Start News Panorama
LEBENSGEFÄHRLICH

Aus Angst vor Corona: Menschen schlucken Wurmkur für Pferde

(FOTO: iStockphoto)

Die vermeintlichen Wunderwaffen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 sind zahlreich und meist auch sehr schädlich. Das neueste „Mittelchen“, ein Ivermectin-Präparat aus der Veterinärmedizin, ist für Menschen sogar lebensgefährlich.

Die Impfstoff-Produktion läuft auf Hochtouren. Doch manchen geht das nicht schnell genug. Sie wollen nicht warten und setzen auf Alternativen. Das kann allerdings lebensgefährlich sein. Die „Wunderwaffen“ gegen das Coronavirus sind ebenso zahlreich, wie abstrus! Man denke etwa an Donald Trump, der damals bei einer Pressekonferenz laut überlegte, Menschen direkt Desinfektionsmittel zu injizieren. Obwohl diese Aussage von zahlreichen Fachleuten als Irrsinn kritisiert worden war, setzten mindestens 30 Personen damals den Vorschlag in die Tat um, schluckten entweder medizinisches Desinfektionsmittel, Bleichmittel oder sogar Haushaltsreiniger. Und nun gibt es in dem Land der unzähligen Möglichkeiten einen neuen und lebensgefährlichen Corona-Heilmittel-Trend: Ivermectin.

Wurmkur für Pferde als Corona-Heilmittel
Der derzeit amtierende US-Präsident Joe Biden hatte zwar in Aussicht gestellt bis Mai 2021 alle erwachsenen Amerikaner zu impfen, doch das geht einigen zu langsam: Sie setzen auf alternative – oft lebensgefährliche – Behandlungsmethoden gegen das Coronavirus. Dies führte auch zu einem rasanten Anstieg an Anrufen bei der Giftnotrufzentrale: „Im Schnitt bekommen wir über 40 bis 50 Anrufe pro Tag, zusätzlich zu dem, was wir normalerweise vor der Pandemie bekommen haben“, erzählt Julie Weber, Präsidentin der American Association of Poison Control Centers und Direktorin der Giftnotrufzentrale von Missouri.

Derzeit wieder hoch im Kurs sei das Antiparasitenmittel Ivermectin. Eigentlich dient das Tierarzneimittel dazu, innere und äußere Parasiten bei Haustieren und Nutztieren abzutöten, etwa bei einem Befall mit Fadenwürmern und Krätzmilben. Bei Menschen wird das Mittel nur Außen – gegen Kopfläuse – angewendet.

Studie verantwortlich für Run auf Ivermectin
Die US-Arzneimittelbehörde FDA warnte bereits im Frühjahr 2020 vor der Wurmkur. Insbesondere von jener, die aus der Veterinärmedizin stammt, sollte man die Finger lassen: „Sie können bei Menschen ernsthafte Schäden verursachen.“ Dazu zählen etwa Krampfanfälle, Koma, Lungen- und Herzprobleme und sogar der Tod. Dennoch setzen sich zahlreiche Menschen dieser alternativen Behandlungsmethode aus. Doch warum?

Laut FDA läge das unter anderem an einer missverständlichen Studie von australischen Wissenschaftlern. Diese schrieben im April 2020, dass Ivermectin in Zellkulturen die Vermehrung von Sars-CoV-2 verhindern und das Virus selbst innerhalb von 48 Stunden abtöten kann. Ob das auch bei einem infizierten Menschen funktioniert, zeigte die Studie nicht. Um das sagen zu können, sei noch weitere Forschung mit schlüssigen Daten erforderlich. Doch diese Ergebnisse führten bereits damals dazu, dass sich Menschen Ivermectin zur Selbstmedikation besorgten. Einige bezahlten den Versuch mit ihrem Leben.

LSA

Kontroverse Studienergebnisse zu Ivermectin
Seit der Veröffentlichung beschäftigen sich mehrere Studien mit der Rolle von Ivermectin im Kampf gegen das Coronavirus. Bisher allerdings mit ziemlich gegensätzlichen Ergebnissen: Während einige keinen Nutzen oder sogar eine Verschlimmerung der Krankheit feststellten, kamen wieder andere Studien zu dem Schluss, dass die Einnahme des Ivermectin-Mittels zu einer besseren Erholung, verringerten Entzündungswerten und zu einer niedrigeren Sterblichkeit führt.

„Allerdings hatten die meisten dieser Studien unvollständige Informationen und erhebliche methodische Einschränkungen“, so Mangala Narasimhan, Direktor der Critical Care Services bei Northwell Health in New York. Zu diesen zählte etwa eine kleine Stichprobengrösse, unterschiedliche Ivermectin-Dosen und Patienten, die gleichzeitig mit anderen Medikamenten behandelt wurden.

Deutlich höhere Wirkstoffdosis bei Tierpräparaten
Die FDA betont auf ihrer Seite, dass man keine Medikamente einnehmen sollte, die nicht vom Arzt verschrieben wurden, um Covid-19 vorzubeugen oder zu behandeln, und dass die Behandlungen von einer legitimen Quelle erworben werden müssen.

Giftexpertin Weber warnt zudem explizit vor der Nutzung von Präparaten aus der Veterinärmedizin: „Wir hatten gerade einen Fall, in dem jemand eine tierärztliche Quelle für Ivermectin verwendet hat: Ein Pferdemedikament, das eine deutlich höhere Dosis des Wirkstoffs enthält.“ Das sei lebensgefährlich, selbst wenn es nicht in großen Dosen eingenommen wird. Die Reaktionen reichten von Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen und Schwellungen im Gesicht oder an den Gliedmaßen bis hin zu Krampfanfällen, plötzlichem Blutdruckabfall und Leberschäden.

Quellen und Links: