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ALKOHOLSUCHT

Alkoholiker über Entzug: Die Sucht zieht mich jeden Tag hinunter

Alkoholiker
FOTO: (iStock/KatarzynaBialasiewicz)

Marinko aus Belgrad ist geheilter Alkoholiker. In einem Interview verrät er, warum die Zeit nach dem Entzug besonders schwierig ist.

Das Geheimnis einer erfolgreichen Heilung vom Alkoholismus sei die Verinnerlichung eines Lebens ohne Alkohol, es liege also in der Vorstellungskraft, sagt Marinko in seinem Interview mit der „Nova“. Alkoholismus ist die am weitesten verbreitete Suchtkrankheit, an der jährlich mehr als drei Millionen Menschen weltweit sterben.

„Meine erste Aufgabe während der Behandlung war das tägliche Tagebuch inklusive Reflexion. Mir widerstrebte, meine Zeit zu planen und mein Verhalten zu analysieren. Nach einer anderthalbjährigen Behandlung ist mir klargeworden, dass Zeitplanung das Wichtigste für jeden Menschen ist, ganz besonders, wenn man an einer Suchtkrankheit leidet. Es ist eigentlich die Planung, die uns ermöglicht, unser Verhalten allmählich zu verändern und zu dem Menschen zu werden, der wir sein wollen“, sagt Marinko.

Im Gegensatz zu einer laienhaften Abstinenz, die zwar sinnvoll sei, aber keine drastische Veränderung im Leben darstelle, basiere ein erfolgreicher Entzug auf einer radikalen Veränderung des Verhaltens. Diese sei schwierig und fordernd, aber es lohne sich.

„Um ein Leben ohne Alkohol zu gestalten, braucht es Motivation und Willen sowie eiserne Disziplin, Geduld und kompromisslose Beharrlichkeit.“ Es ist schwer, für mich war es das auf jeden Fall, sich selbst zu ändern. Die Sucht und die alten Gewohnheiten ziehen mich jeden Tag nach unten, während die Vernunft und der starke Lebenswille mich wiederaufrichten.“

Wie sieht sein Alltag aus?

„Ich schreibe täglich einen Plan und halte mich daran. Für einen gesunden und disziplinierten Menschen ist das eine ganz normale Routine, aber für mich ist es eine enorme Herausforderung. Es hat mich eineinhalb Jahre gekostet, mich aus dem Sumpf, in den ich hineingesunken war und 30 Jahre lang gelebt hatte, wieder zu befreien. Das ist eine lange Zeit, und es war zeitweise wirklich furchtbar.“

Marinko schafft es eigenen Worten zufolge fast immer, seinen Plan einzuhalten.

„Die Mechanismen hinter der Sucht ziehen mich ständig zu den alten Mustern hin, aber ich wehre mich, ich gehe weiter, ich bin jetzt ein besserer und anderer Mensch. Bei der Planung ist es sehr wichtig, realistisch zu sein, das heißt, sich nur so viel vorzunehmen, wie man tatsächlich schaffen kann. Ich muss selbstkritisch sein und positiv denken, mich jeden Tag meinen Fehlern und Misserfolgen stellen. Die Vision eines Lebens ohne Alkohol ist im Grunde eine lebenslange Aufgabe.“

Eine Gefahr sei die Langeweile. Sobald er nichts vorhabe, werde ihm langweilig, und das sei ein Zeichen für einen Fehler, der unweigerlich zu einem Rückfall führe.

„Fehler sind ein Zeichen dafür, dass ich noch stärker und noch ausdauernder werden soll, und ich werde es schaffen. Ich muss positiv denken, auch wenn oft gar nichts dafürspricht, aber nur so komme ich weiter. Es heißt nicht umsonst: Du bist, was du denkst“, sagt Marinko abschließend.