Wir, das einfache Volk, sind Menschen blauen Blutes in unseren Märchen begegnet und später nur noch in den Medien. Diese Welt ist für uns fremd und unerreichbar. Daher ist es ein besonderes Privileg, persönlich einen Blick dort hineinwerfen zu können.
Als ich mich auf meinen Besuch am Weißen Hof in Belgrad vorbereitete, fürchtete ich, mir könnte aus Unkenntnis des Protokolls während des Interviews mit dem Thronfolger Aleksandar II. Karađorđević und seiner Gattin, Prinzessin Katharina, irgendein peinlicher Fehler unterlaufen. Zum Glück war die Angst fehl am Platz. Aber beginnen wir der Reihe nach.
Vom monumentalen Tor am Eingang in den Palastkomplex fährt des Protokolls wegen ein Chauffeur meinen Kollegen, den Fotografen, und mich durch den üppigen Park, in den gerade der Frühling Einzug hält. An der Tür zum Palast werden wir sehr offiziell erwartet und in den Empfangssalon geführt, wo ich von den jungen Leuten der Presseabteilung Ratschläge zur Anrede des Königspaares und dazu, welche Fragen ich stellen kann und ob wir fotografieren dürfen, erbitte. Natürlich schaue ich mich auch diskret um und bemerke die Eleganz, aber auch den am Mobiliar nagenden Zahn der Zeit. Das Königspaar Karađorđević erscheint genau zur vereinbarten Zeit. Ich gebe zu, ich hätte gerne einen Knicks gemacht, wie es sich gehört, aber aus Angst, dass ich mich dabei ungeschickt anstelle und auf dem Boden lande, sehe ich davon ab.
Mein erster Eindruck: auffällige Güte in den Augen und sein warmes und ihr typisch griechisches breites Lachen. Und dann folgt die vielleicht größte Überraschung: Obwohl sie bisweilen für ihre mangelnde Kenntnis der serbischen Sprache kritisiert werden, sprechen der Thronfolger und die Prinzessin mit mir die ganze Zeit über Serbisch. Es stimmt, dass dies nicht die Sprache des berühmten Belgrader Kreises der oberen Zehntausend ist, es fehlen die Finessen, denn beide haben den größten Teil ihres Lebens in der großen, weiten Welt verbracht, aber wir können uns ausgezeichnet verständigen. Bei feiner Bewirtung sprechen wir offen und in freundschaftlicher Atmosphäre.
S. K. H. Thronfolger Aleksandar II. Karadjordjević
Sie sind weit entfernt von Serbien und geboren und aufgewachsen. Sind Sie so fern von Ihrem Land dazu erzogen worden, sich als Serbe zu fühlen?
Ich bin auf jugoslawischem Territorium in London geboren, aber als Kind galt ich seit meinem zweiten Lebensjahr als Feind Serbiens. Schon damals war ich ein sehr gefährlicher Mensch, was allen Menschenrechten widerspricht. Zum Glück ist das Vergangenheit. Leider habe ich aus meiner Kindheit keine unmittelbaren Erinnerungen an Serbien, aber ich habe verschiedene Bilder und verinnerlichte Gefühle mit Bezug auf meine Heimat, denn meine Eltern, König Petar II. und Königin Aleksandra, haben täglich mit mir über Serbien, über unser Volk, unsere Geschichte und die Wichtigkeit der Wahrung unserer Werte und Traditionen gesprochen. Mein Vater hat mir viel über sein Leben in Serbien erzählt. Seine Berichte waren voller Details, die ich als Kind gierig aufgesogen habe. Das war der Grund, warum ich vor 17 Jahren, als wir nach Serbien kamen, genau wusste, wo welches Zimmer, welches Bild ist, wie der Blick von der Terrasse aussieht und vieles mehr. Mein Vater hat immer betont, dass wir, sollten wir jemals die Chance haben, in unser Land zurückzukehren, in diesem Schloss wohnen würden.
Sind Sie auf die Rückkehr auf den Thron bzw. die Wiedererrichtung der Monarchie in Serbien vorbereitet?
Ich war immer der Meinung, dass eine konstitutionelle parlamentarische Monarchie eine gute Lösung für unser Land wäre, denn sie würde Einheit, Stabilität und Kontinuität bringen und auf jeden Fall zu einem positiven Image Serbiens in der Welt und zur Verminderung der politischen Spannungen im Land beitragen. Konstitutionelle parlamentarische Monarchien sind die Länder mit den fortschrittlichsten Sozialsystemen der Welt. Schauen Sie sich nur die skandinavischen Monarchien an, in denen viele unserer Landsleute leben, und vergessen Sie auch Kanada, Australien und Neuseeland nicht. Wussten Sie, dass auch Japan eine konstitutionelle Monarchie ist?
Mit welchen Gefühlen sind Sie nach Serbien zurückgekehrt?
