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KOMMENTAR

Alles riecht nach 1999: der fragile Frieden am Balkan

Handelsstreit-Kosovo-Serbien-Vucic-Thaci
(FOTO: N1, Tanjug)

Bereits seit Jahrzehnten herrscht zwischen Serbien und dessen abtrünniger Provinz Kosovo, die 2008 ihre Unabhängigkeit erklärte mehr als nur Krisenstimmung. In den vergangenen Wochen spitzte sich die Lage jedoch soweit zu, dass man glauben könnte, 30 Jahre ein die Vergangenheit zurückversetzt geworden zu sein.

Spätestens seitdem der Kosovo Ende November 2018 immens hohe Zölle auf Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina einführte, ist jeder Dialog zwischen Belgrad und Pristina abgebrochen. Auch die verzweifelten Versuche der EU, die beiden Staatsoberhäupter Aleksandar Vučić und Hashim Thaçi wieder zusammenzubringen, scheiterten kläglich.

Selbst der Mini-Balkangipfel in Berlin, organisiert durch Angela Merkel und Emmanuel Macron, brachte nicht das gewünschte Ergebnis, sondern eigentlich nur das Gegenteil. Sowohl der serbische als auch kosovarische Präsident zeigten Europa den Finger und gingen eigene Wege.

Seither spricht Thaçi regelmäßig von einer Vereinigung des Kosovos und Albanien zu einem „albanisches Gebiet ohne Grenzen unter euroatlantischer Schirmherrschaft“, während Vučić erst gestern erklärte, dass „es kein Serbien am Kosovo gebe.“ Und dann platzte die Bombe…

Großeinsatz der kosovarischen Polizei
Die Spezialeinheit der kosovarischen Polizei ROSU fiel in den Norden des Landes ein und verhaftete rund 30 Personen. Die meisten davon waren Polizisten serbischer Nationalität, sowie einige Zivile. Dabei soll es auch zu übertriebener Gewaltanwendung und Schießereien gekommen sein. (KOSMO berichtete)

Der kosovarische Premierminister Ramush Haradinaj bezeichnete den Einsatz als gezielte Aktion gegen organisiertes Verbrechen. Auf der anderen Seite sieht Serbien darin einen gezielten Angriff auf ethnische Serbien im Norden des Kosovos. Aufgrund dieser Polizeiaktion befahl Aleksandar Vučić als höchster Kommandat des serbischen Heeres allen Streitkräften, sich vollstens gefechtsbereit zu machen. (KOSMO berichtete) Dazu erklärte Verteidigungsminister Aleksandar Vulin in einem Interview, dass die serbischen Soldaten bereit seien, „ihr Volk am Kosovo“ zu beschützen.

Erinnerungen werden wach
Die Bilder von Massakern, Überfällen und anderen grausamen Kriegsgeschehnissen – nicht nur aus Serbien und Kosovo, sondern aus dem gesamten ehemaligen Jugoslawien – gingen um die Welt. Die Propagandamaschine in den Balkan-Medien lief auch Hochtouren. Selbiges gilt für öffentliche Povokationen von Politikern und Heeresführern.

Gleichzeitig ist auch die Rolle internationaler Berichterstattungen über die Geschehnisse im Kosovo-Krieg bis heute Gegenstand von hitzigen Diskussionen, da ihnen eine Teilschuld am weiteren Verlauf der Geschehnisse zugesprochen wird. Ebenso gibt es vonseiten offizieller Institutionen aus dem In- und Ausland keine Einigung betreffend der Opferzahl auf beiden Seiten, sowie der Anzahl an Vertriebenen. Das Einzige was mit Sicherheit zu resümieren ist, ist die Tatsache, dass es sich um eine der schwärzesten und inhumansten Zeiten der neueren Geschichte handelt.

Sowohl Vučić als auch Thaci, die beiden „heldenhaften Führer“ ihrer Völker sind bereit für ihre Landsleute alles zu geben – koste es was es wolle. Und die Geschehnisse von vor 30 Jahren lehren uns, dass die Situation heute ganz leicht kippen könnte. Ein kleiner Funke, und sei es nur der kleinste Zeitungsbericht, könnte in dieser angespannten Lage nicht nur ein Feuer, sondern eine Explosion ungeahnten Ausmaßes auslösen, die leicht auf die instabilen Nachbarländer von Serbien und Kosovo überschwappen könnte.

Und sollte es soweit kommen, dann wird sich auch wieder die internationale Gemeinschaft einschalten und wir alle wissen, was das bedeutet. Einsätze, die nur temporär für Frieden sorgen. Der Konflikt in den Balkanländern hat de facto seit Jahrzehnten nicht aufgehört zu keimen… Was es braucht, ist eine langfristige zufriedensstellende Lösung und keine Schminke, die nach ein Paar Jahren einfach abbröckelt.