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VEREHRT

Andrija Milošević – lustig, selbst wenn es ihm ernst ist!

FOTO: zVg.

Wo immer er auftritt, erkennen ihn die Menschen, gehen auf ihn zu wie auf einen alten Bekannten und behandeln ihn wie einen großen Star. Aber er selbst hält sich für einen ganz normalen Menschen.

Andrija Milošević (41) ist in Nikšić geboren, ging aber bereits mit 16 Jahren zum Schauspielstudium nach Cetinje. Er gehörte zur ersten Studentengeneration der neu gegründeten Akademie und war der jüngste unter den Schauspielschülern und daher der Liebling der ganzen Klasse. Damals, in den neunziger Jahren, wurde dort die Kultvorstellung „Bure baruta“ einstudiert, die auch in Wien gastierte und viele sehr positive Kritiken erhielt.

Für Andrija Milošević war dies der erste Besuch in Wien, woran ich ihn als Organisatorin dieses Gastspiels erinnerte, als er kürzlich sein neues Monodrama „Idem putem, pa zagrlim drvo“ hier vorstellte. Von Erinnerungen beflügelt, führten wir dieses Interview in einer ungezwungenen Form, als Freunde und per du, und so gebe ich es hier auch wieder.

KOSMO: Mit 16 Jahren hast du dich an der Akademie eingeschrieben. Damals warst du noch ein Bub und hattest nicht einmal die Mittelschule abgeschlossen. Was hat dich auf diesen Weg gebracht?
Andrija Milošević: Ich weiß es nicht, ich kann das wirklich nicht erklären. Es ist einfach so passiert. Ich kann nicht sagen, dass ich schon als Kleinkind darauf gebrannt habe, diesen Weg zu gehen. Auch meine Familie hat mich nicht gedrängt, so wie das heute einige tun, die ihr Kind schon von klein auf zu Models, Sängern oder Schauspielern erziehen, sodass sie mit 16 schon ein ziemlich aufgeblasenes Ego haben. Wir waren damals anders und ich habe überhaupt nicht daran gedacht, eines Tages berühmt zu werden. Ich habe einfach geglaubt, dass ich den Schauspielberuf liebe und bin in diese Richtung gegangen, das war alles. Mir war wichtiger, was ich auf der Bühne werden wollte, als dass mich die Menschen später in dieser Funktion lieben sollten. Ich habe keine Kalkulationen angestellt. Das wichtigste war mir, mit mir selbst im Reinen zu sein.

Das Publikum erwartet von dir schon seit Jahren nur deinen typischen, bekannten Humor. Wann hast du dich für diesen Weg entschieden? Gab es nach dem Akademiediplom auch ernste Rollen?
Es gab viele Rollen in Dramen, natürlich. In dieser Zeit hatte ich sechs Premieren pro Jahr. Und so ging das bis 2003. Und dann kam das Fernsehen, das damals allen ganz wichtig war, und später haben die Medien und das Internet allmählich die Genres bestimmt. Natürlich bin ich mir meiner selbst und meiner Möglichkeiten bewusst geworden und habe mich auf das gestürzt, was mir am besten liegt, und wenn das dann noch gut ankommt, sind wir beide zufrieden, das Publikum und ich.

Andrija: „Heute ist das Problem, dass alle satt sind, und wenn du satt bist, besteht die Gefahr, dass du auch dumm wirst.“