Im Juli 2001 bin ich mit meiner Familie nach Dedinje gekommen, um am Königshof zu leben, im Haus meines Vaters, König Petar des II., und meines Großvaters, König Aleksandar I. Dieses Gefühl der endgültigen Heimkehr ist schwer zu beschreiben, das ist sehr, sehr stark und mit nichts anderem vergleichbar. Die Liebe zur Familie ist groß, so wie auch die Liebe zu den Menschen, aber das Vaterland ist etwas noch Größeres und Heiligeres, darum war auch die Rückkehr zu den Wurzeln unserer Existenz genauso groß und wichtig für mich. Hier sind wir mit allen befreundet, achten alle politischen Parteien, alle Konfessionen und sind absolut neutral. Wir leben in diesem wunderbaren Land, der reichen Geschichte, die wir ebenfalls sehr achten, aber wir sind uns bewusst, wie wichtig es ist, ein neues Kapitel aufzuschlagen und für unser Land eine bessere Zukunft zu errichten. Wir wollen, dass unser Volk besser lebt, dass die Menschen Arbeit finden und für ihre Arbeit gut bezahlt werden, und dafür brauchen wir Investoren. Wichtig ist auch, dass unser Volk nicht gegen sich selbst arbeitet!
Während der Vorbereitungen für die demokratischen Veränderungen in Serbien haben Sie die Opposition unterstützt. Das war Ihr erstes öffentliches politisches Engagement mit Bezug auf Serbien.
In der Zeit, über die Sie sprechen, hatte ich zwei Feinde: das Regime in Serbien und aufgrund ihres Engagements gegen unser Land auch die NATO. Ich war der Meinung, dass man durch einen demokratischen Prozess Veränderungen herbeiführen musste, damit ein Rechtsstaat entstehen konnte. Ich habe mich aktiv für die Gründung und Abhaltung von Konferenzen mit der demokratischen Opposition eingesetzt, was über die Wahlen zum 5. Oktober geführt hat. Das war ein Erfolg, aber zwei Jahre später passierte die Tragödie bzw. das Attentat auf Herrn Đinđić. Serbien hat weitergemacht, weil es einfach musste, aber es ist sehr wichtig zu wissen: Menschen, die die Macht übernehmen wollen, müssen einen Plan haben. Macht bekommt man ausschließlich in Wahlen, aber man muss einen Plan für die Wirtschaft, die Außenpolitik und für den Kosovo haben. Das gilt für alle Politiker. Es ist keine Lösung, einfach nur Stimmen zu gewinnen, sondern man muss Verantwortung für das Volk und den Staat zeigen.
Wie sehen Sie die derzeitige Situation in Serbien?
Wenn Sie Belgrad anschauen, sehen Sie überall Baukräne, im Verkehr sehen Sie viele neue Autos, die es vor fünf, sechs Jahren nicht gab. Zu uns kommen Investoren, wir haben ein neues Luftfahrtunternehmen, die „Air Serbia“, wir haben Freunde im Ausland gewonnen und wir haben auch Stabilität. Ich betone, dass ich gegen den Boykott der Wahlen bin, denn das führt zu einer ungesunden Situation. Als 1999 die demokratischen Veränderungen geplant wurden, gab es viele Parteien in der Opposition, aber bei Treffen im Ausland wurde vereinbart, mit nur einem einzigen Kandidaten in den Wahlen gegen das Regime anzutreten. Für alles braucht es eine ruhige Situation und gemeinsame Arbeit. Wenn wir jetzt ins Ausland fahren, fragen uns die Leute, wie die Situation in unserem Land ist, denn sie lesen, dass viele Leute auf der Straße sind. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, denn ich weiß nicht, was ihr Plan ist. Und ich bin nicht der einzige, der das sagt.
Sie sind über Patenschaften, Verwandtschaften und Freundschaften mit vielen Dynastien verbunden. Können Sie Serbien mit Ihren Kontakten helfen?
Meine Frau und ich sind sehr zufrieden mit unseren Beziehungen zu den Königsfamilien in Europa und dem Nahen Osten. Sie laden uns oft zu Geburtstagen, Hochzeiten und anderen Feiern ein. In jüngerer Zeit waren wir beim 70. Geburtstag Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen von Wales im Buckingham Palace und auf dem 70. Hochzeitstag Ihrer Hoheit Königin Elisabeth II. und Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs von Edinburgh im Schloss Windsor. Auf den königlichen Empfängen treffen wir auch mit den Regierungschefs der Länder zusammen, in die wir reisen, und sie interessieren sich für die Verhältnisse in unserem Land. Ich betone immer, dass wir für die Zukunft unsers Volks Investoren brauchen, und ich scheue mich auch nicht, um Hilfe für Serbien zu bitten, damit wir weiterkommen. Ich spreche immer über unsere intelligenten und freundlichen Menschen, über die Schönheit unseres Landes, ich lade sie ein, Gäste an unserem Hof zu sein, wenn sie Serbien besuchen. Kurz gesagt, wir machen Public Relations für unser Land.
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