Ein exklusives Interview mit Romeo Bissuti, dem Obmann von White Ribbon Österreich. Er erklärt, wie sich die Diskussion über Männlichkeitsbilder in Österreich verändert hat und welchen Einfluss die Kampagne auf diesen Wandel ausübt.
KOSMO: White Ribbon Österreich setzt sich seit 2001 intensiv mit dem Thema Männlichkeit(en) auseinander. Wie hat sich die Diskussion über Geschlechter-Rollenbilder in der österreichischen Gesellschaft in den letzten Jahren verändert, und welchen Einfluss hatte die Arbeit von White Ribbon darauf?
Romeo Bissuti: Erfreulich ist, dass das Thema Männerbilder in den vergangenen Jahren mehr zum Thema geworden ist. Toxische bzw. schädliche Vorstellungen über Mann-Sein und Männlichkeit werden vermehrt auch in einer breiten medialen Landschaft aufgegriffen. Das freut uns und wir haben ja mit der Kampagne das zentrale Anliegen Männer dafür zu gewinnen, Teil der Lösung des Problems Gewalt an Frauen zu werden. Unsere Arbeit besteht kontinuierlich seit mehr als 20 Jahren darin, dies auf verschiedensten Wegen an den Mann zu bringen. Die erhöhte Aufmerksamkeit beschert uns auch vermehrt Anfragen und größeres Interesse an unserer Präventionsarbeit. Somit nützen wir den inhaltlichen Rückenwind so gut wir dies im Rahmen unserer Möglichkeiten können.
KOSMO: Die weiße Schleife ist ein starkes Symbol der Ablehnung von Gewalt an Frauen. Wie gelingt es White Ribbon, Männer aktiv in den Diskussions- und Reflexionsprozess über das Thema Gewalt einzubeziehen und die persönliche Verantwortung sichtbar zu machen?
Romeo Bissuti: Die Maßnahmen, die wir zur Bewusstseins- und Öffentlichkeitsarbeit einsetzen sind breit gefächert. Dies umfasst einen Podcast, Social Media Aktivtäten, Plakatkampagnen, Diskussionsveranstaltungen, Teilnahme an Veranstaltungen, Vorträge im universitären und außeruniversitären Rahmen u.v.a.m. Zudem senden wir im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen eine Aussendung an alle männlichen Parlamentarier. Sowie an die Männer im Wiener Landtag, um sie zum Mitmachen an der Kampagne zu motivieren. Wir können das Problem der Gewalt an Frauen ja nur lösen, wenn alle gemeinsam daran arbeiten. Aus den geschilderten Aktivitäten ergeben sich viele Arten von Gesprächen, Kontakten und Beiträgen zur Kampagne. Dies kann das Bestellen eines White Ribbon sein. Ein Plakaten für die Jugendeinrichtung oder den Betrieb. Das kann eine Einladung zu einem Vortrag im Betrieb sein. Männer diskutieren das Thema mit uns bei Gender Talks. Studierende schreiben in ihren Arbeiten über die Kampagne und es gibt immer wieder die nachfrage nach ehrenamtlicher Mitarbeit bei uns. Die Aktivierung ist also so vielfältig wie die Männer, die wir erreichen.
„Auch viel Unerwartetes ist dabei, so hat einmal ein Unterstützer die ganze männliche Hochzeitsgesellschaft mit White Ribbons ausgestattet, als er geheiratet hat.“
KOSMO: Inwiefern hat White Ribbon Österreich pädagogische Arbeit in Schulen, Betrieben oder Gemeinden durchgeführt, um das Bewusstsein für Männergewalt zu schärfen? Welche Herausforderungen gab es dabei und welche Erfolge konnten erzielt werden?
Romeo Bissuti: In den vergangenen Jahren konnten wir dank einer Finanzierung durch das Sozialministerium auch stärker in der Workshoparbeit und in der Arbeit mit Betrieben aktiv werden. Gerade bei letzterem gibt es hinsichtlich gewaltpräventiver Burschenarbeit noch viel Aufholbedarf. Erfreulicherweise werden wir von den Einrichtungen mit dem Thema mit offenen Armen empfangen und wir konnten mit einem großen Wiener Ausbildungsbetrieb eine intensive Zusammenarbeit möglich machen, die sowohl die Ebene der Lehrlinge beinhaltet, als auch Arbeit mit den Ausbildner:innen. Ansätze wie diese, die sowohl die Verhaltens- wie auch die Verhältnisebene umfassen sind natürlich besonders wirksam und nachhaltig.
