Der Sozialleistungsbetrug in Österreich entwickelt sich zu einem immer gravierenderen Problem, das die Grundfesten des heimischen Sozialsystems zunehmend belastet. Als Reaktion darauf wurde 2018 im Bundeskriminalamt die Spezialeinheit „Task Force Sozialleistungsbetrug“ (SOLBE) ins Leben gerufen. Die stetig anwachsenden Fallzahlen verdeutlichen die Dringlichkeit dieser Initiative: Mittlerweile beläuft sich der finanzielle Schaden auf mehr als 135 Millionen Euro, die unrechtmäßig aus den Sozialkassen abgeflossen sind. Allein im laufenden Jahr 2024 wurden österreichweit 4.865 Betrugsfälle aufgedeckt, wobei Wien mit 2.626 Fällen den traurigen Spitzenplatz einnimmt.
Dreiste Betrugsmethoden
Besonders dreist zeigt sich das Ausmaß des Betrugs am Beispiel einer Baufirma, die mit einem ausgeklügelten System operierte. Das Unternehmen stellte 44 rumänische Frauen ein, die nahezu ausnahmslos Mutterschutz oder Karenzgeld bezogen. Der Haken: Lediglich eine dieser Frauen lebte tatsächlich in Österreich, während die übrigen 43 ihren Lebensmittelpunkt im Ausland hatten – aber dennoch mit einer österreichischen Meldeadresse ausgestattet waren und monatlich Karenzgeld erhielten. Gerald Tatzgern, der die Betrugsbekämpfung im Bundeskriminalamt leitet, erläutert: „Mit diesen 44 Damen, die Karenzgeld bekommen haben, gab es natürlich auch 44 E-Cards.“
⇢ Arbeitslose kassiert Sozialhilfe und lebt gar nicht in Österreich!
Ein weiteres Einfallstor für Sozialmissbrauch stellt die Bildungskarenz dar. In mehreren aufgedeckten Fällen wurden über Internetplattformen zweifelhafte Seminare angeboten, für die Teilnehmer erhebliche Summen zahlten. Im Gegenzug erhielten sie Zertifikate, die ihnen ermöglichten, ein Jahr lang 60 bis 70 Prozent ihres letzten Gehalts zu beziehen – obwohl die versprochenen Bildungsmaßnahmen in Wirklichkeit nie stattfanden.
Das Problem erstreckt sich auch auf Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, während sie faktisch im Ausland leben. „Wir haben Fälle, die sind 300 Tage, 320 Tage im Jahr im Ausland und kassieren hier Monat für Monat Sozialleistungen“, schildert Tatzgern die Situation.
Lösungsansätze
Um solchen Missbrauchsmustern wirksamer begegnen zu können, fordert das Arbeitsmarktservice (AMS) eine systematische Verknüpfung der Datenbestände von Mindestsicherungsbeziehern und Arbeitslosen. AMS-Vorständin Petra Draxl betont: „Wir wünschen uns sehr, dass es klare Schnittstellen gibt und es einheitliche Systeme gibt.“
Im aktuellen Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS wird die Notwendigkeit eines einheitlichen Kontrollsystems zur Betrugsbekämpfung explizit festgehalten.
Experten sind sich jedoch einig: Um den Sozialbetrug in Österreich flächendeckend einzudämmen, werden weitreichendere Maßnahmen erforderlich sein als die bisher vorgesehenen.
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