Start Aktuelle Ausgabe
REPORTAGE

COVID-19-Impfung: tödliches Gift oder rettende Vakzine?

COVID-19-Impfung: tödliches Gift oder rettende Vakzine? (FOTO: iStock)

Seit fast einem Jahr leben wir schon in der Krise. Verängstigt und ohnmächtig haben wir auf die Hilfe der Wissenschaft gewartet, aber jetzt, wo sie uns endlich in Form einer Impfung geboten wird, melden sich Misstrauen und Angst vor möglichen Folgen. Das ist kein Wunder: Menschen bekommen Angst, wenn sie ins kalte Wasser springen sollen.

Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben verändert. Einige haben große Panik oder sogar Depressionen entwickelt und halten sich an die Beschränkungen, die von Fachleuten und Politikern empfohlen werden, während es für andere eine hervorragende Gelegenheit ist, Verschwörungstheorien zu entwickeln und zu verbreiten. Von Anfang an kursierten auf verschiedenen Kanälen, darunter auch die sozialen Netzwerke, Geschichten von dem großen Projekt eines „tiefen Staates”, der die Fäden zieht und die Welt regiert. Angeblich sind George Soros und Bill Gates an allem schuld und ihr Plan sei es, die gesamte Weltbevölkerung mithilfe einer Impfung zu chippen. Andere Quellen behaupten, Corona werde von den Sendemasten des 5G-Netzes verbreitet und die Impfung diene dazu, die Zahl der Menschen auf diesem Planeten zu verringern. Andere interpretieren die Pandemie wiederum als Kampf zwischen Gott und Teufel und deuten die Impfung von Pfizer/Biontech als Werk des Bösen, das die Menschen in Zombies verwandeln will.

Die Angst ist verständlich, da hier eine Unbekannte im Spiel ist, aber wir müssen zugeben, dass wir seit Februar vergangenen Jahres vom Internet und unseren elektronischen Geräten abhängig geworden sind, und fast jeder von uns meint, den Virologen, Genetikern und Biologen Paroli bieten zu können. Die Älteren erinnern sich wahrscheinlich noch daran, dass im ehemaligen Jugoslawien 1972, während der Pocken-Epidemie, fast die gesamte Bevölkerung immunisiert wurde, weil es die Staatsspitze so entschieden hatte. Niemand wurde gefragt, ob er eine Impfung wollte, sondern es wurde einfach angeordnet, dass jeder seinen Ärmel hochzukrempeln hat. Und die Ärmel wurden widerstandslos hochgeschoben. Heute ist das alles anders und ein großer Teil der Bevölkerung lehnt die Impfung ab, was vom Gesetz her zulässig ist. Wenn jedoch erst einmal die Liste der Bedingungen bekannt wird, die dann für die Nicht-Geimpften gelten könnte, wird es doch viele zur nächsten Impfstation ziehen. So ist es, wenn man „freiwillig gezwungen” wird.

Über den Nutzen bzw. das Risiko, das die COVID-19-Impfung für die menschliche Gesundheit mit sich bringt, sprechen alle, aber die Meinungen gehen weit auseinander. Die „Wahrheit” verbreitet sich schnell, alle glauben, alles zu wissen, haben aber meistens kein fachspezifisches Wissen als Grundlage für solche Diskussionen. Wir wollen unsere Leser über dieses wichtige Thema aufklären, und daher hat KOSMO mit Dr. Aleksandar Backović gesprochen, einem Molekularbiologen, der schon ungeduldig darauf wartet, dass er mit der Impfung an der Reihe ist.

Dr. Aleksandar Backović:„Die Vakzine kann die Türen zu ganz neuen therapeutischen Möglichkeiten eröffnen.” (FOTO: Uroš Miloradović)

KOSMO: Verfolgen Sie die Diskussion, die mit dem Impfbeginn eingetreten ist?
Dr. Aleksandar Backović: Für mich ist die Hysterie bezüglich der Immunisierung auf jeden Fall zivilisationsgeschichtlich ein Schritt zurück. Es ist die Aufgabe der Regulierungsbehörden, die Sicherheit und Wirksamkeit von Medikamenten sicherzustellen, aber auch, uns Leitlinien und eine Richtung vorzugeben, in die wir gehen sollen. Wenn wir alle versuchen, Hobby-Virologen oder -Epidemiologen zu sein, erinnert mich das sehr an die Diskussionen darüber, wer am besten in die Nationalmannschaft berufen werden sollte. Da wird dann jeder zum Nationaltrainer.

Wie sehr können Wissenschafter dazu beitragen, die Wogen in der Öffentlichkeit zu glätten?
Jede Expertenmeinung lässt sich hinterfragen und in Zweifel ziehen, das liegt im Wesen der Wissenschaft. Vor einiger Zeit habe ich ein riesiges Bild vom Anfang des 20. Jahrhunderts gesehen, eine Halle voller Kinder in Eisernen Inkubatoren, und darunter der Kommentar: „Gott-sei-Dank haben wir die Kinderlähmung ausgerottet”. Das Bild dieser Kinder war beängstigend und hat mich während dieser ganzen Diskussion über Corona nicht losgelassen, denn Kinderlähmung ist eine Krankheit, die tatsächlich durch eine Impfung ausgerottet wurde.

Würden Sie sich mit dem Pfizer-Impfstoff impfen lassen?
Ja natürlich, sofort und ohne nachzudenken! Aber da der Staat eine Strategie hinsichtlich der Impfdynamik vorgesehen hat, bin ich noch nicht an der Reihe. Ich kenne viele Leute aus dem Fach, die die Impfung sofort annehmen würden, weil sie dann ohne Beschränkungen leben könnten. Sie könnten reisen und all ihre Lieben wieder besuchen, was ja schon seit Monaten nicht mehr geht.

In der Öffentlichkeit herrscht enormes Misstrauen gegenüber den Menschen, die auf globalem Niveau die Entscheidungen treffen, da am Anfang vieles überstürzt entschieden wurde.
Das ist eine Verallgemeinerung, der ich, soweit die Fachwelt betroffen ist, nicht zustimmen kann. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Impfung dank internationaler Anstrengungen in Rekordzeit entwickelt wurde. Die Forschungslabore haben bei der Entwicklung des Impfstoffs zusammengearbeitet und in den vorklinischen und klinischen Studien wurde nichts überstürzt gemacht. Die wissenschaftlichen Forschungen, die mit der Entwicklung des Impfstoffs zusammenhingen, wurden sehr gründlich und systematisch durchgeführt. Einige politische Entscheidungen waren überstürzt, was aufgrund der Dynamik der Situation, in der wir uns befinden, auch kein Wunder ist, aber für mich besteht nicht der Hauch eines Zweifels am Handeln der internationalen Institutionen.

Obwohl gesagt wurde, dass es viele Jahre dauern würde, ist die Pfizer-Biontech-Impfung sehr schnell auf den Markt gekommen. Wie erklären Sie sich das?
Man darf nicht vergessen, dass die Grippeimpfung jedes Jahr gewissermaßen neu erfunden wird. Was wirklich neu ist, ist die Wirkungsweise der Pfizer-Impfung, die ebenso wie der Moderna-Impfstoff eine sogenannte mRNA-Impfung ist, die das Immunsystem auf neuartige Weise herausfordert. Die Impfungen wurden in klinischen Studien bereits an einer sehr großen Zahl von Versuchspersonen getestet und haben sich als sicher und wirksam erwiesen. Diese Studien sind nötig, damit die internationalen Regulierungsbehörden ihre Zustimmung dazu geben, dass die Impfungen in den Verkehr gebracht werden. Die Entscheidungen dieser Regulierungsbehörden zu hinterfragen, ist für mich gegenstandslos, weil das keine politischen Entscheidungen sind und ich nicht glaube, dass sich irgendjemand darauf einlassen würde, mit der Gesundheit zu spielen.

Ihre Haltung zu der Impfung ist also absolut positiv?
Ja! Einen Dialog anzustoßen, der in dieser Situation, in der wir uns als Gesellschaft auf globalem Niveau derzeit befinden, ein Klima des Misstrauens schafft, ist ein sehr gefährliches Spiel. Einzelnen, die die Idee verbreiten, dass die Impfung gefährlich sei, eine offene Bühne zu bieten, ist sehr verantwortungslos, denn da können Menschenleben in Gefahr geraten. Jeder kann sehen, was die Impfung enthält, das ist kein Geheimnis. Da ist kein Platz, um ein negatives Klima zu schaffen. Übrigens enthält jede gerauchte Packung Zigaretten mehr Formaldehyd als jeder beliebige Impfstoff, und von den Zutaten von Würsteln gar nicht zu reden.