Nach dem Diplom bist du nach Belgrad gegangen, wo es viel Beharrlichkeit, aber auch viel Glück erfordert, seinen Platz unter der Sonne zu finden. In dieser Zeit bist du nicht immer satt geworden.
Es ist für niemanden leicht, wie auch immer das von außen aussehen mag. Aber es ist gut, seine Probleme zu konfrontieren, auch wenn das teilweise Hunger bedeutet. Heute ist das Problem, dass alle satt sind. Weißt du, wenn du satt bist, besteht die Gefahr, auch dumm zu werden. Dein Gehirn arbeitet langsamer, du kannst nicht nachdenken, denn du bist zufrieden. Der Hunger zwingt dich zu kämpfen, er ist der Trigger, der dich weitertreibt. Das meine ich symbolisch, aber wenn du im Leben und in der Arbeit kein Kämpfer mehr bist, wenn du nicht permanent kämpfst, wenn du Siege und alle anderen guten Dinge, aber auch die Narben nicht nüchtern annimmst, kannst du nicht wirklich erfolgreich sein. Sobald du dich auf deinen Lorbeeren ausruhst, verlierst du die Kraft, du kannst dich nicht mehr so leicht bewegen und wenn du dann endlich aufstehst, hat dich schon jemand anders eingeholt. Dieser Beruf erfordert ebenso wie jeder andere Opfer, die umso größer sind, wenn man nach höchstem Professionalismus strebt.

Glaubst du, dass wir heute alle hungrig oder übersättigt sind? – Und dabei denke ich nicht ans Essen.
Nein, wir sind nicht mit den richtigen Dingen übersättigt. Das Publikum konsumiert, was geboten wird, und damit sich daran etwas ändert, müssen auch die Medien viel mehr tun. Die Bühne alleine schafft das nicht, denn egal wie sehr sie sich bemüht, kann sie nichts ausrichten, weil die Menschen buchstäblich an den Medien kleben. Wir tragen die Medien in der Hosentasche, das war früher anders. Aber wenn das nun einmal so ist und sich nicht ändern lässt, muss man die Medien maximal dafür nutzen, den Geschmack der Menschen zu ändern oder eine Bereitschaft dafür zu schaffen, auch tiefere und hochwertigere Dinge anzunehmen.

Hat die Bühne angesichts dieses Zustands der Gesellschaft, aber auch der Medien ihren Sinn verloren oder sollte sie sich dem Geschmack bestimmter Publikumsschichten anpassen?
Nein! Und es gibt auch überhaupt keine Schichten. Alles hat nur mit den Medien zu tun, die das stärkste Instrument der Manipulation sind und zu der Katastrophe geführt haben, in der wir heute leben. Die Medien fördern immer das Schlechteste, sie tun alles, um den gesunden Menschenverstand zu untergraben. Das gilt für Zeitungen, Portale, das Fernsehen und die sozialen Netzwerke, die auch zu den Medien gehören. Auf der einen Seite ist das die schwarze Chronik, auf der anderen die niederen Bedürfnisse. Da gibt es viel Düsteres, von den Reality-Programmen bis zu dem Star-Status für wertlose Personen, wodurch den jungen Menschen vermittelt wird, dass das, was nach normalen Maßstäben gar nichts taugt, gut und hochwertig ist. Da ist eine Thesenumkehr geschehen, und ein Ende ist nicht in Sicht.

„Es war nicht mein wichtigster Gedanke, dass ich berühmt werde.“

Wie hast du dich dieser Zeit angepasst? Hat der Künstler in dir Abstriche machen müssen?
Nein, absolut nicht! Ich mache das, was ich will, ich behandle die Themen, die ich mag, und das auf die Weise, die für mich typisch ist. Ich habe keinen anderen gesehen, der das so macht. Ich mag einen Humor, den das Volk kennt, der aus dem Volk kommt. Es gibt viele Künstler, die einen anderen Ausdruck haben, die andere Themen behandeln, und das mag das Publikum. Aber das Publikum mag auch diese Art von Humor sehr, die volkstümlich ist und allgemeinmenschliche Themen behandelt. Das sind Alltagsthemen und sie sind dem Publikum nahe, weil jeder sie zu Hause erlebt. Das ist etwas, was meine Unterschrift trägt und typisch für mich ist. Ich könnte auch irgendwelche metaphysischen Dinge tun, aber für wen? Und wenn wir alle das täten, wer würde dann das Publikum, das zu meinen Auftritten kommt, zum Lachen bringen und glücklich machen?

