie, die die Firma AstraZeneca veröffentlicht hat, hat nur eine Sorte Cortison aus ihren Produktionsanlagen in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerückt. Wir kennen jedoch die Wirkung ähnlicher Sprays bereits seit dem vergangenen Jahr, während der ersten Corona-Welle, aus chinesischen Zeitschriften. Wir haben den Patienten in der Klinik die ganze Zeit Corticosteroide gegeben, obwohl wir noch keine Studien hatten, die ihre schützende Wirkung offiziell bestätigen konnten. Die Studie, die AstraZeneca durchgeführt hat, hat etwas bestätigt, was wir bereits wussten, denn wir haben die Patienten die ganze Zeit damit behandelt.

Bedeutet das, dass Dr. Lisa-Maria Kellermayr aus Oberösterreich, die für sich das Verdienst in Anspruch nimmt, den Einsatz des Budesonid-Sprays angeregt zu haben, eigentlich kein Star ist?
Ich möchte nicht gegen eine Kollegin sprechen, aber ich habe ihre Medienauftritte gesehen und fand es merkwürdig, dass sie etwas präsentierte, was wir bereits genau kannten und in der Covid-Einheit anwendeten. Wir verabreichen inhalatives Corticosteroid auch im Rehabilitationszentrum Oberlaa, wo Patienten behandelt werden, die nach Corona Hustenprobleme haben. Die Studie hat also unsere Erfahrungen, die wir auf Lungen- und Coronastationen gesammelt hatten, nur bestätigt.

„Bei Corona-Patienten, die das Spray vorher nicht verwendet haben, führt es nicht zu einer Besserung.”

Dr. Miloš Petrović

Ist diese Studie ein Schritt auf dem Weg zum Sieg über das Covid-19-Virus?
Sie ist ein Schritt auf dem Weg, den wir bisher gegangen sind, denn wir lernen mit der Zeit immer mehr dazu. Im März vergangenen Jahres, als alles begann, haben wir Medikamente verabreicht, von denen wir dachten, dass sie helfen würden. Manche waren mehr oder weniger erfolgreich, aber wir haben intensiv Erfahrungen gesammelt, weil die Krankheit und das Virus neu waren. Wir hatten gewisse Hinweise auf Medikamente, von denen wir wussten, dass sie eine schützende Wirkung hatten, so wie Cortison. Jetzt hat die Studie grünes Licht dafür gegeben, Patienten auf den Covid-Stationen der ganzen Welt sowie auch jenen, die ambulant behandelt werden, inhalatives Corticosteroid zu verschreiben.

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Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.