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INTERVIEW

„Die Sozialdemokratie ist der Garant dafür, dass unsere Gesellschaft nicht auseinander driftet“

FOTO: Petar Rosandic

Heinz Altenburger sorgt als Chef der wohl ungewöhnlichsten SPÖ Sektion überhaupt in letzter Zeit immer wieder für Aufsehen.

Einerseits sind es die positiven Zahlen und Zuwächse an Mitgliedern in seiner Sektion, die eine klare Sprache haben: Entgegen dem negativen Trend in der SPÖ gewinnt Altenburger immer mehr neue Leute ins Boot. Andererseits sind es seine immer klareren Ansagen in Richtung Parteizentrale in der Löwelstraße. Man könnte ihn durchaus auch als Partei-Rebell bezeichnen.

Grund genug, um mit dem obersten Personalvertreter der Wiener Berufsfeuerwehr ein Interview zu führen…

KOSMO: Die SPÖ ist seit den 70ern von 270.000 Mitgliedern auf 40.000 geschrumpft. Der Erfolg der von Ihnen gegründeten Sektion grenzt angesichts dieser Zahl an ein Wunder. Mit über 1000 Mitgliedern nach einem Jahr, davon 900 neuen Beitritten der Partei, ist sie heute schon die größte Sektion Wiens. Es läuft, oder?
Wir sind jetzt ziemlich genau knapp unter Tausend wieder. Im Zuge der Ereignisse nach der Nationalratswahl haben uns einige gesagt: „Jetzt seid’s ihr komplett durchgeknallt, jetzt reicht es mir!“. Das kam nach den Postenbesetzungen im Umfeld von Parteiobfrau Rendi-Wagner zusammen, aber auch den Kündigungen seitens der Partei. Da fehlt manchen wirklich das Verständnis, wie man so etwas machen kann. Solche Aktionen schießen dann uns natürlich auch zurück, obwohl wir im Großen und Ganzen als Sektion auf Erfolgskurs sind.

Aber sonst läuft es ja in ihrer Sektion besser als anderswo. Innerhalb von ein einhalb Jahren haben sie um die 1000 Mitglieder gewonnen. Was machen sie anders als die anderen in der SPÖ?
Wir versuchen, die Leute direkt und mit einfachen, bodenständigen Botschaften anzusprechen. Ich selber komme aus der Gewerkschaft, da herrscht noch das Bewusstsein: „Ohne meine Mitglieder gibt es mich nicht und ist meine Arbeit komplett sinnlos“. Wen soll ich den vertreten, wenn ich keine Mitglieder habe? Und genau da setzen wir an. Wir gehen aktiv auf die Leute zu, wie in einer Gewerkschaft. Und erklären ihnen die Vorteile und die Gründ für eine Mitgliedschaft. Es sind etliche, die mittlerweile an diesem Erfolg maßgeblich beteiligt sind. Und es kommen immer mehr Leute, die nichts mit der Berufsfeuerwehr am Hut haben, aber bei uns in der Sektion ihr Zuhause gefunden haben, sei es Leute von der Rettung oder aus anderen Berufen. Wir haben viele neue Leute abgeholt.

Bei uniformierten Berufsvertretungen – so wie z.B. die Polizei – ist die FPÖ meistens sehr stark. Bei der Feuerwehr ist das nicht so. Sehen sie das auch als ihren Verdienst?
Ja, definitiv, es ist die Arbeit von uns allen, die hier tagtäglich auf unsere Leute zugehen und ihnen Gehör verschaffen. Junge Männer in unserem Beruf wollen konkrete Antworten und wollen, dass man greifbar ist für sie – und nicht irgendwo in irgendwelchen Gremien versteckt ist. Von den 1800 Feuerwehrmännern haben sicherlich die meisten meine Telefonnummer. Und niemand hat mich jemals angerufen, weil ihm fad ist. Der Draht zu den Leuten ist das Fundament.

Eine Sektion mit um die 1000 Mitgliedern. Wo finden da die Sitzungen statt?
Wir machen die Sitzungen im Schottenstift. Dort machen wir auch oft größere Veranstaltungen. Und es ist kein Geheimnis, dass mittlerweile gerne die wesentlichen Vertreter der Partei bei uns vorbeischauen, mitreden und mitmachen wollen. Unsere Homepage ist vielleicht noch etwas dilletantisch, aber die Stimmung bei den Events ist immer gut, es kommen viele Leute. Das ist ein Bild, welches bei der SPÖ leider nicht oft zu sehen ist. Wir haben es uns zum Ziel genommen, das zu ändern.