KOSMO: Die Kampagne betont, dass sie auch die Gewalt von Männern an anderen Männern und die Gewalt von Frauen an Kindern ernst nimmt. Wie integriert White Ribbon diese verschiedenen Aspekte in die Gesamtstrategie der Gewaltprävention?
Romeo Bissuti: Von Beginn an hat die Kampagne sich darum bemüht positive Bilder von gleichstellungsorientierter und gewaltfreier Männlichkeit zu präsentieren. Dies umfasst auch Themen die gewaltfreie Erziehung oder Gewalt gegen Männer beinhaltet. Dies haben wir versucht in Plakatkampagnen mitzudenken und auszuarbeiten. So hatten wir bereits in der ersten Plakatreihe einen Spruch eines Mannes, der bezüglich Männergewalt auch das eigene Sicherheitsgefühl anspricht. Wir haben Sujets die Caring Masculinities in der Erziehung aufgreifen und bei den aktuellen Plakaten fokussieren, wir zB. bei einem Bild die Patchwork-Familien Situation. Darüber hinaus waren verschiedene Gewaltformen, bei denen auch Männer in ihrer Verletzungsoffenheit durch toxische Männlichkeiten bei vielen unterschiedlichen Diskussionsveranstaltungen (Gender Talks) Thema. Zuletzt etwa wo wir in einer Podiumsdiskussion Gewalterfahrungen von Männern im Sport besprochen haben.
KOSMO: Ein zentraler Fokus von White Ribbon ist die Veränderung männlicher Gewaltmuster. Wie unterstützt die Kampagne Männer, die sich verändern wollen, und wie stellt sie sicher, dass die Kampagne nicht als Alibiversteck für gewalttätige Männer dient?
Romeo Bissuti: Wir haben auf unserer Seite Hinweise wohin man sich als Mann wenden kann, wenn man an seiner eigenen Gewaltbereitschaft arbeiten möchte. Direkte Anfragen erreichen uns dazu allerdings selten. Hinsichtlich der Alibi Haltung haben wir insofern eine Interventionsform entwickelt, dass Personen, die sich zB. auf Plakaten als gewaltfrei präsentieren, eine Klausel unterschreiben. Im Falle des Bekanntwerdens eines Gewaltvorfalles darf er von uns benannt werden, so dass die Kampagne keinen Schaden erleidet.
White Ribbon Österreich
Sich mit dem Thema Gewaltprävention und dem eigenen Handeln auseinanderzusetzen, ist ein wichtiger Schritt, um Verantwortung zu übernehmen. White Ribbon – die Kampagne Männer gegen Männergewalt – weiß, dass ein Großteil der Gewalt an Frauen UND Männern von Männern ausgeht. Um das zu ändern, müssen wir das Problem zuerst verstehen.
KOSMO: White Ribbon Österreich betont die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Frauenschutzprojekten. Wie erfolgt die Vernetzung mit diesen Projekten, und inwiefern trägt die Kampagne dazu bei, finanzielle Mittel für Frauenschutzprojekte zu akquirieren?
Romeo Bissuti: Die Kooperation mit Frauenschutzeinrichtungen, Gewaltschutzzentren, Frauenhäusern oder Mädchenberatungen ist selbstverständlich und gehört zu unserem Arbeitsgrundsatz. Wir sind dazu in vielen formalen, wie informellen Gremien vertreten, sind im laufenden Kontakt mit vielen Kolleginnen und holen uns auch immer Feedbacks oder Inputs zu geplanten Aktivitäten. Wir veranstalten auch immer wieder gemeinsame Benefizaktionen, wie zB. einen Punsch Stand mit UN Women, unterstützen eine feministische Filmreihe in Wien, ermöglichen Mädchenworkshops, wenn wir zB. mit den Burschen in den Schulen arbeiten und anderes mehr.
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