Herbert Kickl schmiedet ehrgeizige Pläne, die das politische System Österreichs grundlegend verändern und sogar die Verfassung gefährden könnten. Der FPÖ-Chef spricht offen von einer „Machtergreifung“ und nimmt dabei autoritäre Staaten zum Vorbild. Er möchte das bestehende System, das er als „liberal“ und „verkrustet“ bezeichnet, durchbrechen und Österreich in ein autoritäres Regime nach dem ungarischen Vorbild von Viktor Orbán zu verwandeln. Was steckt hinter seinen radikalen Ideen? Drohen Demokratieabbau, Medienkontrolle und eine Schwächung der Justiz?
Ein Staat nach Orbáns Vorbild
Herbert Kickl, der Obmann der FPÖ, verfolgt eine politische Strategie, die in ihrem radikalen Ansatz viele Fragen zur Zukunft der österreichischen Demokratie aufwirft. In seinen Reden spricht Kickl immer wieder davon, das „System“ zu verändern, und meint damit wohl die bestehende liberale Demokratie, deren Prinzipien er als veraltet und reformbedürftig betrachtet. Demokratie an sich als obsolet zu bezeichnen, ist zwar nicht neu und machbar, wirkt aber dennoch befremdlich. Die Idee einer „Machtergreifung“, wie sie von Beobachtern beschrieben wird, basiert auf dem Wunsch, das politische und rechtliche System Österreichs nach dem Vorbild autoritärer Staaten zu gestalten.
Eine mögliche Umsetzung dieses Plans sieht Kickl in einer Koalition mit einer anderen starken Partei, wobei er als Kanzler die Leitung übernehmen möchte. Im Fokus seiner Strategie steht die Schwächung der Unabhängigkeit von Justiz und Medien sowie die Reform von Institutionen, die als „Systemparteien“ oder „Teil des Establishments“ betrachtet werden. Dies beinhaltet unter anderem Pläne, den Verfassungsgerichtshof zu reformieren und eine striktere Kontrolle über die öffentlich-rechtlichen Medien zu erlangen.
Extreme Pläne und Kontrolle
Der Standard listet in seinem Artikel mehrere mögliche Szenarien auf, wie eine solche Machtergreifung verlaufen könnte. Dazu zählen eine schrittweise Untergrabung der demokratischen Institutionen, Einschränkungen der Pressefreiheit und die Einführung von Notstandsgesetzen, um politische Gegner zu isolieren. Auch die Einführung eines „Ermächtigungsgesetzes“ ähnlich dem ungarischen Modell wird diskutiert, um die Regierungsmacht zu zentralisieren und die parlamentarische Opposition zu schwächen. Der Standard listet schlüssig auf:
- Es sollen „Notgesetze“ möglich werden, mit denen man zum Beispiel das Menschenrecht auf Asyl abschafft.
- Zuwanderern soll die österreichische Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden, wenn sie „nachhaltig Integrationsverweigerung“ betreiben.
- Es soll verpflichtend eine Volksabstimmung geben, wenn ein Volksbegehren 250.000 Unterschriften bekommt; diese Volksabstimmungen könnten alles Mögliche entscheiden, zum Beispiel ob „das Volk“ eine „unfähige“ Regierung absetzen kann.
- Der erste Artikel der Bundesverfassung soll so verändert werden, dass Österreich eine „wehrhafte, souveräne“ Republik ist, was „uns vor den Übergriffen der EU, der WHO, des Weltklimarates schützt“. Also ein De-facto-Austritt aus der EU.
- Für Lehrer, die nicht im Sinne der FPÖ unterrichten, soll es eine „Meldestelle gegen politisierende Lehrer“ geben; eine „Ombudsstelle“ für ORF-Fehler gibt es schon; Freimaurer sollen namentlich aufgelistet werden.
- Es soll eine „neue Förderstruktur“ für Medien geschaffen werden, an der sämtliche Medien „unabhängig von ideologischen Festlegungen“ (auch ultrarechte) teilhaben sollen. Der „überschießende Verhetzungsparagraf“, mit dem „rechte Politik und Meinungen kriminalisiert“ würden, soll abgeschafft werden.