Niemand! Dann wären alle verbittert, so wie auch die Medien verbittert sind. Ich passe mich diesen Medien absichtlich nicht an und ich will auch im Theater den Menschen nicht vom Tod oder von den Opferzahlen irgendwo in der Welt erzählen, wo wer wen beschimpft hat… ich mache lieber volkstümlichen Humor. So ist übrigens auch meine letzte Vorstellung „Idem putem, pa zagrlim drvo“, die von einer Mutter-Sohn-Beziehung handelt. Sie ist witzig, aber im Grunde auch traurig, denn da geht es um einen Mann, der die Liebe nicht erkennen kann. Das Publikum kennt das und schreit vor Lachen, aber nicht nur, weil es so lustig ist, sondern darin liegt auch eine gewisse Abgrenzung gegen den ernsthaften Hintergrund der Vorstellung. Wenn man die Dinge so präsentiert, dann kann man den Leuten so, in dieser bunten Verpackung, auch etwas Ernsteres „unterjubeln“.

„Ich weiß nicht, wie ich diesen Mann am besten erklären kann, aber er ist ein falscher Typ, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt.“ (FOTO: zVg.)

Aber wenn wir ständig ernstere bzw. tragische Inhalte vermitteln wollten, mit denen wir ohnehin fast jeden Tag von morgens bis abends eingedeckt werden, wo hätte das dann einmal ein Ende? Bei allem Äußeren, das uns belastet, ist es am besten, auf unser eigenes Leben zu blicken. Egal, wie schön, gescheit und erfolgreich wir alle sind: Wir haben sicher auch alle irgendein Segment unseres Lebens, das nicht ganz so schön ist, ganz im Gegenteil.

Hast du das auch?
Natürlich! Wir alle haben das. Kürzlich habe ich etwas auf Instagram gesehen und habe mir gedacht, dass ich bald etwas zu diesem Thema machen will – schön, wie schön wir sind, wie alle Menschen in den sozialen Netzwerken so erstaunlich schön sind! Was noch frappierender ist, alle sehen unwahrscheinlich glücklich aus, vor allem weil sie schön sind, aber in Wahrheit – ist die Wahrheit nicht so! Sie sind nicht glücklich, aber sie wollen, dass wir das sehen und denken, dass sie glücklich sind. Das Wichtigste an der ganzen Geschichte ist, was ich glaube, und nicht, was sie tatsächlich fühlen. Und dann siehst du die Männer… Wie die sich angepasst haben!

Ich weiß nicht, wie ich den neuen Mann am besten beschreiben soll, aber er ist ein falscher Typ, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Er ist so geschaffen, aber die wenn eine Frau diesen falschen Typen kennenlernt und verführt, kann sie nur dann neben ihm bestehen, wenn auch sie so eine Lügnerin mit einem falschen Outfit, falschen Sätzen, einem falschen Profil und einer erfundenen Identität ist. Sie spielt Glück mit einem falschen Typen, der voll tätowiert im Fitnessstudio herumhängt, und sie trägt ein grünes T-Shirt, damit sie zu seinen Tätowierungen passt. All das ist für mich eine unwahrscheinliche Inspiration für eine Komödie, in der sich viele wiedererkennen werden. Ich hatte verschiedene Themen in meinen Monodramen, das Publikum hat sie hervorragend angenommen, aber dieses wird wirklich ein Hit werden.

„Ich bin ein Mann, den das Publikum liebt, aber ich mag das Publikum ebenso. Auch die Medien lieben mich.“

Wer schreibt dir die Texte für deine Monodramen?
Die Ideen für die Themen kommen meistens von mir, und dann übernehmen Autoren wie Miodrag Karadžić, der einen elementaren volkstümlichen Humor besitzt, die Arbeit. Erinnern wir uns nur an die Fernsehserie „Đekna još nija umrla, a ne zna se kad će“, die er geschrieben hat. Er hat auch meine letzte Vorstellung gemacht, und die Regie habe ich einem besonders urbanen Mädchen übertragen, Jana Maričić. Mein Ziel war es, ihre Stile miteinander zu verbinden und dann zwischen den beiden zu stehen. Wir haben einen Bühnenakt gemacht und noch ein Häuschen hinzugefügt, in dem diese erfundene Figur war. Dieser Effekt hat die Vorstellung wirklich bereichert, so hatte das Publikum eine echte Bühnenhandlung vor sich.

