Start Politik
INTERVIEW

„Horten, Glock und Graf sollen endlich in den Ibiza-Ausschuss kommen“

Nurten_Yilmaz
Foto: Petar Rosandić (KOSMO)

Wie läuft die Arbeit im Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre ab?

Das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Frage ist zweifellos groß: Immerhin geht es um einen der größten Polit-Skandale der Zweiten Republik überhaupt. Wenn jemand aktuell diese Frage als Insider beantworten kann, dann ist das wohl die Nationalratsabgeordnete Nurten Yilmaz (SPÖ). Als eines der 13 Mitglieder des Ausschusses spricht sie im KOSMO-Interview offen darüber, was ihrer Meinung im Untersuchungsausschuss nach falsch läuft…

KOSMO: Der U-Ausschuss zur Ibiza-Affäre hat seine Arbeit aufgenommen. Wie waren die ersten Sitzungen?
Nurten Yilmaz:
Der Anfang war sehr enttäuschend. Neben den zahlreichen offenen Fragen, die die Ibiza-Affäre sowieso mit sich bringt, gibt es mehrere Umstände im Ausschuss, die man hinterfragen muss. Es wurde schon im Vorfeld darüber diskutiert, ob Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Vorsitzender geeignet ist, da es eben seinerseits Nahverhältnisse mit geladenen Auskunftspersonen gibt. Novomatic hat ja bestätigt, dass das Alois-Mock-Institut von ihnen Zahlungen bekam. Und der Präsident von diesem Institut ist eben Sobotka. Ein weiteres großes Problem ist, dass Kronzeugen wie Gaston Glock, Heidi Horten oder Johann Graf letzten Freitag nicht im Ausschuss erschienen sind. Sie werden im Video mehrmals genannt und darum geht es ja auch im Ausschuss: um herauszufinden, ob hier Gesetze und Postenbesetzungen von PolitikerInnen verkauft wurden für Spendengelder. Wenn der Vorsitzende Sobotka den großen Saal genommen hätte, gäbe es für Horten, Glock und Co keine Möglichkeit zu sagen: „Nein, wir können als Risikogruppe wegen den Schutzmaßnahmen zu Corona nicht kommen“. So konnten sie mit Corona argumentieren. Mir ist unklar, warum überhaupt der kleine Saal genommen wurde. Es ist dort nicht mal genügend Platz, um die Sicherheitsabstände für die PressevertreterInnen einzuhalten.

Glauben Sie, dass die im Ibiza-Video erwähnten Personen wie Glock oder Horten letztendlich doch im Ausschuss erscheinen werden?
Wenn wir Kronzeugen nicht befragen können, dann wird der Ausschuss zu einer Farce. Ich hoffe, dass der Vorsitzende Sobotka zeigt, dass er doch nicht befangen ist durch seine Kontakte. Aber ich bin skeptisch. Er wirkt sehr befangen und hat als Vorsitzender immer das letzte Wort im Ausschuss. Trotzdem hoffe ich, dass er doch einsieht, dass er uns die Befragung dieser Schlüsselpersonen ermöglichen muss. Das Parlament hat ja zum Glück andere genügend große Säle, wo alle Corona-Abstände eingehalten werden können. Sie könnten auch aus einem sicheren Nebenraum im Parlament zugeschaltet werden. Das ist alles machbar und abgesehen davon im Interesse der Republik.

Was würden sie die drei Kronzeugen fragen?
Vieles. Heidi Horten, zum Beispiel, wieso und mit welcher Motivation sie 49.000 Euro jeden Monat an die ÖVP überwiesen hat. 49.000 Euro ist übrigens genau die Grenze. Ein Cent mehr und die Spende hätte vom Rechnungshof überprüft werden müssen.

Nurten Yilmaz spricht im Interview mit KOSMO offen darüber, was sich im Ibiza-Ausschuss des österreichischen Parlaments abspielt.

