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Geschäftsmodell „Politik“: Die dunkle Seite der Bierpartei

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FOTO: Rafael Bittermann/Bierpartei

Pünktlich zum Sommerende ist es da: Wlaznys neues YouTube-Video! Inmitten massiver Unwetter- und Hochwasser-Warnungen wartet der Spitzenkandidat der Bierpartei mit seinem „Red ma drüber“-Video „Geht uns das Wasser aus?“ auf. Ist das Teil der Satire oder ein weiterer missglückter Schritt in den politischen Abgrund? Wie auch immer, wird der politische Teil Wlaznys auf Humor plädieren. Der Bierpartei-Vorhang schließt sich letztendlich erst bei der Nationalratswahl am 29. September und bis dahin ist noch Zeit für viel mehr.

Der authentische Punker von nebenan

Seit Dominik Wlazny die politische Bühne betreten hat, scheint er erstmals ernsthaft ins Straucheln zu geraten. Der Spitzenkandidat, bekannt als Marco Pogo, Sänger der Punkband Turbobier, Kabarettist und Geschäftsführer von Pogos Empire GmbH in Wien-Simmering, stand bisher für Authentizität und Sympathie. Mit unerwarteten Wahlerfolgen im Wien- und Hofburg-Wahlkampf konnte er seine Unterstützer begeistern, auch wenn seine Programme Lücken offenbarten.

Laut dem aktuellen APA-Wahltrend liegt Wlazny bei einem Umfragewert von 4,6 Prozent. Damit scheint ein Einzug in den Nationalrat möglich, auch wenn die Tendenz sinkend ist. Noch im Juni lag die Bierpartei bei sechs Prozent. Diese Abwärtsspirale könnte mit den negativen Schlagzeilen zusammenhängen, die ihn momentan umgeben. Es könnte aber auch daran liegen, dass die Bierpartei knapp zwei Wochen vor der Wahl noch immer nicht mit handfesten Inhalten überzeugen kann. Das Wahlprogramm bzw. „Menü“, wie es die Partei nennt, bleibt vage, umstritten und für viele sogar zweifelhaft.

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FOTO: Siegfried Wolf/Bierpartei

Von Macht und Geheimnissen

Die Wiener Wochenzeitung „Falter“ berichtet in ihrer neuesten Ausgabe von einem „Wlazny Regime“, kritisiert rigide Message Control und behauptet, Parteimitglieder hätten Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen müssen, die ihnen jede Informationsweitergabe untersagen. „Die Mitglieder haben sämtliche Informationen, die ihnen bekannt werden, vertraulich zu behandeln und keinen Dritten offen zu legen. Diese Geheimhaltungspflicht bleibt auch für die Zeit nach Austritt aus der Partei dauerhaft bestehen,“ heißt es in der Satzung der Bierpartei.

Es begann ganz unschuldig, als Gegenbewegung oder satirische Darstellung der politischen Bühne. Die Anhänger Marco Pogos waren gleich an Bord und spendeten fleißig. Betrachtet man die Fan-Base die Dominik Wlaznys Alter Ego hat, ist die Mitgliederzahl mit 8.500 Menschen erstaunlich niedrig. Der Plan ist, in den Nationalrat zu kommen. Die Strategie ist locker und bodenständig, „grassroots“ wie es der Falter nennt. Doch Plan und Strategie sind nicht dasselbe und so werden Mitglieder aber auch Schaulustige immer wieder vor den Kopf gestoßen.

Vertraulichen Informationen zufolge, die KOSMO vorliegen, sei es das übliche Prozedere, beim ersten Erscheinen einer Versammlung, eines Stammtisches oder jedweder anderer persönlichen Zusammenkunft, dieses „Schweigsamkeits-Gelübde“ zu unterschreiben. Zusätzlich zur Debatte um den politischen Konsens und Wert seiner Forderungen stellt sich nun auch die Frage nach seiner Vertrauenswürdigkeit und Transparenz.

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FOTO: Siegfried Wolf/Bierpartei

Die Herrschaft der Wlaznys

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt an der Bierpartei ist die stark zentralisierte Machtstruktur. Obwohl die Partei immer wieder betont, dass sie neue Mitglieder werben und einbinden will, zeigt sich in der Praxis ein anderes Bild. Ehemalige Mitglieder berichten etwa davon versehentlich zu viel oder doppelt eingezahlte Mitgliedsbeiträge nicht zurückgezahlt bekommen zu haben. Mindestsicherungsbezieher, Alleinerzieher sowie weitere gesellschaftlich Benachteiligte, denen ein Betrag von 59 Euro am Ende des Monats fehlt, wurden abgespeist mit der Klausel aus der Satzung: „Ein Anspruch auf Rückzahlung von Beiträgen bei Austritt besteht nicht.“ Das fehlende Geld würde bei der Bierpartei als Spende verbucht und man bedanke sich ganz herzlich.

Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik warnt vor einer „Tendenz zur Oligarchie“. Diese Einschätzung basiert auf den Parteistatuten, die es Wlazny und seinem Vater erlauben, die meisten Entscheidungen allein zu treffen. Der Vorstand besteht nur aus vier Personen – Wlazny, seinem Vater sowie einem Kassier und einem Schriftführer. Die Mitglieder haben wenig bis keine Mitsprache bei der Listenerstellung für Wahlen oder anderen wichtigen Entscheidungen. „Die Satzung ist so gebaut, dass die Wlaznys beinahe alles alleine bestimmen können,“ so Ennser-Jedenastik. Tatsächlich entscheiden Wlazny und sein engstes Team über Kandidaturen und Programme. Für viele Beobachter ist dies ein Widerspruch zu dem volksnahen Bild, das die Bierpartei nach außen zu vermitteln versucht.

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FOTO: Siegfried Wolf/Bierpartei

Zensur und Punkte-Bewertung

Die Frage nach der Auswahl seiner Listenkandidaten und der Besetzung seines inneren Stabes ist ebenfalls mehr als problematisch. Laut Insidern, die mit KOSMO sprachen und aus Angst vor Konsequenzen anonym bleiben wollen, gebe es ein Punktesystem von 1-10. Bei Versammlungen spricht man mit Interessierten und Freiwilligen und gibt sich bei den Interviews positiv und „hands on“. Intern werden die Interviewten von Mitarbeitern bewertet. „Menschen mit unter 7 Punkten haben keine Chance,“ so der Insider.

Das Prozedere ist jedoch selbst für Mitarbeiter undurchsichtig und scheint willkürlich. Einige der von den Wlaznys vorgestellten Kandidaten, die mit mehr als 7 Punkte bewertet worden sind, sind mittlerweile nach kürzester Zeit wieder zurückgetreten. Auch dies wirkt mehr als „sus“ (Anm. der Redaktion: suspekt) von außen. „Antragsberechtigt sind lediglich die Mitglieder des Vorstandes,“ heißt es in der Satzung. „Auch im Büro wurden Leute immer wieder von einem Tag auf den anderen entlassen,“ erzählt der Whistleblower. „Wahrscheinlich haben wir alle zu viele Fragen gestellt,“ vermutet dieser.

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FOTO: Siegfried Wolf/Bierpartei

Familienbetrieb Wlazny

Was die Spitze dieser Parteistruktur angeht, liegen die Karten auf dem Tisch. Michael Wlazny, ein ehemaliger Unternehmensberater, ist laut Insidern „der Kopf des Ganzen“. „Mike plant und organisiert alles aus dem Simmeringer Büro,“ so der ehemalige Mitarbeiter, der keine Verschwiegenheitsklausel unterzeichnet hat, „Niki ist das Gesicht und die Mama macht das Merch.“

Bereits jetzt hat die Bierpartei durch ihre Mitglieder bereits (mindestens!) 501.500 Euro erhalten, geheim gehaltene Großspenden ausgeschlossen. Selbstverständlich kostet ein Wahlkampf Geld, könne man argumentieren. Doch laut Aussagen des ehemaligen Mitarbeiters managt das kleine Büro alle Tätigkeiten von Wlaznys Reich bzw. Pogos Empire, von Tournee-Organisationen für die Band über die Social Media-Kanäle bis hin zur Pressekonferenz für die politische Figur Dominik Wlazny.

Es ist ein gewinnbringender Business-Plan, den Status des berühmten Punkrock-Sohnes zu nutzen. Die Parteienförderung greift in jedem Fall. Ob bei Eintritt oder Nicht-Eintritt in den Nationalrat, die Bierpartei erhält für jede für sie abgegebene Stimme einen gewissen Betrag, der sich dann selbstverständlich summiert. Zählt man die bereits erhaltenen Mitgliedsbeiträge und Spenden hinzu, kann man von einem Millionengeschäft sprechen. Gewinne, die aus den Beiträgen von Menschen kommen, die an ihn glauben und ihr weniges Geld abzwacken – ab Oktober zusätzlich aus Steuergeldern. Es bleibt abzuwarten, ob „Niki“ Wlazny dann im Gegensatz zu seiner Funktion als Bezirksrat, dem Nationalrat wenigstens öfter einen Besuch abstattet, sollten die Sitzungstermine nicht mit seinen Tourdaten kollidieren selbstverständlich.