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SFRJ

Was ist von Jugoslawien geblieben?

(FOTO: zVg.)

WIRTSCHAFT. Jugoslawien war einer der größten Exporteure in der Region und einige der bekanntesten internationalen Marken unterhielten Werke in den Staaten ex-Jugoslawiens.

Ein unabhängiger Staat — „ein Staat, in dem Milch und Honig fließen”
Die Schaffung neuer, unabhängiger Staaten haben die Länder ex-Jugoslawiens nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch teuer bezahlt, denn, wie die Balkanmedien seinerzeit schrieben, diese „Scheidung” kostete die neuen Kleinstaaten fast 350 Milliarden Euro.
„Mit einer wirtschaftlichen Überschlagsrechnung lässt sich schätzen, wie viel die kriegerischen Verwüstungen von Teilen Kroatiens, fast ganz BiHs und Kosovos „gekostet” haben, wie groß der wirtschaftliche Verlust Serbiens während der Sanktionen und der der gesamten Region aufgrund der zehnjährigen wirtschaftlichen Stagnation war. Unklar ist auch, wie viel infolge der Entstehung der kriminellen Strukturen, die sich nach dem Krieg gebildet und wirtschaftliche Ressourcen der Bevölkerung gestohlen haben, verloren gegangen ist, und wie groß der wirtschaftliche Schaden ist, der von den politischen Eliten, die Geld auf korrumpierte und intransparente Weise ausgegeben haben und so das BIP und die sozioökonomische Entwicklung dieser Länder geschädigt haben, angerichtet wurde. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich dabei um die Summe handelt, die in den Medien kolportiert wurde, aber sicher ist, dass sie ziemlich hoch ist”, meint Džihić.

Wissend, dass das Ziel des wirtschaftlichen Fortschritts, welcher einer der Elemente der Idee der Erlangung der Unabhängigkeit war, nicht erreicht wurde, neigen Jugo-Nostalgiker, die der Zeit und der Struktur dieser balkanischen Föderation nachhängen, sowie auch einzelne Theoretiker dazu, zu sagen, dass Jugoslawien, wäre es nicht zu diesem Krieg gekommen, heute eines der führenden europäischen Länder wäre, dass man weitaus besser leben würde und Menschen wegen des guten Standards nach Jugoslawien und nicht aus Jugoslawien migrieren würden, wie es bei den heutigen Balkanstaaten der Fall ist.

Ausländische Firmen, die in Jugoslawien Niederlassungen hatten:
– Levi Strauss ließ bei Varteks in Varaždin produzieren.
– „Lee Cooper” – Beko.
– Wrangler wurde in Mazedonien produziert.
– Puma-Sneakers wurden von Borovo gefertigt.
– Adidas – Planika (Slowenien).
– Boss wurde in Kragujevac produziert.
– Elan produzierte die Ski, auf denen Weltmeister Stenmark fuhr.
– Tomi-Mayonnaise, PEZ und Wrigley, das heutige Orbit, kamen von Kolinska in Slowenien.
– Cimos produzierte für Citroen-Wagen.
– In Priština wurden Peugeots gebaut.
– IDA montierte in Kikinda im Jahr 10.000 Opel. In seiner Gießerei wurden Blöcke für Mercedes und BMW produziert.
– FAP in Priboj und TAM in Maribor produzierten schwere LKW und Sattelschlepper und Zastava in Kragujevac leichtere Transporter.-
– Die Lada-Fabriken in Russland und in Polen wurden von Zastava-Fachleuten in Zusammenarbeit mit Fiat in Betrieb genommen.
– Die Scheinwerfer des slowenischen Herstellers Saturnus wurden nicht nur in Zastava-Modelle eingebaut, sondern auch in Volkswagen, Opel, Fiat…
– FRAD produzierte in Aleksinac Luftfilter für Mercedes, Morris, Fiat…
– Priština produzierte Stoßdämpfer für Zastava, Fiat und Opel.

