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Alphabetisierung

Explosiver Anstieg: 70 Prozent der Flüchtlinge brauchen Alphabetisierung

(FOTO: iStock)

Eine steigende Zahl von Flüchtlingen hat seit 2015 einen Alphabetisierungsbedarf, wobei die Zahlen des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) einen Anstieg von 20% auf 70% zeigen. Interessanterweise scheint jedoch die Erwerbstätigkeit unabhängig vom erreichten Sprachniveau zu sein.

Seit 2015 ist die Zahl der Flüchtlinge mit Alphabetisierungsbedarf in Österreich stetig gestiegen. Während vor sechs Jahren nur jeder fünfte Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigte in diese Kategorie fiel, sind es heute laut ÖIF rund 70%. Beim Alphabetisierungsbedarf muss man zwischen primären Analphabeten, also Menschen, die auch in der Muttersprache wenig lesen und schreiben können, und Zweitschriftlernenden unterscheiden“, erklärt Julia Rothbauer, Leiterin des Teams „Wissensmanagement und Internationales“ beim ÖIF.

Arbeit trotz niedrigem Sprachniveau

Trotz dieses Bedarfs zeigt sich, dass die Erwerbstätigkeit unabhängig vom erreichten Sprachniveau verläuft. „Einer Arbeit nachzugehen, ist bereits mit niedrigem Sprachniveau möglich“, so Rothbauer. Eine repräsentative Befragung unter Flüchtlingen, die einen Deutschkurs besuchten, ergab, dass unabhängig vom erreichten Sprachniveau etwa ein Viertel der Personen bereits erwerbstätig war. Es zeigt sich zudem, dass ein höheres Sprachniveau nicht zwangsläufig zu einer höheren Erwerbstätigkeit führt.

Frauenintegration: Ein langsamerer Prozess

Die Integration von Frauen in die Arbeitswelt verläuft langsamer als bei Männern. Um Deutschkurse und Arbeit miteinander zu vereinbaren, hat der ÖIF sein Angebot in Randzeiten ausgeweitet und bietet an vielen Standorten Kinderbetreuung an. Trotzdem ist der Anteil der erwerbstätigen Frauen unter den Flüchtlingen nach sechs Jahren nur bei 22 Prozent, während er bei Männern 65,3 Prozent beträgt.

Junge Männer aus Syrien mit höchstem Alphabetisierungsbedarf

Unter den im Jahr 2022 anerkannten Flüchtlingen mit Alphabetisierungsbedarf waren 84 Prozent männlich und 86 Prozent stammten aus Syrien. Drei Viertel waren unter 35 Jahre alt. „Häufig kommen Menschen, die kriegsbedingt nicht die Schule besuchen konnten oder ihre Bildungslaufbahn wegen der Flucht unterbrechen mussten“, so Rothbauer.

Vergleicht man den Spracherwerb von Personen mit und ohne Alphabetisierungsbedarf, so zeigt sich ein beträchtlicher Unterschied. 75 Prozent der Personen, die zwischen 2015 und 2019 anerkannt wurden und an einem Alphabetisierungskurs teilnahmen, haben nach mindestens vier Jahren in Österreich nicht das A2-Niveau abgeschlossen.

Bei den Kursteilnehmern ohne Alphabetisierungsbedarf aus den gleichen Jahren haben hingegen bereits 48 Prozent das B1-Niveau abgeschlossen und verfügen somit über gute Deutschkenntnisse.

Die Alphabetisierung bleibt somit eine zentrale Herausforderung auf dem Weg zur Integration von Flüchtlingen in Österreich.