FOTO: Petar Rosandic

Sie kritisieren die Partei oft. Was stört sie vor allem?
Man hat sich zu sehr daran gewöhnt, dass „eh alles da ist“ – und das man dafür nicht sonderlich viel tun muss. Und für viele gibt es scheinbar keinen Anreiz, um für Mitglieder zu kämpfen, rauszugehen und für die Partei aktiv zu mobilisieren. Es kommt, auch bei diesen oben erwähnten Nachbesetzungen zum Beispiel, immer wieder das Gefühl auf, dass die irgendwo da oben im Elfenbeinturm sind. Die Partei muss wieder zu ihren KernwählerInnen zurück finden und auch wieder alle Schichten besser, glaubwürdiger ansprechen. Man hat all zu lange Vieles vernachlässigt. Ja, auch bei der Migrationspolitik hätte man ein klares Konzept präsentieren sollen und nicht schwammige Anworten geben. Unsere Meinung ist: Migration ist notwendig, aber auch sie braucht klare Antworten – ja, auch beim Sicherheitsthema. Diese depperten Rechts-Links-Diskussionen führen zu Nichts. Es ist klar: Wir haben viel profitiert und wir profitieren von Migration, aber klar ist ebenso: niemand will einen Verbrecher in seiner Nähe haben. Ich bin jetzt 55 Jahre alt und würde mir wünschen, wenn in Wien das soziale Umfeld so bleibt, dass man sich einfach – wie jetzt – wohl fühlt auf den Straßen.

Wenn man viel Kritik übt, stellt sich die Frage: Wieso sind sie dann bei der SPÖ?
Ich mache sehr gerne Fernreisen und war z.B. in Brasilien. Ich habe dort gesehen, wie die Mittelklasse hinter Zäunen lebt, hinter großen Mauern – damit ja nicht die, die kein Geld haben, rein kommen können. Ich glaube nach wie vor, dass die Sozialdemokratie der Garant dafür ist, dass unsere Gesellschaft nicht auseinander driftet. Deswegen bin ich bei der SPÖ und auch aufgrund ihrer Geschichte, aufgrund des Kampfes für den sozialen Ausgleich. Unser Beispiel und das unserer Sektion zeigt ja: Es ist noch nicht zu spät, dass Blatt zu wenden.

Deswegen die Gründung der Sektion?
Ja, unter anderem. Wir wollen nicht außerhalb vom Spielfeld unseren Senf abgeben, sondern aktiv daran arbeiten, etwas zu ändern. Und wir wollen nicht zusehen, wie die rechte Politik unsere Leute abholt.

Wie reagiert eigentlich die Partei auf den Erfolg ihrer Sektion?
Im Dezember wurde beschlossen, eine Themeninitiative zu gründen, die sich mit Mitgliederwerbung befasst und in der ich der Vorsitzende bin. So richtig zu mir gekommen und mich gefragt, wie wir es denn machen – hat mich allerdings noch keiner. Abgesehen vom Michi Ludwig, der bei unserer Sitzung war und schon ein gewisses Interesse gezeigt hat.

Bei Ihren Veranstaltungen sind Vertreter unterschiedlicher Lager in der SPÖ: von Georg Dornauer und Max Lercher bis Willi Merny. Wem trauen sie am ehesten zu, dass er oder sie die SPÖ wieder auf Erfolgskurs führt?
Momentan gibt es für mich nur drei Exponenten, die tatsächlich Wahlen gewinnen können: Doskozil hat es wieder bewiesen und hat dabei im Programm sehr viele sozialdemokratische Themen drinnen, wie z.B. den Mindestlohn. Mit Herrn Kaiser funktioniert es in Kärnten offensichtlich auch, er hat dort die absolute Mehrheit. Michi Ludwig hat eine gewisse Volksnähe und kann darauf aufbauen. Aber hinter ihnen wird die Suppe dünn. In Wien sehe ich schon noch Licht – vor allem mit Jürgen Czernohorsky und Peter Hanke, unseren Stadtrat. Er hat einen guten Zugang zu den Leuten und wenig Berührungsängst.

Welchen Listenplatz erwarten sie sich bei der Wienwahl?
Das obliegt dem Bürgermeister. Ich denke, wir haben unsere Vorleistung erbracht und können auch davon ausgehen, dass sich das im Listenplatz niederschlagen wird.

Die Bundespolitik – wäre das etwas für Sie?
Nein, mich interessiert die Stadt Wien. Mit 55 eine politische Karriere anzufangen, ist reichlich spät.