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KOLUMNE

Meer oder Bosnien: „Unfair, mein einziger Freund ist der Koffer!

FOTO: iStockphoto/zVg.

Der Autor, Kolumnist, Szenarist und Student, Hazim Hadžić schreibt für KOSMO über ein Schlamassel, das jeder von uns kennt…

Ich bin ein Mann. Ich ermüde leicht, erhole mich schnell, esse hastig, kaue schnell, achte nicht auf den Geschmack. Niemals satt, immer hungrig; ich warte auf das versprochene Morgen, das irgendeine Rettung bringt, und dabei bleibt vor allem meine Seele hungrig – hungrig danach, durchzuatmen und sich irgendwie zu nähren.

Wenn man mich von der Kette lässt und mir einen bezahlten Urlaub gewährt, freue ich mich (kurz), dann packe ich mein Leben in meinen abgestoßenen schwarzen Koffer und – welch Wunder – es passt alles hinein! Und ich begreife, niedergeschmettert von der bitteren Erkenntnis, dass der Koffer mein bester Freund geworden ist. Er begleitet mich immer, in ihm bewahre ich alles auf und er droht nicht, mich im Stich zu lassen, es sei denn, seine Rollen würden irgendwann nachgeben und ich würde ihn gegen einen neuen eintauschen.

Ich weiß noch nicht, wohin ich ihn diesmal bringen werde: ans Meer oder dorthin, wo wir uns das erste Mal getroffen haben und wo unsere gemeinsame Reise begonnen hat. Wenn wir ans Meer fahren, wird es ihm gut gehen, aber mir nicht; ich werde vor der Sonne flüchten, mich über das Klima ärgern und über mich selber, dass ich nicht fähig bin zu genießen. Ich werde mich vor den Sonnenstrahlen schützen und vor den hohen Preisen, ich werde meinen Urlaub und die Arbeit, die mich hinterher erwartet, verfluchen und die Umstände verurteilen, die mich in diese Situation gebracht haben, aber tief in meinem Inneren werde ich wissen, wo das Problem liegt.

Wenn ich aber nicht ans Meer fahre, dann fahre ich nach Hause. Auch das würde meinem Koffer passen. Er hätte einen Platz zum Wohnen (im Flur, in einem Durchgang, in dem alle an ihm vorbei müssen), aber an mir würde man in tausend Richtungen zerren: man würde mit mir Kaffee trinken gehen, mich zu Mittagessen, Hochzeiten und Festen einladen, und ich würde stumm einwilligen, alles versprechen und mich in meinem Urlaub verausgaben.

Und darum öffne ich heute Nacht, wenn ich im Bett liege, meine Hände und packe mein Leben an, das so zerrissen ist zwischen zwei Urlauben, zwischen dem, was ich bin, und dem, was ich nicht bin. Ein Mann bin ich. Mein Leben gehört mir und ich will es jeden Tag leben, denn es ist das Wertvollste, das mir je geschenkt wurde.

Autor: Hazim Hadžić
Autor, Kolumnist, Szenarist und Student