- Schließlich soll Österreich von einem „freiheitlichen Volkskanzler aus dem Volk und für das Volk“ regiert werden, dessen Wahlmodus und Befugnisse unklar gelassen werden.
Allein diese wenigen Punkte lassen Österreicher mit Migrationshintergrund erschaudern. Dazu hat der Standard ein kurzes und schlüssiges Video veröffentlicht.
Wie Österreich ohne Ausländer aussehen würde, hat KOSMO in der Vergangenheit bereits treffend zusammengefasst. Wie Österreich in 20 Jahren unter Kickl aussehen würde, fassen wir in einem ernüchternden „Zukunftsszenario“ zusammen, ein von George Orwell inspiriertes „Worst Case“-Essay:
„Österreich 2044: Die Neue Ordnung“ (Kommentar)
„Ein Volk, ein Kanzler, ein Österreich.“
Mit diesen Worten begann der Freiheitliche Volkskanzler seine jährliche Rede an die Nation. Vor zwanzig Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass die Alpenrepublik zu einem isolierten, von außen abgeriegelten Staat mutieren würde – abgeschnitten von der Europäischen Union, abgeschottet vom globalen Diskurs, abgeschottet von der Welt. Die Vision von 2024 ist heute Wirklichkeit: Ein wehrhafter, souveräner Staat, losgelöst von internationalen Verträgen und Abkommen, selbstbewusst und auf sich allein gestellt.
Die Mauer steht
Die Einführung der Notgesetze im Jahr 2025 war der Wendepunkt. Zunächst als temporäre Maßnahme verkauft, um angeblich die Sicherheit und den sozialen Frieden zu gewährleisten, wurden sie schnell zur neuen Normalität. Das Recht auf Asyl wurde abgeschafft; Österreich war das erste Land Europas, das diese grundlegende Menschenrechts-Garantie offiziell außer Kraft setzte. Die Grenzen wurden geschlossen, Mauern hochgezogen, die Einreise streng kontrolliert. Flüchtlinge, die es dennoch schafften, die Stacheldrahtzäune zu überwinden, wurden in Lager außerhalb der Städte verfrachtet – auf unbestimmte Zeit.
Nur mehr Lederhosen und Trachten
Zuwanderern, die sich nicht dem Ideal der „österreichischen Lebensweise“ unterwerfen, wird die Staatsbürgerschaft entzogen. Die Kriterien für „nachhaltige Integrationsverweigerung“ waren schwammig formuliert und ließen der Regierung großen Spielraum. Ein missliebiger Facebook-Kommentar, die Weigerung, an einer patriotischen Veranstaltung teilzunehmen, oder das Tragen kulturell fremder Kleidung reichen aus, um als integrationsunwillig zu gelten. Die Betroffenen, entwurzelt und rechtlos, müssen das Land innerhalb von 48 Stunden verlassen. Alle übrigen, geduldeten und „richtigen“ Österreicher tragen Lederhosen und Trachten. Die „blue jean“ ist als US-amerikanische und somit feindliche Verhöhnung guter Europäer nicht mehr geduldet. Man betreibt schließlich seit 20 Jahren auch keinen Handel mehr mit den Staaten.
Frei von den „Fesseln“ internationaler Kooperationen
Die Bundesverfassung wurde ebenfalls grundlegend verändert. Der erste Artikel, der einst die Grundrechte und die demokratische Ordnung Österreichs festschrieb, beschreibt nun eine „wehrhafte, souveräne Republik“. Diese Formulierung war nicht nur symbolisch. Österreich trat aus der Europäischen Union aus, wandte sich von der Weltgesundheitsorganisation und dem Weltklimarat ab. Man wollte sich „vor den Übergriffen globaler Eliten“ schützen, wie es in den offiziellen Verlautbarungen hieß. Die Republik ist stolz darauf, sich den „Fesseln“ internationaler Kooperationen entzogen zu haben – die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen dieser Isolation erreichen „das Volk“ erst gar nicht.