Die Technologie, die für die Entwick-lung des mRNA Impfstoffs eingesetzt wird, ist neu.

Sehr lautstark haben sich Menschen zu Wort gemeldet, die behaupten, dass sich eine RNA-Impfung auf die DNA des Empfängers dauerhaft negativ auswirken kann. Was sagen Sie dazu?
Diese Behauptungen haben nichts mit der Funktionsweise der Biologie zu tun! Um Informationen aus der RNA in die DNA zu übernehmen, ist ein Enzym nötig, das Menschen an der Stelle, an der die Impfung wirkt, gar nicht haben. Das funktioniert einfach nicht zwischen COVID-19, der Impfung und dem, was sich im Impfstoff befindet. Diese Behauptungen gleichen denen vom Anfang des 20. Jahrhunderts, dass uns „der Starkstrom alle umbringen würde, wenn er in den Haushalten eingeführt würde”. Wissenschaftliche Gerüchte verbreiten sich mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit, aber meistens ohne Beleg durch ernstzunehmende Quellen oder wissenschaftliche Studien. Nach irgendeinem magischen Prinzip werden sie zusammengemischt, machen aber im Grunde keinerlei Sinn. Glauben Sie mir, das ist dasselbe, als wenn ich jetzt behaupten würde, dass den 5G-Antennen dieser Impfstoff injiziert würde.

Die Menschen fürchten sich vor neuen Technologien und vor dem Unbekannten, meinen Sie nicht?
Die Technologie, die jetzt für die Entwicklung des Impfstoffs eingesetzt wird, ist im Prinzip neu, und wenn sie sich im Kampf gegen Corona als effizient erweist, wie es die Ergebnisse der klinischen Studien versprechen, kann sie die Türen zu ganz neuen therapeutischen Möglichkeiten eröffnen, die mit der Entdeckung der Antibiotika vergleichbar sind. Unter anderem würde sich die Möglichkeit auftun, viele Arten von Karzinomen, genetische Erkrankungen und eine Reihe anderer Krankheiten zu heilen. Diese Impfung ist ein großer wissenschaftlicher Fortschritt und ich bin überzeugt, dass die amerikanischen, europäischen, chinesischen, indischen, brasilianischen und japanischen Regulatoren nicht alle unter dem Einfluss irgendeiner Interessensgruppe stehen können und dass sie nicht alle entschieden haben, zum Schaden ihrer eigenen Völker zu handeln.

Dr. Aleksandar Backović: „Einzelnen, die die Idee verbreiten, dass die Impfung gefährlich sei, eine offene Bühne zu bieten, ist sehr verantwortungslos, denn da können Menschenleben in Gefahr geraten.”

Haben Sie den Eindruck, dass die sogenannten einfachen Menschen den Wissenschaftlern und ihrer Arbeit noch nie so viel Aufmerksamkeit geschenkt haben?
Es können nicht alle Wissenschaftler sein, genauso wenig wie Nationaltrainer. Informationen und Pseudo-Informationen stehen allen offen, und so hat die Verbreitung von „Wahrheiten” ohne Hand und Fuß auf verschiedenen Plattformen eine Eigendynamik entwickelt. Die Menschen wollen Instant-Wahrheiten, Wahrheiten in 126 Zeichen. Sie wollen komplexe Themen in zwei Sätzen und in einer Sprache, die sie verstehen, erklärt haben. Gleichzeitig wollen sie kritisch und authentisch sein, sie wollen informiert werden und eine Meinung haben und, wenn irgend möglich, wollen sie widersprechen. Das liegt in der Natur des Menschen. Ich verstehe, dass die Menschen Angst haben, denn sie haben sich auch vor dem Strom, den Antibiotika und der Atomenergie gefürchtet, und das teilweise zu Recht. Aber das sind alles Superkräfte, die wir als Gesellschaft mithilfe der Wissenschaft bekommen haben und ohne die die Welt heute undenkbar ist.

Auf der nächsten Seite geht’s weiter…

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.