Du bist für deinen Humor bekannt geworden. Das Publikum lacht schon aus vollem Halse, wenn du nur hinter dem Vorhang hervorschaust. Man hat den Eindruck, dass du nicht einmal etwas zu sagen brauchst, um das Publikum zum Lachen zu bringen.
Das ist das, was ich meine. Ich stehe seit 20 Jahren auf der Bühne, ich bin immer dagewesen für das Publikum. Natürlich gibt es auch andere Kollegen, die viel arbeiten, aber wir unterscheiden uns voneinander. Ich bin auch wegen meiner Sprache etwas Besonderes, denn ich habe meine herzegowinischen Wurzeln mit dem Ekavischen kombiniert und das alles klingt deswegen natürlich, weil ich mich nicht bemüht habe, es so zu machen. Ich bin einfach so.

Ich kenne das ganze Team deiner Klasse und kann ohne Übertreibung sagen, dass du es als einziger ganz nach oben geschafft hast und dich die ganze Zeit an der Spitze gehalten hast. Du bist ein Star geworden.
Ich bin ein Mann, den das Publikum liebt, und ich mag das Publikum ebenso. Auch die Medien mögen mich. Ich bin kein abgehobener Typ, ich stehe mit beiden Beinen auf der Erde, ich bemühe mich nicht, etwas Besonderes zu sein, aber für die Leute bin ich etwas Besonderes, weil ich völlig normal bin. Ich treffe ständig diese affektierten Leute, die sich benehmen, wie ich mich ihrer Meinung nach auch benehmen sollte. Zum Beispiel habe ich kürzlich einen Mann getroffen, der Markenkleidung trug, Frisur, Parfum, Tätowierungen – einfach alles, was heute als Erfolgsindikator gilt. Er sprach wie aufgezogen, und als ich es schaffte ihn zu unterbrechen, habe ich ihn gefragt, was er denn so Wichtiges machte, was er denn so Wichtiges für das Volk und den Staat leistete. Am Ende stellte sich heraus, dass er nichts tat außer viel Mühe darein zu investieren, dieses Bild von sich selber aufrechtzuerhalten, aber innen drin war alles hohl. Mir ist das fremd und mir liegt das fern, denn ich schätze nur Menschen, die arbeiten und kämpfen.

„Ich schätze nur Menschen, die hart arbeiten und kämpfen.“

Wenn du nach Nikšić kommst – und ich nehme an, da gibt es noch Menschen, die du besuchst – wie wirst du da wahrgenommen?
Ich habe Nikšić schon 1993 verlassen und viele meiner Freunde sind auch nicht mehr dort. Die anderen erleben mich als einen der Ihren, was ganz normal ist. Nach Nikšić fahre ich meistens, um meine Oma Sofija zu besuchen. Ich bin ihr ältester Enkel und habe bei ihr einen Sonderstatus. Wenn ich in Nikšić bin, verbringe ich die meiste Zeit mit ihr, wir besuchen gemeinsam die Verwandten und reden viel. Sie muss unbedingt drei Gläschen Schnaps trinken, allerdings über den ganzen Tag verteilt, und dann lässt sie sich über alles aus. Und ich lade auch meine Cousins ein, mit denen ich aufgewachsen bin, und genieße jeden Augenblick.

„Nach Nikšić fahre ich meistens, um meine Oma Sofija zu besuchen. Ich bin ihr ältester Enkel und habe bei ihr einen Sonderstatus.“ (FOTO: zVg.)

Und fragt dich Oma Sofija, wann du endlich heiratest?
Natürlich, alle fragen das, aber sie am meisten. Sie würde mich gerne verheiratet sehen, aber ich kann das nicht nur ihr zuliebe tun, egal wie sehr ich sie liebe. Omas sind in ihrer Liebe ein bisschen egoistisch.

Also, dann frage ich dich: Wann wirst du endlich heiraten?
Abwarten… Ich sage dir Bescheid, versprochen!

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.