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KOMMENTAR

Frauenmorde: „Wenn ich sie nicht haben kann, soll sie keiner haben“

(FOTO: iStock)

Frauen und Mädchen sind in Österreich, aber auch weltweit, täglich körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Oft kommt die Gewalt von Männern, denen sie vertrauen und die ihnen nahe stehen. Die Gründe sind komplex, die Lösungen ebenso.

Zum Einstieg ein paar ernüchternde Zahlen: Jede fünfte Frau- also 20 Prozent der Frauen– ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt Jede 3. Frau musste seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Belästigung erfahren. Jede 7. Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr von Stalking betroffen. Im Jahr 2021 wurden bereits 4 Frauen in Österreich ermordet. Die Zahl der versuchten Morde ist noch um ein Vielfaches höher. Erst vor ein paar Tagen wurde eine Frau in Wien von ihrem Ex-Freund mit Benzin übergossen und angezündet. Ein weiterer versuchter Femizid.

Als Femizid bezeichnet man die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert den Begriff als „vorsätzliche Tötung einer Frau, weil sie eine Frau ist“. Österreich ist leider oft Spitzenreiter, wenn es um Statistiken über Gewalt an Frauen geht. Seit einigen Jahren steigt die Zahl von ermordeten bzw. von Gewalt betroffenen Frauen. Von 2014 bis 2017 kam es zu einer Verdoppelung der Zahl der Femizide von 19 auf 36. 2017 wurden Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat veröffentlicht die zeigten, dass Österreich das einzige Land in der EU war, in welchem mehr Frauen als Männer umgebracht wurden.

„Das größte Risiko für Frauen ist sehr häufig der eigene Partner“

Hanna Rumpold, Kriminologin Universität Wien

In der überwältigenden Mehrheit der Fälle handelt es sich dabei um Gewalt von Männern an Frauen. Daraus lässt sich schließen, dass es sich hier um ein strukturelles Problem und keine Einzelfälle handelt. Ein erkennbares Muster ist, dass die Täter oft nahestehende Männer sind, wie z.B. Familienangehörige oder (Ex)-Freunde. „Das größte Risiko für Frauen ist sehr häufig der eigene Partner“, erklärt Hanna Rumpold, Kriminologin am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien. Mehrere Studien haben sich mit den Risikofaktoren befasst, die zu Femiziden führen, sowohl aus Opfer- als auch aus Täterperspektive. Dabei ist das Nummer Eins Motiv für die Tat Arbeitslosigkeit, gefolgt von Trennungen (wenn das Opfer die Beziehung beenden will), Alkohol- und Drogenmissbrauch (des Täters), ständige Konflikte und psychische Probleme (des Täters). Ein sehr wichtiger Punkt, auch für die Präventivarbeit: Eine Studie vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Uni Wien hat gezeigt, dass in allen Frauenmord-Fällen bereits Gewalt im Vorfeld passiert ist und in fast der Hälfte Kontakt mit der Polizei bereits stattgefunden hat.

Wie kommt es dazu?
Ein großes Problem stellen schädliche Rollenbilder dar. Beispielsweise wird Buben beigebracht sie sollen stark sein, alles erobern, nicht weinen, keine Gefühle oder „Schwäche“ zulassen. Mädchen sollen lieb und nett, natürlich auch  hübsch (für andere) sein, sich um andere kümmern. Diese Rollenbilder führen dazu, dass Männer ein Anspruchsdenken entwickeln. Sie denken sie hätten ein Anrecht auf die Zeit, Mühe, den Körper und im schlimmsten Fall eben auch das Leben der Frau. Sie hätten ein „Recht“ darauf. Bei einer Trennung kommt dieses eingepflanzte Rollenbild dann oft zum Vorschein. „Der Gedanke dahinter ist, wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie keiner haben“, so die Soziologin Laura Wiesböck von der Universität Wien.

Jede dritte Person in Österreich stimmt der Aussage zu, dass „Geschlechtsverkehr ohne Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt ist“

EU-Umfrage

Ein weiteres Problemfeld ist das so genannte Victim-Blaming, also die Täter-Opfer Umkehr. Die Schuld für die grausamen Taten wird oft beim Opfer gesucht, statt beim Täter. Es werden die falschen Fragen gestellt, wie häufig im Fall von Vergewaltigungen „was hatte sie an?“ oder „wie viel hat sie getrunken?“ statt zu fragen, warum die Täter, meist Männer, aggressiv und übergriffig werden. Das solche hoch-problematischen Denkansätze sehr weit verbreitet sind in Österreich, lässt sich auch an einer unlängst veröffentlichten EU-weiten Umfrage erkennen. Jede dritte Person in Österreich stimmt der Aussage zu, dass „Geschlechtsverkehr ohne Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt ist“. Um das noch einmal zu verdeutlichen: jede dritte Person in Österreich findet Vergewaltigungen manchmal in Ordnung und gerechtfertigt. Zu hoffen bleibt nur, dass der Staat Österreich, aber auch die EU, mehr Budget für den Opfer- und Gewaltschutz zur Verfügung stellen wird. Frauenministerin Susanne Raab beteuert, dass dies ein „zentrales Anliegen“ des Frauenministeriums wäre. Eltern sollten prinzipiell auch weniger ihren Töchtern erklären, wie sie nicht vergewaltigt werden, sondern mehr mit ihren Söhnen darüber reden, wie sie keine Täter werden.

Was können Frauen im Alltag tun, um sich zu schützen?
Bis die politischen Maßnahmen umgesetzt werden, wird es wohl noch dauern. Bis dahin bleiben einige Dinge, die man persönlich machen kann, um sich zu schützen. Zunächst einmal, einfach keine unbekannten Personen in die Wohnung lassen und am Telefon keinen Unbekannten Auskünfte über sich geben. Wenn man unterwegs ist, sind belebte und beleuchtete Straßen im Regelfall sicherer, also lieber einmal einen Umweg in Kauf nehmen, als Risiko eingehen. Für den öffentlichen Raum raten Experten, wenn möglich jemanden anzusprechen und um Hilfe zu bitten, wenn man sich verfolgt fühlt, oder wenn möglich, in das nächstgelegene Lokal gehen und die Polizei verständigen. Eine vollständige Liste der Sicherheitstipps findet ihr hier. Selbstverteidigung zu erlernen ist eine gute Art, sein Selbstbewusstsein zu stärken und sich in brenzligen Situationen wehren zu können. Wenn man mitbekommt, dass es in der Nachbarschaft zu häuslicher Gewalt kommt, ebenso die Polizei verständigen. Alles das sind simple Tipps, die aber durchaus Leben retten können!