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KOMMENTAR

Warum lässt die EU den Balkan links liegen?

(FOTO: vlada.mk)

Die Situation am Balkan wird immer brenzliger. Konflikte zwischen den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens flammen wieder auf und eine Versöhnung scheint schwerer denn je.

Der Balkan, im „Westen“ auch gerne als Pulverfass Europas bezeichnet, scheint in einer der größten Krisen seit Jahren zu stecken. Die EU reagiert zögerlich, während Russland und China den Einfluss stark ausbauen. Quo vadis, Balkan? Diese Frage stellt sich den vergangenen Tagen vielen und auch internationale Medien berichten immer häufiger über die immer größer werdenden Klüfte zwischen den Westbalkanstaaten.

Kosovo-Frage derzeit unlösbar
Es ist kein Geheimnis, dass die Beziehungen zwischen Belgrad und Pristina keine guten sind. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos im Jahre 2008 kämpft die ehemalige jugoslawische/serbische Provinz um eine endgültige Lösung ihres Status. Viele Staaten haben die Souveränität des Kosovos bereits akzeptiert, aber eben nicht alle. Die EU versucht sich seit Jahren als Vermittler, um die Kosovo-Frage zu lösen und scheitert bis dato kläglich.

Während in Brüssel wenig passiert, kommt es immer häufiger zu Situationen und Zwischenfällen, die die Wogen am Balkan hochgehen lassen. Angefangen von überzogenen Einfuhrzöllen auf serbische Waren vor drei Jahren bis zu den derzeit andauernden Grenzblockaden aufgrund eines Kennzeichenstreits. Die Gräben werden immer größer, die Kosovo International Security Assistance Force (KFOR) hat ihre Patrouillen entlang der serbisch-kosovarischen Grenze verstärkt und das serbische Heer steht ebenfalls in Alarmbereitschaft.

Bosnien splittet sich
Ebenfalls alarmierend ist die Situation auf der anderen Seite der Drina. Das serbische des bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidiums und der ehemalige Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik ist schon seit Jahren für seine separatistischen Ambitionen über die Grenzen hinaus bekannt.

Immer wieder kündigte er eine Abspaltung der mehrheitlich von bosnischen Serben bewohnten Entität von Bosnien-Herzegowina an. Umgesetzt hat er dies bis dato noch nie. Nichtsdestotrotz ist er ein Verfechter transnationaler serbischer Bestrebungen. Dazu zählen etwa der der „Tags der serbischen Einheit, Freiheit und Nationalflagge“ (der übrigens erst letztes Jahr eingeführt wurde) und die „serbischen Welt“ – wie der serbische Innenminister Aleksandar Vulin eine „Vereinigung, Zusammenarbeit und den Erhalt der serbischen nationalen und kulturellen Identität“ bezeichnet.

Dodiks letzter Coup war schlussendlich die Forderung nach der Abschaffung des Hohen Vertreters von Bosnien-Herzegowina, wofür er sich die Unterstützung Russlands und Chinas sicherte. Außerdem kündigte er kürzlich an per Votum im Parlament der Republika Srpska die Zustimmung zu einer gemeinsamen bosnischen Armee zurückzuziehen. Stattdessen schlug man zeitgleich die Bildung einer eigenständigen Armee „binnen weniger Monate“ vor.

EU sendet falsche Signale
Auch wenn die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Westbalkanbesuch auf Deeskalation und eine Rückkehr zum Verhandlungstisch pochte, so scheint eine Lösung der Kosovo-Frage sowie der steigenden separatistischen Tendenzen in Bosnien-Herzegowina unter der Schirmherrschaft der Europäischen Union nicht besonders realistisch.

Die politischen Anführer der Westbalkanstaaten betont immer wieder, dass nach einer EU-Mitgliedschaft getrachtet wird, allerdings scheint die Motivation dafür sowohl innerhalb der Politik als auch der Gesellschaft immer geringer. Gleichzeitig schickt die Europäische Union in den letzten Tagen falsche Signale in die Region. Nach Angaben von vier Diplomaten und einem internen Dokument kann die Europäische Union den Beitritt der Westbalkanstaaten nicht mehr garantieren, berichtet Reuters. Nur kurz darauf wurde bereits die nächster EU-interne Diskussion geleakt: die Reisefreiheit für den Balkan in das Schengen-Gebiet soll abgeschafft werden. Die 90 Tage visumsfrei könnten schon bald der Vergangenheit angehört.

Ein Lichtblick hinsichtlich der Beziehung zwischen dem Balkan und der Europäischen Union ist jedoch die Kompromisslösung zwischen Belgrad und Pristina. Laut dem serbischen Präsidenten werde eine Übergangslösung in Form von „Aufklebern“ eingeführt werden.