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NEUE STUDIE

Polygamie: Wie gewalttätig und furchteinflößend sind die Ehen auf dem Balkan?

Obwohl Polygamie auf dem Balkan illegal ist, gibt es immer noch Gemeinden, in denen dieser Brauch existiert.

Emina stammt aus dem Kosovo und ihr damaliger Ehemann aus Mazedonien. Emina kannte ihn vor der Hochzeit nicht, und gleichzeitig wusste sie auch nicht, dass sie mit seinen drei Frauen zusammenleben würde. Drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes spürt Emina die Folgen seelischer und körperlicher Misshandlung.

Ihr Fall gibt einen Einblick in das Konzept der Polygamie auf dem Balkan, oder wie es meist als „Ortaklek“ bezeichnet wird. Ein Brauch, der in einer kleinen Anzahl von Gemeinschaften, darunter sehr oft islamischen, immer noch präsent ist.

Wie in vielen Ländern ist Polygamie auch in Nordmazedonien, wo Emina lebt, illegal. Derzeit gibt es keine eindeutigen Daten über die Anzahl dieser Gemeinschaften auf dem Balkan, berichtet die Website BalkanInsight.

Im Islam zitieren diejenigen, die Polygamie befürworten, oft den Koran und die Tatsache, dass Mohammed mehrere Frauen hatte. Andererseits glauben Historiker, dass diese Praxis während den Kriegen üblich war, als viele Witwen und Waisen finanzielle Hilfe benötigten.

Laut Soziologen wird Polygamie heute jedoch als eine Form von Missbrauch angesehen. Das behauptet auch die Soziologin Tatjana Sojanoska Ivanova, Professorin für Soziologie an der Universität Kyrill und Method, die zugleich die größte Universität Nordmazedoniens ist.

Sie betonte auch, dass sich Frauen zwar an die Institutionen des Systems wenden können, sie aber nicht genug ermutigt werden, solche Gemeinschaften zu verlassen. Gerade weil sie oft wirtschaftlich von Männern abhängig sind, und sie auch nicht die Unterstützung ihrer Familien haben, weil sie sich für ein Leben in Polygamie entschieden haben.

Andererseits ist Polygamie in mehreren Ländern des Nahen Ostens sowie in Afrika erlaubt. Ihre Präsenz auf dem Balkan gilt als Erbe des Osmanischen Reiches, das in manchen Teilen erst im 20. Jahrhundert endete.

Ab 2016 nimmt der Trend der Ehen von Frauen mit Arabern in Bosnien und Herzegowina zu, berichtete BIRN. Ihre Familien, dh Brüder und Väter, gaben oft einen Segen für solche Ehen, in denen der Mann oft bereits Ehen mit zwei oder drei gleichzeitig Frauen hatte.

Eherituale würden oft von Priestern durchgeführt, aber ausgestellte Heiratsurkunden würden weder von der islamischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina noch nach dem Recht von Bosnien und Herzegowina anerkannt.

In Nordmazedonien registrierten die Behörden zwischen 1972 und 2006 18 Fälle von Polygamie. Von 2007 bis 2020 wurden keine Fälle registriert.

Das Stigma, das in Bezug auf Polygamie und Frauen, die in solchen Gemeinschaften leben, geschaffen wurde, führt nur dazu, dass die Opfer oft nicht darüber sprechen. Nena Smilevska, die in Skopje ein Frauenhaus betreibt und Mitglied der Skopje Frauenorganisation ist, behauptet, dass Opfer häuslicher Gewalt sich oft weigern, über dieses Thema zu sprechen.

„Solange Gewalttäter nicht bestraft werden, wird es solche Fälle geben“, sagte Ivanova gegenüber BIRN.