Hass und Hetze gehören der Vergangenheit an
Im Inneren wurde der „Volkskanzler“ eingeführt, ein neues, mächtiges Amt, dessen Wahlmodus und Befugnisse nie genau definiert wurden. Er war „aus dem Volk und für das Volk“, hieß es, doch seine Machtfülle lässt keinen Raum für Zweifel: Der Kanzler kann Gesetze per Dekret erlassen, das Parlament ist nur noch eine Hülle, eine leere Bühne, auf der der demokratische Schein gewahrt wird. Kritische Medien werden durch eine neue Förderstruktur mundtot gemacht. Offiziell heißt es, dass alle Medien, unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung, gefördert werden. In Wahrheit erhalten nur jene Unterstützung, die linientreue Propaganda verbreiten. Der „überschießende Verhetzungsparagraf“, einst geschaffen, um Hass und Hetze zu bekämpfen, wurde abgeschafft. Nun können extreme, ultrarechte Ansichten ungehindert verbreitet werden.
Kickls blaue Paranoia in der Praxis
Die Schulen und Universitäten wurden ebenfalls nicht verschont. Eine „Meldestelle gegen politisierende Lehrer“ überwacht das Bildungssystem. Lehrkräfte, die sich kritisch äußern oder „vom rechten Weg abweichen“, werden entlassen, diffamiert oder sogar strafrechtlich verfolgt. Die „Ombudsstelle“ für ORF-Fehler hat schon längst die Kontrolle über das gesamte Mediensystem übernommen. Selbst Freimaurer werden öffentlich aufgelistet und stigmatisiert – eine Erinnerung daran, wie tief die Paranoia gegen vermeintliche „Feinde des Staates“ geht.
Angst- und FPÖ-gesteuerte „Direktdemokratie“
Das Instrument der Volksabstimmung wurde zur Waffe. Jedes Volksbegehren, das 250.000 Unterschriften erreicht, führt zu einer verbindlichen Volksabstimmung. Diese Abstimmungen können über alles entscheiden, sogar über die Absetzung der Regierung. Die Masse entscheidet auch, emotional gesteuert durch Propaganda und Angstkampagnen. Eine scheinbare „Direktdemokratie“, die in Wirklichkeit nur dazu dient, den Volkskanzler und seine Macht zu legitimieren.
„Allein in Alcatraz“ statt „Insel der Seligen“
Die Straßen Wiens sind leerer geworden, die Cafés, einst Orte lebhafter Debatten, wirken wie leere Schaufenster vergangener Tage. Überall hängen Plakate mit dem Porträt des Kanzlers, daneben der Slogan: „Sicherheit, Stolz, Souveränität.“ Die Welt blickt fassungslos auf das Land, das einst als Inbegriff gelebter Multikulturalität galt. Österreich, die „Insel der Seligen“, wie es Bruno Kreisky einst nannte, wurde zum „Alcatraz der Abgespaltenen“ gemacht.
Segregation statt Integration
In dieser neuen Weltordnung zählt nicht mehr der Einzelne, sondern nur noch die Volksgemeinschaft. Andersdenkende haben keinen Platz. Die „wehrhafte Republik“ hat ihre Bürger fest im Griff, bewacht von einem Sicherheitsapparat, der jeden Schritt überwacht. Die Menschen haben sich angepasst, aus Angst vor Repressalien oder aus Überzeugung – das zu unterscheiden, ist längst unmöglich geworden.
„Österreich erwacht“
Die Sonne geht über Wien auf, doch das Licht, das einst die Stadt durchflutete, wirkt heute kalt und distanziert. Die Melodie des Donauwalzers, die leise aus einem der zahlreichen Volkslautsprecher tönt, klingt wie ein Hohn auf die längst verloren gegangene Freiheit. Die Straßen sind still, die Menschen schweigen – ein Land im Gleichschritt, in einer Ordnung, die keine Abweichung duldet. „Österreich erwacht“, verkünden die Plakate. Nach dem Erwachen beginnt erst der Alptraum. „Guten Morgen, Österreich!“
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