„Sobotka wirkt als Vorsitzender des Ausschusses befangen. Ich hoffe, dass er endlich umdenkt.“

Wie sieht es mit dem siebenstündigen Video aus? Wann bekommt ihr das zu sehen?
Wir sollten hoffentlich bald alle das Video von der Korruptionsstaatsanwaltschaft bekommen. Aber auch da gibt es Ungereimtheiten im Ablauf. Es hat sich herausgestellt, dass das Innenministerium das Video schon seit zehn Tagen hat, aber noch immer nicht der Korruptionsstaatsanwaltschaft gegeben hat. Das ist völlig unverständlich.

Innenminister Nehammer und Justizministerin Zadić waren ja auch im Ausschuss zu Gast.
Ja, auch da zeigen sich paradoxe Umstände: Die Justizministerin Alma Zadic hätte mit Innenminister Nehammer ja eine gemeinsame Pressekonferenz über die bisherigen Resultate der Ermittlungen zur Ibiza-Causa präsentieren sollen. Und dann kommt sie in den Ausschuss und es stellt sich heraus, dass er ihr nicht mal mitgeteilt hat, dass das Video schon bei ihm im Innenministerium ist.

Habt ihr Zugang zu dem Material, das bei den Hausdurchsuchungen gesichert wurde?
Ja. Und da merkt man ganz offensichtlich, wie Strache z.B. dem Chef einer Privatklinik Gesetzesänderungen in Aussicht stellt. Noch dazu dem Chef einer Privatklinik, die auf ästhetische Chirurgie spezialisiert ist. Bei dem Telefon von Strache wurden viele Sachen sichergestellt an Chats, die auch für den Ausschuss relevant werden könnten. Eine Sache fällt aber auf: Es gibt keine einzige SMS, kein einziges Telefonat mit Sebastian Kurz. Irgendwie kann ich daran nicht glauben, dass der Vizekanzler und der Kanzler nie miteinander telefoniert haben…

Wie war die Befragung der beiden Hauptdarsteller: Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus?
Sie gaben sich als Opfer aus und sprachen immer wieder davon, unter dem Einfluss von ihnen verabreichten Drogen gestanden zu sein. Ich bin da eher der Meinung von Florian Klenk, der auch zu Gast im Ausschuss war und als einziger österreichischer Journalist das ganze Video in voller Länge gesehen hat: Es gibt keine K.O.-Tropfen, bei denen man so klar spricht. Dass sie alkoholisiert waren, merkt man, aber von Drogen merke ich nichts. Da wären sie bewusstlos gewesen, hätte ihnen das jemand ins Getränk gemischt. Generell haben sie spärliche Antworten gegeben. Ich habe Gudenus die Frage gestellt: „Wurden Sie erpresst?“ – und zwar mit dem Hintergrund, dass auch den Aussagen vom Herrn Klenk nach sowohl Gudenus-Ehefrau Tajana als auch Heinz Christian-Strache mehrmals die Glaubwürdigkeit der falschen Oligarchen-Nichte im Video hinterfragen, aber Gudenus ist der, der immer wieder beschwichtigt. Wieso hat er denn so ein Grundvertrauen zu der falschen Oligarchen-Nichte? Diese Frage stellt sich für mich. Und auf meine Frage zur Erpressung meinte Gudenus nur: „Nicht, dass ich wüsste“. Wenn man erpresst wird, dann weiß man wohl, dass man erpresst wurde.

Wenn der letzte, finale Tag im Ausschuss kommt: Was wünschen Sie sich dann für ein Ergebnis?
Ich wünsche mir, dass die Verstrickungen zwischen den politisch verantwortlichen Personen und ihren Freunderl in der Wirtschaft lückenlos aufgedeckt werden. Und das, falls notwendig, klarerweise auch die Justiz eingeschalten wird und zum Zug kommt. Wurden Gesetze und Posten verkauft? Gab es politische Käuflichkeit? Wer hat wie der Republik geschadet? Die eineinhalb Jahre türkisblauer Regierung waren relativ kurz, aber in der Zeit ist viel passiert, was uns noch lange beschäftigen wird.

„Die eineinhalb Jahre türkisblauer Regierung waren relativ kurz, aber in der Zeit ist viel passiert, was uns noch lange beschäftigen wird.“