Das erträumte „Land, in dem Milch und Honig fließen” haben viele Staaten noch immer nicht erreicht und der Weg dorthin hat sich als weniger leicht erwiesen als erwartet. „Im sozioökonomischen Sinne ist die Ungleichheit zwischen den Staaten sogar noch größer geworden als es im ehemaligen Jugoslawien der Fall war. Einzelne Teile des ehemaligen Staates, vor allem einzelne Teile Serbiens, BiHs, Nordmazedoniens, Montenegros und des Kosovo haben noch nicht das Niveau an wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung erreicht, das in den achtziger Jahren bestanden hat. Daher haben sich die Erwartungen, dass alle Länder mit dem Erhalt der Unabhängigkeit zu mehr Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit und zu einem höheren Lebensstandard kommen würden, nicht erfüllt”, betont Džihić.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des ehemaligen Jugoslawien war so hoch, dass das Land international den 31. Platz eingenommen hat. Das erreicht heute kein einziger Staat mehr. Derzeit steht Kroatien am besten da, das sich nach den Daten der Weltbank (für das Jahr 2019) mit einem BIP von ca. 50,9 Milliarden Euro auf Platz 80 befindet. Slowenien nimmt mit einem BIP von ca. 45,5 Milliarden Euro Platz 85 ein. Serbien liegt mit 43,1 Milliarden Euro auf Platz 89, während BiH mit einem durchschnittlichen BIP von 16,9 Milliarden Platz 114 innehat. Nordmazedonien hat seine Lage im Verhältnis zur Zeit Jugoslawiens, als es unter den Republiken wirtschaftlich am rückständigsten war, verbessert und liegt mit einem BIP von ca. 10,5 Milliarden Euro auf Platz 136. Montenegro erreicht mit einem BIP von 4,6 Milliarden Euro den abgeschlagenen 151. Platz.

Wie die Lage in den Balkanstaaten heute aussieht, davon zeugt die Tatsache, dass sich, zählte man die BIPs aller Staaten zusammen, ca. 171,5 Milliarden Euro ergäben und damit etwas weniger als das halbe BIP Österreichs (374,5 Milliarden Euro).
Die Staatsverschuldung ist der eine Faktor, in dem die Balkanstaaten im Verhältnis zur ehemaligen SFRJ zugelegt haben, und so beträgt diese derzeit (insgesamt) zehnmal mehr, als dies Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Fall war. Am höchsten ist Kroatien mit 44,5 Milliarden Euro verschuldet, bei Slowenien sind es ca. 43,5 Milliarden Euro und bei Serbien ca. 26 Milliarden. Aber auch Nordmazedonien und Montenegro liegen mit 7,8 Milliarden Euro bzw. 7,7 Milliarden Euro nicht weit dahinter. Die geringsten Schulden hat BiH mit 4,2 Milliarden Euro.

„Das Zweite Jugoslawien war 45 Jahre lang eine historische Tatsache und hat zur Modernisierung der Bevölkerung, zur Bekämpfung des Analphabetismus und zum wirtschaftlichen Fortschritt beigetragen und die sozialen Grundlagen gelegt, ohne die die heutigen neuen Staaten nicht bestehen könnten.“

– Vedran Džihić

Auch die Durchschnittslöhne der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien entsprechen außer in Slowenien, wo die Bevölkerung netto ca. 1660 Euro monatlich verdient, nicht den europäischen Standards. Als Mitgliedsland der EU hat auch Kroatien seinen Lebensstandard steigern können. Seine Bevölkerung verdient ca. 900 Euro monatlich. In Serbien, Montenegro und BiH verdient man ca. 560, 516 bzw. 490 Euro, während die Arbeiter Nordmazedoniens mit 461 Euro am schlechtesten bezahlt werden.

Wie viele Menschen den Balkan in Richtung Westen verlassen haben. findet ihr auf der nächsten Seite!

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Nachdem sie ihr Bachelorstudium an der Fakultät für Politikwissenschaften in Belgrad abgeschlossen hat, begann Aleksandra ihre journalistische Karriere bei der Tagespresse in Serbien, wo sie bis zu ihrem Master-Abschluss gearbeitet hat. Letztes Jahr verschlug es die wissbegierige Serbin schließlich nach Wien. Jetzt lebt sie ihre Leidenschaft für Journalismus als Redakteurin des KOSMO-Magazins aus. Stets professionell und mit viel Interesse, berichtet sie über aktuelle politische und gesellschaftliche Themen. In ihrer Freizeit liest die Politologin am liebsten ein Buch, oder entdeckt auf ihrem Fahrrad neue Orte in Wien.