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SFRJ

Was ist von Jugoslawien geblieben?

Tragische Bilanz
Die neu entstandenen Staaten traten nach den Kriegen ihren Weg der politischen Transformation an, versuchten Gesellschaft und Wirtschaft zu konsolidieren und sich auf den Weg Richtung EU zu machen. Einigen ist das auch sehr schnell gelungen. Slowenien, von dem viele Theoretiker meinen, dass es durch den Zerfall Jugoslawiens am meisten gewonnen hat, konnte den kriegerischen Konflikt in sieben Tagen beenden, Unabhängigkeit erlangen, eine neue Regierung bilden und schon 2004 der Europäischen Union beitreten. Es ist zum Land mit dem besten Wirtschaftsstandard der Region geworden.

Im Gegensatz zu Slowenien geriet Serbien Ende der neunziger Jahre in einen neuen Krieg, den es ziemlich teuer bezahlen musste, und zwar in wirtschaftlicher, politischer und demographischer Hinsicht. Mit dem Sturz Miloševićs am 5. Oktober 2000 begann der Kampf gegen viele Kriegsfolgen und gegen die Etiketten, die dieses Land bekommen hatte. Der Weg der Demokratisierung dauerte jedoch nur wenige Jahre, danach kam es zu einem Regierungswechsel und die Kräfte im Staatsapparat, die das Land in den Krieg trieben und ihn unterstützten, und deren Rolle der Welt noch gut im Gedächtnis war, erstarkten erneut. Nicht sehr anders ist die Situation in BiH, das infolge des Krieges fast die meisten Einwohner verloren hat, und in Montenegro, das seit der Staatengemeinschaft mit Serbien über die Erlangung der Unabhängigkeit hinaus bis ins vergangene Jahre hinein von einem Oberhaupt, der sich als Premierminister und Präsident mit Elementen eines autoritären Führers abwechselte.

„Man könnte sagen, dass auch Kroatien vom Zerfall Jugoslawiens profitiert hat, weil die Schaffung des unabhängigen Staates auf der politischen und ideologischen Motivation begründet war, sich von der SFRJ, die als serbisch dominiertes Land galt, zu entfernen”, erklärt Džihić und betont, dass die Bilanz der Unabhängigkeit für einige Staaten tragisch war und teilweise noch immer ist.
Obwohl sich die Mehrheit der Bevölkerung einen demokratischeren Staat, einen westeuropäischen Lebensstandard und eine bessere Wirtschaftssituation wünschte, brachten die Wahlen überwiegend autoritäre Führer an die Macht, die mit ihrer problematischen und hetzerischen Rhetorik oft die Konflikte zwischen den Völkern anheizen.

Eines der Hauptziele der Staaten, die durch den Zerfall Jugoslawiens entstanden, ist und war es, der EU beizutreten. Allerdings führten die politischen und ökonomischen Verhältnisse, der Mangel an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, der Kampf gegen Kriminalität, Korruption und Vetternwirtschaft, die innenpolitischen Entwicklungen, die autoritäre Führung und das internationale Image dazu, dass nur zwei Staaten, Slowenien und Kroatien (2013), dieses Ziel erreichtet haben. Serbien begann den Prozess der Beitrittsverhandlungen offiziell 2014. Inzwischen hat es nur zwei von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln abgeschlossen und erst 18 eröffnet. Montenegro befindet sich in einer etwas besseren Position, da es bereits 33 Kapitel eröffnet hat, hat jedoch ebenfalls erst drei abgeschlossen. Der Verhandlungsprozess begann hier 2012. Auf der anderen Seite ist Nordmazedonien erst im vergangenen Jahr offiziell Beitrittskandidat geworden, während BiH noch nicht einmal Kandidatenstatus hat.

Neben den Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Beitrittsanforderungen für die EU und schlechten politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen tragen die Balkanländer auch ihr Kriegserbe, das ihnen ein stereotypes und vorurteilsbehaftetes Image verliehen hat, als schwere Last mit sich. „Der geschädigte Ruf der Balkanländer, das Bestehen einer andauernden Animosität und die negativen Assoziationen, die in den europäischen Medien, in der Perspektive Brüssels, Paris’ und Berlins und im globalen Verständnis mit einzelnen Ländern verbunden sind, ist ein Folgeschaden des Krieges, der sich nicht beziffern lässt, der aber in allen wichtigen politischen Debatten wieder auftaucht. Die Region selbst reproduziert das Muster der Animositäten, Unverträglichkeiten und des Hasses aus den neunziger Jahren derweil weiter und stärkt damit die Stereotype über die Region als Ort seltsamer, bösartiger und hasserfüllter Menschen, die stets bereit sind, andere für ihre eigenen Fehler verantwortlich zu machen”, erläutert Džihić.

Warum es zu einem Wirtschaftseinbruch in der gesamten Region kam, lest ihr auf der nächsten Seiten!

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Nachdem sie ihr Bachelorstudium an der Fakultät für Politikwissenschaften in Belgrad abgeschlossen hat, begann Aleksandra ihre journalistische Karriere bei der Tagespresse in Serbien, wo sie bis zu ihrem Master-Abschluss gearbeitet hat. Letztes Jahr verschlug es die wissbegierige Serbin schließlich nach Wien. Jetzt lebt sie ihre Leidenschaft für Journalismus als Redakteurin des KOSMO-Magazins aus. Stets professionell und mit viel Interesse, berichtet sie über aktuelle politische und gesellschaftliche Themen. In ihrer Freizeit liest die Politologin am liebsten ein Buch, oder entdeckt auf ihrem Fahrrad neue Orte in Wien.